Textatelier
BLOG vom: 02.04.2007

Bei den Landfrauen: Haushaltsführerschein und der Alte Hotz

Autor: Heinz Scholz, Schopheim D
 
Am 27. März 2007 fand in Laufenburg-Hochsal die Bezirksversammlung der Hotzenwälder Landfrauen statt. Zu dieser Veranstaltung wurde ich als Referent von der 1. Bezirksvorsitzenden Marlene Müller eingeladen. Thema des Vortrages lautete: „Richtig gut einkaufen – Die besten Einkaufstipps und wie Sie Verkaufstricks erkennen.“ Es war ein sehr aktuelles Thema, das ich auch in einem ausführlichen Kapitel meines im Verlag Textatelier.com erschienenen Buches Richtig gut einkaufen – Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag“ dargestellt habe.
 
Als ich an einem sonnigen Frühlingstag von Laufenburg in Richtung Hochsal fuhr, sah ich schon von weitem den mächtigen Turm der katholischen Pfarrkirche St. Pelagius von Hochsal. Dieser Turm ist das Wahrzeichen des Hotzenwalds. Im Volksmund trägt er den Namen „Alte Hotz“. Die Gründung der Kirche geht bis ins 11. Jahrhundert zurück, der Turm wurde im 15. Jahrhundert erbaut und im 16. Jahrhundert erhöht. Die Kirche hat einige Besonderheiten zu bieten. In der Krypta befindet sich der Steinsarg der heiliggesprochenen Mechthildis (Mechthild) mit der Jahreszahl 1081. Vor einigen Jahren konnte ich im Rahmen einer Exkursion des Geschichtsvereins Markgräflerland e.V. unter Leitung von Dr. Erhard Richter diese Kirche und die Krypta ausgiebig besichtigen.
 
Der Papst durfte nicht „zusehen“
Nun diesmal hatte ich andere Dinge im Sinn. Ich brachte eine Anzahl meiner Bücher, Unterlagen für den Vortrag und einige Tafeln Schokolade für den Geschmackstest in den Pfarrsaal neben der Kirche. In einer Ecke hinter der Eingangstür entdeckte ich eine Leinwand und den Tageslichtprojektor, den ich für die Projektion von Folien benötigte.
 
Ich schnappte mir die Leinwand und beförderte diese in die Nähe des Rednerpultes am Kopf des Saals. Dabei konnte ich nicht verhindern, dass ich das aktuelle Bild des Papstes Benedikt XVI. verdecken musste. Ich dachte mir im Stillen, hoffentlich bemerkt das keiner von den Katholiken im Saal. Wohl oder übel mussten die 80 anwesenden Landfrauen und 2 Männer sich auf mich konzentrieren und nicht auf den Papst. Der Heilige Vater möge mir das verzeihen.
 
Bevor die Verantwortlichen ihre Reden hielten und ich mich ins Zeug legen konnte, wurde Kaffee und köstlich schmeckender Kuchen gereicht. Ein grosses Lob möchte ich den Landfrauen von Laufenburg-Rotzel unter Leitung von Dora Zipfel zollen, die sich viel Mühe gaben, um diese Versammlung zu gestalten. Die selbstgebackenen Kuchen waren kaum von den Anwesenden zu bewältigen.
 
Projekt „Haushaltsführerschein“
„Es ist Zeit, dass unsere Kinder wieder frühzeitig an die Grundlagen gesunder Ernährung herangeführt werden“, forderte Marlene Müller in ihrer Eröffnungsansprache. Sie informierte über den Haushaltsführerschein, den die Landfrauenverbände und der Deutsche Hausfrauen-Bund ins Leben gerufen haben. Entsprechend ausgebildete Landfrauen geben ihr Wissen in Kursen an Schüler und Schülerinnen von Grundschulen, Haupt- und Werkrealschulen, Realschulen, Sonderschulen und Gymnasien weiter. Nach erfolgreichem Abschluss erhalten die Schüler und Schülerinnen einen Haushaltsführerschein (www.landfrauenverband-suedbaden.de).
 
Wie das vor sich geht, wurde an der Grundschule Ehrenkirchen im Markgräflerland demonstriert. In 12 Unterrichtsstunden vermittelte die Landfrau Claudia Gutmann und Klassenlehrerin Jutta Schneider den Kindern spielerisch alles Grundlegende zur Haushaltsführung. Dazu zählten Kenntnisse in den Bereichen Kleidung- und Wäschepflege, die Verwendung von Waschmitteln, Bügeltechniken, Wäsche falten und Knöpfe annähen. Ein wichtiges Thema war in Zeiten des „Fast Foods“ die Ernährungslehre und die Nahrungszubereitung.
 
„Schon lange setzt sich der Landfrauenverband dafür ein, dass diese wichtigen Alltagskompetenzen in der Schule vermittelt werden, denn diese Kenntnisse müssen genauso erlernt werden wie Lesen, Rechnen und Schreiben“, zog Birgitta Klemmer in einer Pressemitteilung im Internet ein Fazit.
 
