Textatelier
BLOG vom: 20.03.2008

Bärlauch frisch vom Wald in die frühlingshafte Haute Cuisine

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Bärlauch zu essen ist unter 40 freiwillig, über 40 Pflicht.“
(Ausspruch eines Mediziners)
 
„Bärlauch reinigt den ganzen Leib, treibt kranke, verhockte Stoffe aus, macht gesundes Blut und vertreibt und tötet giftige Stoffe.“
(Johann Künzle, in „Chrut und Uchrut“)
 
Am 13.03.2008 war es wieder so weit: Wir entdeckten auf einer Wanderung ins Markgräflerland, die uns von Blansingen nach Bamlach führte, in einem Wäldchen den ersten Bärlauch (Allium ursinum L.) in diesem Jahr 2008. Aufgrund der milden Witterung bildete sich schon frühzeitig ein unglaublich grünes Blättermeer in einem Buchenwäldchen. Die Blätter waren noch etwas klein, aber sie verströmten beim Zerreiben zwischen den Fingern schon einen intensiven knoblauchartigen Geruch. Einen Bärlauchfreund entdeckten wir auch schon im Unterholz, der eifrig und in Gedanken versunken Blätter einsammelte. Er war so intensiv beschäftigt, dass er die Wanderschar nicht bemerkte.
 
Bärlauch wächst auch bei uns besonders gut. Ich entdeckte vor Jahren schon Bärlauchfelder in schattigen Auen und an bewaldeten Hängen am Rande des Dinkelbergs (bei Wehr-Öflingen, Maulburg bei Schopfheim, Lörrach) und im Schweizer Jura.
 
Vor Jahren erlebte der Bärlauch eine Renaissance und eroberte die Gaumen der Feinschmecker. Der Bärlauch bereichert jetzt nicht nur Gerichte in profanen Gaststätten, sondern auch in Feinschmeckerlokalitäten.
 
Jetzt ist der Boom etwas abgeflaut, aber immer noch gibt es viele Freunde des Wildknoblauchs, die die Bärlauchzeit nicht abwarten können und schon lange vorher nach den zu erwartenden kulinarischen Genüssen lechzen.
 
Da der Bärlauch sehr beliebt ist, kam es in den vergangenen Jahren in manchen Gegenden zu Plünderungen von Bärlauchbeständen durch rücksichtslose Sammler. Die Wildsammler verkauften dann den Bärlauch auf Märkten oder direkt an die Restaurantbesitzer. Die freuten sich gewaltig, dass sie dann ein billiges, frisches Naturprodukt in Händen hatten. Inzwischen wird der Bärlauch auch professionell angebaut. Ich sah auch schon Bärlauchbestände in manchem Schrebergarten.
 
Noch ist der Bärlauch nicht bedroht, aber man sollte beim Sammeln einiges beachten: Nicht zu früh sammeln, von den einzelnen Pflanzen nur eines der 2 oder 3 Blätter mitnehmen, nicht die Zwiebel mit herausreissen. Wer diese Sammelhinweise beachtet, kann sich im nächsten Jahr wieder an einem üppigen Bärlauchbestand erfreuen. In Naturschutzgebieten und in geschützten Landschaftsbestandteilen ist übrigens das Sammeln von Bärlauch nicht erlaubt.
 
In meinem Blog „Bärlauch-Genuss statt via Herbstzeitlosen ins Gras beissen“ vom 30.04.2005 erwähnte ich schon einige interessante Geschichten und Verwendungsmöglichkeiten und warnte vor einer Verwechslungsgefahr mit den giftigen Herbstzeitlosen- und Maiglöckchenblättern. Der Bärlauch ist jedoch von seinen Doppelgängern gut am Geruch zu unterscheiden. Reibt man die Blätter zwischen den Fingern, tritt der charakteristische Knoblauchgeruch zu Tage.
 
„Nur kei Angst, es putzt mi nöd“
Marc Aurel und William Shakespeare hielten den Bärlauch für „schauderhaft übelriechend“. Shakespeare glaubte, Bärlauch sei giftig.
 
Die Bauern in einigen Gegenden der Schweiz hielten den Bärlauch ebenfalls für giftig. Vielleicht entstand diese Meinung durch Verwechslungen mit der Herbstzeitlose oder dem Maiglöckchen. Dass dies falsch sei, demonstrierte Kräuterpfarrer Johann Künzle, der sehr viel vom Bärlauch hielt, indem er öffentlich einige Blätter verspeiste und gelassen versicherte: „Nur kei Angst, es putzt mi nöd.“ Künzle äusserte auch dies: „Der Bärlauch ist eine der stärksten und gewaltigsten Medizinen in des Herrgotts Apotheke.“
 
Der Bärlauch eignet sich sehr gut für eine blutreinigende Frühjahrskur. Er hilft aber auch bei Magen- und Darmstörungen und Appetitmangel. In der Volksmedizin wird er gern zur Vorbeugung von Arteriosklerose und Bluthochdruck gebraucht. Johann Künzle empfahl den Bärlauch kränkelnden Menschen und Leuten mit Flechten, Aissen, Ausschlägen und Skrofulose.
 
