Textatelier
BLOG vom: 19.12.2005

Nur nicht den Kopf verlieren ... Eine aktuelle Groteske

Autor: Emil Baschnonga
 
Oh, wie grässlich! Aber es war abzusehen, dass es dazu kommen musste, kurz nachdem die Chirurgen ganze Gesichter verpflanzen können. Jeder Gauner mit einem riesigen Bankkonto kann sich jetzt ein neues Gesicht leisten, etwa jenes eines Pastors.
 
Als getreulicher Berichterstatter kann ich dem Leser und der Leserin den folgenden medizinischen Durchbruch nicht verschweigen, selbst nicht während der momentanen gnadenbringenden Weihnachtszeit. Denn inzwischen wurden bereits 12 Köpfe erfolgreich verpflanzt. Der Kopf eines Dummkopfes wurde mit einem Hohlkopf ersetzt. Das war die erste gelungene Operation, die bewies, dass so etwas überhaupt möglich ist.
 
Der 2. Kopf wollte einen besseren als seinen eigenen haben. Er wurde auf die Warteliste gesetzt; denn er wollte einen Kopf ergattern, der „unternehmerisch denken kann“. So machten sich die Kopfjäger auf die Pirsch. Als ein stinkreicher Bankhengst starb, war dessen Witwe ohne Weiteres damit einverstanden, dass man ihm, also ihrem verstorbenen Mann, den Kopf abschneide, einfach weil er ihr Erbgut eingesackt und es seiner Mätresse vermacht hatte.
 
Beim 3. Fall handelt es sich um eine sehr einflussreiche Dame hocharistokratischer Herkunft, die unbedingt den Kopf ihrer Nebenbuhlerin haben wollte. Sie wird sich noch etwas gedulden müssen, bis es gesetzlich erlaubt ist, ihre Nebenbuhlerin zu enthaupten. Inzwischen konnte ich in Erfahrung bringen, dass die Nebenbuhlerin von der CIA aufgegriffen und als Frachtgut nach Texas übergeführt wurde. Die Operation, wiewohl nicht offiziell bestätigt, scheint gelungen zu sein.
 
Jetzt beginnen die Köpfe zu rollen. Die alten, abgenommenen Köpfe werden gelagert. Diese Billigköpfe aus 2. Hand werden jetzt übers Internet versteigert. Tatsächlich: Ein Hohlkopf erwarb sich jenen des vorrätigen Dummkopfs. Er soll nur einige Millionen € gekostet haben. Wirklich ein Schnäppchen in der heutigen Zeit, wo sich die Nullen hinter der Zahl wie Kaninchen vermehren.
 
Auch haben inzwischen die Politiker die Vorteile des Kopfwechsels erkannt. Nach dem EU-Debakel soll sich Tony Blair nach dem Kopf von Jacques Chirac erkundigt haben. „Mir ist schnuppe, ob er älter aussieht …“, habe er bemerkt. Erst als ihm aufging, dass er dabei sein gestelztes Englisch gegen das hinterhältige Französisch von Jacques Chirac eintauschen würde, sei er zurückgekrebst. Nun träumt er von Gordon Browns Kopf. Das wäre doch ein schönes Weihnachtsgeschenk! Aber wohin mit Mr. Blairs Kopf? Gegenwärtig will ihn keiner.
 
Die Quantensprünge der Medizin sind phänomenal. Ähnlich wie Blumen werden sich dereinst gewiss auch Köpfe in die Vase stellen lassen. Zwar sind solche Vasen enorm komplizierte Apparate, mit Schläuchen, die für die Durchblutung sorgen, von den Nervenanschlüssen nicht zu sprechen. Auch sind solche Köpfe sehr teuer im Unterhalt: Das Haar wächst weiter und die Karies auch. Und was tun, wenn sie einen Schnupfen einfangen?
 
Die Marktforschung hat eben ein wachsendes Interesse an lebendigen „Ahnengalerien“ festgestellt. Sie mögen eines Tages die bis anhin auf steife Porträts in abbröckelnder Ölfarbe Verewigten ersetzen. So gewinnt der Nachfolger einen sprechenden Vorfahren. Eine offene Frage bleibt, wie man ihn oder sie wieder zum Schweigen bringt; schliesslich kann man einen solchen Kopf nicht zum 2. Mal abschneiden. Vielleicht genügt ein Kurzschluss.
 
Nur nicht den Kopf verlieren, rate ich mir und anderen Menschen während der gnadenreichen Weihnachtszeit. Das ist das Vorrecht der Enten, die jetzt um diese Jahreszeit aufgetischt werden, mit oder ohne Kopfsalat.
 
Hinweis auf eine weitere Groteske von Emil Baschnonga
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst