Textatelier
BLOG vom: 09.08.2006

Der Freund und Feind zugleich in uns – Aphorismen

Autor: Emil Baschnonga
 
So gut wie gute und schlechte Launen, Glück oder Unglück, Freud und Leid einander ablösen, so sind wir bald unser bester Freund, bald unser Erbfeind.
 
Das Glück kommt auf dich zugeflogen, bedenke, von einem, dem es entflog.
 
Dieses verwickelte Thema möchte ich diesmal kaleidoskopisch und aphoristisch aus meiner eigenen Zitaten-Truhe begleiten und diese Zitate einfach wie Pfeffer und Salz im Text einstreuen, etwa zum Auftakt so:
 
Wem Einsicht den Bogen spannt, dessen Pfeil fliegt weit und trifft.
Es ist stets der eigene Schatten, der über die Vernunft fällt.
Er hielt Einkehr und bewirtete sich fürstlich.
Wer sich nicht belehren lässt, sollte sich bekehren lassen.
 
Diese Aphorismen mögen darauf hinweisen, dass Selbstbesinnung als Kompass durch unsere Seelenlandschaft verlässlicher ist als sich vom Wellenspiel der Emotionen treiben zu lassen. Möge uns der innere Freund zur Seite stehen und den von uns selbst aufgewiegelten Feind verdrängen. Aus Selbsterfahrung weiss ich, dass dies eine unendliche Geduld einfordert.
 
Einerlei, ob uns die Mischung zwischen beiden Extremen, also der Freund und der Feind in uns, vorverpackt im Erbgut mitgegeben ist oder nicht, würfelt am Ende jeder weitgehend sein eigenes Leben, und fordert dabei zumindest teilweise den guten Zufall oder das üble Schicksal heraus.
 
Manche passen wie ein Handschuh in ihr Schicksal.
Er meinte es nicht ernst, als er einer Erfahrung zuwinkte. Das aber konnte sie nicht wissen.
Der Zufall traf sein Schienbein hart. In der Wut versetzte er ihm einen Tritt – und hatte obendrein einen verstauchten Fuss.
 
Ich teilte mit Trudi den gleichen Schulweg. Sie war immer munter und fidel sowie eine anerkannt gute Schülerin und kam aus einem rechtschaffenen Elternhaus. Warum sprang Trudi als 20-Jährige von der Mittleren Rheinbrücke in den Tod? Sie sei drogenabhängig geworden, erfuhr ich Jahre später.
 
Der letzte und traurigste Schritt eines jungen Menschen ist der Freitod. Dieser Kurzschluss hinterlässt schwärende Wunden: Hätten wir etwas tun können, um den Selbstmord zu verhindern?
 
Ob uns der Tod als Freund und Erlöser oder feindlich gesinnt, als Richter oder Henker erscheint, entgehen wir ihm nicht, wie dies in den Holzstichen vom Totentanz von Hans Holbein dem Jüngeren eindrücklich  dargestellt ist. Auch Johann Wolfgang von Goethe hat dem Totentanz ein Gedicht gewidmet, und die letzten Pianokonzerte von Franz Liszt haben ihn vertont.
 
Ich selbst habe das Basler Kunstmuseum als Jüngling verschiedentlich aufgesucht, um Hans Baldungs Werk „Das Mädchen und der Tod“ zu betrachten. Dem Tod schenkte ich damals viel weniger Beachtung als dem nackten Mädchen …
 
Unser Verhältnis zum Leben und Tod sehe ich als eine Palette: Wir wählen die Farben zum eigenen Bild davon, das unser Verhalten uns und der Welt gegenüber einfärbt. Das Leben drängt vor, während der Tod im Hintergrund lauert.
 
Den Tod versteht unser Geist höchstens als Rauchzeichen, das unsere Gedanken dem Winde gleich auflöst und vertreibt.
Leben nach dem Tod? Leben vor dem Tod!
Ein Schritt im Leben ist einer gegen den Tod. Das hält uns in Gang.
Was das Leben an Rollen verteilt, das sammelt der Tod als Hülsen.
Epilog: Er ist längst vor seinem Tod gestorben.
Schlaf: Der Tod schiesst Bolzen.
 
Wir alle kennen Menschen, die das Schicksal immerfort hart anpackt, wie auch geschickte Segler durchs Leben unter vorwiegend blauem Himmel. Dazwischen gibt es die „Steh-auf-Männchen“, die sich immer wieder hochrappeln: die geborenen Optimisten.
 
Er pflanzte Kartoffeln und erntete Melonen.
Er freute sich, weil ihm das Ärger ersparte.
Immerhin müssen es wichtige Menschen sein, denen der schlimme Zufall stets Stolper- oder Stacheldrähte über den Weg legt.
Er kam besser voran, weil er die Welt im Rückspiegel behielt.
Ein sonniges Gemüt macht saure Gurken süss.
Seine Freude knurrte, weil er sie an kurzer Leine hielt.
Er hatte einen Vogel, der ihm Spiegeleier legte.
Vorbild: Eine geritzte Kastanie lacht, wenn geröstet.
Er half ihm auf die Beine – und schonte damit seine eigenen ...
 
Kann es sein, dass sich im Wechselbad zwischen Glück und Leid die scharfen und harten Ecken unseres Charakters allmählich glätten, sie sich nach und nach abrunden wie ein Kiesel im Bergbach? Selbst der Wüterich lernt zuletzt und drosselt sein aufbrausendes Temperament. Die Dressur des Lebens beginnt zu wirken. „Wie man sich bettet, so liegt man“, ist eine bekannte Redensart. Selbst der Starrsinn eines Dickschädels oder Rechthabers, der den Feind in sich selbst stärkt, kann sich lockern, dank des Einflusses seines Freundes in ihm: Er kommt zur Einsicht.
 
Faust-Regel: Damit lässt sich keine Sache anpacken.
Es gibt Köpfe, denen Bretter die Welt bedeuten.
Wütend kickte er den Stein des Anstosses, der prompt in ein Rosenbeet flog.
Es braucht viel eigenes Schwergewicht, um Schwankungen zu mindern.
Besser sich selbst absichern. Versicherungspolicen kosten viel und sind voller Einschränkungen.
Jedes Ding hat seinen Willen. Jedes Unding mehrere.
 
Dieser Kurzbrief – vielmehr ein Fragment und Ausschnitt aus dem Kaleidoskop des Lebens – sei mit diesen 5 letzten Aphorismen umkreist:
 
Eine Glückssträhne soll niemand scheiteln; eine Pechsträhne hingegen jedermann gelockt tragen.
Der Weltengang verärgert mitunter sehr, im Grossen wie im Kleinen. Zur Freude muss man sich in dieser Welt schon selbst in Gang bringen.
Gut ist, wer besser von sich denkt, als er ist; klug wer das bemerkt.
Die Hürde wird im Anlauf genommen – nicht unbedingt im ersten.
Unlustgefühlen kann niemand ausweichen. Das heisst aber noch lange nicht, dass man sich mit ihnen abgeben muss.
 
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