Zurück zur Bezirksversammlung. Irmgard Keppler, beim Landratsamt zuständig für Haushalt und Ökonomie, betonte nach den einführenden Worten von Marlene Müller, dass jeder von uns einheimische Produkte kaufen sollte. „Damit unterstützen Sie unsere Landwirte und Landwirtschaft.“ Diese Aufforderung ist sinnvoll und notwendig.
 
Anette Klaas, Gleichstellungsbeauftragte im Landratsamt Waldshut, lobte die Tätigkeit der Landfrauen und brachte ihr Erstaunen zum Ausdruck, dass sie sich sogar in die grosse Politik einmischen und immer wieder aktuelle Themen finden.
 
Jährlich 3200 Euro gespart
Schwerpunkte meines Vortrags waren die Tricks der Verkäufer und die Einkaufstipps für den Verbraucher. Da ich schon in Blogs über diese Punkte berichtet habe, beschränke ich mich auf die Neuigkeiten und den Fragen aus dem Zuhörerkreis.
 
Laut einer schwedischen Studie sollte man Lebensmittel-Grosseinkäufe vermeiden. Wer in der Woche nur einmal einkauft, gibt im Jahr 390 Euro mehr aus. Oft müssen Nahrungsmittel wegen Verderbs weggeworfen werden. Der schwedische Forschungsleiter Lundberg rät, einen Speiseplan für die ganze Woche samt Einkaufsliste auszustellen und sich daran zu halten.
 
Schon in meinem Buch erwähnte ich, dass die teuren Waren in Augenhöhe in den Regalen sind. In der „Bückzone“ sind die billigeren Produkte platziert. Durch die Bequemlichkeit der Kunden oder, wenn sie aus Altersgründen sich nicht mehr so gut bücken können, verzichten 15 bis 20 % der Kunden auf die preiswerteren Waren.
 
Zu diesem Thema zeigte ich die Folie „Einsparmöglichkeiten einer 10-köpfigen Familie“. Die Fakten stammten aus einer Sendung des „Mittagsmagazins“ von RTL (Anfang März 2007): Da die Familie mit ihrem Geld von 3200 Euro nicht auskam, wurde ein Sparkommissar in die Wohnung geschickt, der dann Einsparmöglichkeiten ausrechnete. Wenn die Familie im unteren Segmentbereich einkauft, spart sie 2400 Euro im Jahr. Wenn sie das gute Leitungswasser trinkt, dann ist der Einkauf von Mineralwasser in Höhe von 350 Euro im Jahr unnötig. Die anderen Einsparmöglichkeiten (jährliche Zahlungen von Versicherungen, günstige Haushaltswaren usw.) schlugen mit 450 Euro im Jahr zu Buche. Insgesamt würde die Familie im Jahr 3200 Euro einsparen. Da staunten nicht nur die besagte Familie, sondern auch die Zuhörer im Saal.
 
Das Fatale war, dass das Elternpaar noch nie etwas von den billigeren Waren im unteren Regalsegment gehört hat (und wohl auch nicht von meinem Buch, das solche Tipps bringt). Auch dass man bei Versicherungen etwas sparen kann, war ihnen unbekannt.
 
Wenn einer im Salat wühlt
Immer dort, wo Lebensmittel wie Salat, Obst und Gemüse offen herumliegen, wird gnadenlos herumgewühlt, bis das anscheinend beste Stück herausgefischt werden kann. Man kommt sich vor, wie an einem Wühltisch während des Schlussverkaufs. Als ich mich darüber ausliess, machte eine Zuhörerin ihrem Ärger Luft. Sie betonte, da müsste das Personal darauf achten, dass diese unhygienische Herumsucherei aufhört. Einige Geschäfte gehen bereits dazu über, bestimmte Pilze, Gemüse und Salate mit Folien oder in Schalen zu verpacken. Am besten ist der Einkauf auf dem Markt oder Bauernladen. Da wird Frische garantiert, und der Salatkopf spürt nur die Hand des Verkäufers.
 
Der ökologische Wahnsinn
Heute werden Äpfel aus China und Neuseeland, Honig aus Kolumbien, Weine aus Chile, Südafrika und Kalifornien, Schnittlauch aus Israel und Erdbeeren im Winter aus Spanien, Marokko und Italien zu uns gebracht. Viele Tausende von Kilometern werden überwunden und das zu einem Preis, der einheimische Produzenten das Fürchten lehrt. Die Discounter kaufen eben nur dort, wo die Ware am billigsten ist. Auch viele Kunden, die Bio-Waren einkaufen, wollen im Winter nicht auf die genannten Produkte verzichten.
 
Nehmen wir einmal den Anbau von Erdbeeren in Spanien unter die Lupe. Die Anbauflächen betragen 6000 Hektar. Die Beeren reifen unter Folien oder Gewächshäusern heran. Die Bauern bohren illegal Brunnen (500 000 Brunnen in ganz Spanien). Die Folgen sind katastrophal: Die Region (Andalusien) wird immer trockener, die Bäume werden dürrer und die Waldbrandgefahr steigt. Der Grundwasserspiegel sank von 5 bis 7 Meter Tiefe vor 30 Jahren auf 30 bis 40 Meter ab. 21 Millionen Kubikmeter Wasser werden jährlich verbraucht. Damit könnten 300 000 Menschen versorgt werden.
 
Auch das Naturschutzgebiet Donana ist massiv bedroht. Dieses Gebiet ist Rückzugsgebiet für Millionen von Zugvögeln. Früher wuchsen in der „Region der Erdbeere“ Pinien und Olivenbäume. Das Fatale ist, dass der Staat die Überproduktion, die einem Drittel der Ernte entspricht, aufkauft und vernichtet. So ein Wahnsinn!
 
Taugt Gen-Mais als Rattengift?
In meinem Vortrag sprach ich nicht nur das Thema Bio-Kost aus dem Supermarkt, sondern auch das über die Gentechnik an. Die Gentechnik ist auf Dauer unwirtschaftlich und mit Gefahren verbunden. So wurden nicht nur negative Effekte beim Menschen (Veränderungen des Immunsystems, vermehrt Allergien), sondern auch bei Tieren beobachtet. Die neueste Nachricht „Taugt Gen-Mais nur als Rattengift?“, publiziert in „Welt online“ vom 13. März 2007, hob ich besonders hervor. Forscher haben nämlich herausgebracht, dass eine als Lebensmittel zugelassene Gen-Mais-Art bei Verfütterung an Ratten es zu Vergiftungssymptomen und Schäden an Leber und Nieren kam. Es ist unglaublich, aber wahr: Hersteller Monsanto wollte die Veröffentlichung der Daten verhindern. Erst Greenpeace konnte die Offenlegung per Gerichtsbeschluss erzwingen.
 
Geiz ist nicht geil
Der anschliessende Schokoladentest brachte wieder die Bestätigung, dass Geiz nicht geil ist. Die Landfrauen mit ihren feinfühligen Geschmacksknospen erahnten die beste Qualität. 53 % waren überzeugt, dass die teure Schokolade die Beste sei, während die Bio-Schokolade auf den 2. Platz (42 %) rutschte. Nur eine Verkosterin (5 %) votierte für die Billigschokolade von Aldi. Scherzhaft meinte ich, dass die Dame vielleicht von Aldi zur Versammlung geschickt wurde ... Insgesamt naschten 20 Damen an den dargebotenen Schokoladenstückchen, die ich auf 3 Tellern nacheinander persönlich überreichte.
 
Quiz und Gewinner
Während des Schokoladentests mussten die Anwesenden auf einem Zettel regionale Fragen beantworten. Zum Beispiel wurde gefragt, wie der Kirchturm von Hochsal im Volksmund heisst („Alte Hotz“). Das Quiz wurde zugunsten des „Fördervereins Kapelle Rotzel“ veranstaltet. Am Schluss kam Dora Zipfel zu mir und sagte: „Wir haben ein Problem. 6 Leute haben die Fragen richtig beantwortet, wir haben aber nur 3 Hauptpreise.“  Spontan erwachte in mir die Euphorie des Schenkens: Ich übereichte ihr 3 Exemplare meines Heilpflanzenbuches „Arnika und Frauenwohl“. Dann musste ich – soweit ich mich erinnern kann, war dies das erste Mal in meinem Leben – die Glücksfee spielen und zog einen Zettel nach dem anderen und verkündete die Preisträger. Da kam Freude auf.
 
Zum Schluss bot die 15-köpfige Singgruppe des Landfrauenvereins unter Leitung von Dora Zipfel zu Herzen gehende beschwingte Weisen aus dem Volksliedgut. Begleitet wurden die Sangeskünste von einer Gitarren- und einer Akkordeon-Spielerin. Besonders gefiel mir das Lied „Jeder Tag ist ein Geschenk, das man geniessen soll“. Und zum Schluss stimmten alle ins „Landfrauenlied“ nach der Melodie des Bad’ner-Lieds ein. Insgesamt wurde der folgende Refrain zwischen den vierzeiligen Texten 6 Mal gesungen: 
„Das sind die Frauen im Badner Land,
mit Frauenpower im Verband, im Verband,
frischauf, frischauf, nehmts´ in die Händ`!
Frauen-Bewegung ohne End!“ 
Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, dass im Landesverband Baden etwa 20 000 Frauen Mitglied sind.
 
Es ist schon erstaunlich, was die agilen Landfrauen auf die Beine stellen und was sie auch bewirken. Dem neuen Projekt „Haushaltsführerschein“ darf man in jeder Beziehung Erfolg wünschen. Die Weitergabe von Kenntnissen und Fertigkeiten sind in der heutigen Zeit nötiger denn je. Viele Eltern haben nämlich in der Fast-Food-Epoche verlernt, richtig zu kochen. Und die armen Kinder müssen all dies schlucken, was ihnen die Eltern vorsetzen. Deshalb sollte man Heranwachsende und Eltern motivieren, eine Änderung zum Positiven einzuschlagen. Die Landfrauen stehen bereit, ihr Wissen weiterzugeben.
 
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