Im Reformhaus gibt es übrigens einen Frischpflanzenpresssaft von Schoenenberger. Dieser wird traditionell angewandt zur Unterstützung der Magen-Darm-Funktion.
 
Schutz vor Fressfeinden
Interessant sind die Inhaltsstoffe der Pflanze. Es sind einige organische Schwefelverbindungen im Bärlauch. Der Hauptinhaltsstoff ist das Alliin. Beim Verletzen der Blätter entsteht durch Einwirkung des Enzyms Alliinase das nach Knoblauch riechende Allicin, das instabil ist. Es wird rasch in weitere geruchsintensive Schwefelverbindungen (z. B. Diallyldisulfid) abgebaut. Die Pflanze schützt sich durch diese Reaktion (Bereitstellung von antibiotischen Substanzen) vor schädlichen Parasiten, Mikroorganismen und bestimmten Fressfeinden (Insekten). Nur der Mensch schreckt vor diesen geruchsintensiven Stoffen nicht zurück!
 
Die Geruchsträger des Knoblauchs oder Bärlauchs werden mit der Atemluft, dem Harn, dem Schweiss und der Milch ausgeschieden. Die Geruchsstoffe durchdringen sogar die Plazentaschranke. Beim Neugeborenen einer aus Pakistan stammenden Mutter, die kurz vor der Niederkunft Knoblauch gegessen hatte, war ein typischer Geruch in der Atemluft des Säuglings wahrnehmbar. Der Bärlauch entwickelt jedoch schwächere knoblauchartige Ausdünstungen.
 
Der Bärlauch enthält etwa 89 % Wasser, Kohlenhydrate (2,9 g/100 g), Nahrungsfasern (2,18 g/100 g), viel Kalium (336 mg/100 g) und Vitamin C (150 mg/100 g). Beim Erhitzen verliert der Bärlauch wertvolle Geschmacksstoffe und einen beträchtlichen Anteil an Vitamin C. Aus diesem Grunde ist es von Vorteil, wenn wir die Bärlauchblätter klein schneiden und unter Salate oder andere Speisen mischen.
 
Die Schopfheimer Bärlauchstrasse
Der Wirteverein Schopfheim hat sich etwas Besonderes einfallen lassen: 16 Restaurants, 4 Bäckereien und 4 Metzgereien bieten vom 20. bis 30. März 2008 an der „Schopfheimer Bärlauchstrasse“ alle möglichen Kreationen zum Thema Bärlauch an. Bärlauchfreunde können sich in dieser Zeit mit kulinarischen Angeboten regelrecht satt essen. So gibt es zum Beispiel Bärlauchsuppe, Nudeln mit Bärlauchpesto, Bärlauchwürste, Bärlauchfleischkäse, Bärlauchbrote, Bärlauch-Kräuterschaum, Barlauchdip, Bärlauch-Marinade.
 
Am 19.03.2008 fand auf dem Schopfheimer Wochenmarkt eine Life-Aktion des Wirtevereins statt. Hier wurden besondere Leckerbissen von Bärlauch kostenlos feilgeboten. So probierte ich vom Bärlauchbrot mit Bärlauchschaum, dann von einem Wiener Würstchen mit Bärlauch von der Metzgerei Stich aus Schopfheim-Fahrnau. Die Produkte schmeckten vorzüglich.
 
„Dort bekommen Sie leckere Bärlauchwürste“, gab ich einer jungen Frau an einem Marktstand zu verstehen. Die verzog jedoch ihr Gesicht und meinte, sie esse keinen Bärlauch, dafür aber Knoblauch. Auch die Frau vom Marktstand wollte nichts von Bärlauch wissen. Aber ich gab meine Bemühungen nicht auf. Ich traf eine Bekannte von einer Teilgemeinde von Schopfheim und machte sie auf die leckeren Würste aufmerksam. Aber auch sie wollte nichts von Bärlauchwürsten wissen, da sie Vegetarierin sei.
Andere wiederum waren ganz verrückt nach diesem Wildknoblauch. Sie rissen förmlich die dargebotenen Happen den Wirten, Metzgern und Bäckern aus den Händen.
 
Martin Buchleitner vom Landhotel „Mühle zu Gersbach“ gab Folgendes über den Bärlauch zu verstehen (Quelle: „Badische Zeitung“ vom 13.03.2008): „Der Bärlauch hat am 1. Tag nach der Ernte eine freche Schärfe, am 2. Tag ist er nur noch scharf und am 3. Tag nur noch grün.“ Aus diesem Grund verwenden die Köche nur frischen Bärlauch.
 
Einige Rezepte mit Bärlauch
Der Bärlauch ist vielfach in der Küche zu verwenden. Beliebt sind Bärlauchpesto, Frühlingsrolle mit Bärlauch, Eiersalat, Kräuterquark, Bärlauchsuppe, Kräuterbutter, Salate, Bärlauchspätzle, Bärlauchwurst, Bärlauchschinken, Bärlauch-Käse (Bärlauchchäs).
 
Unter www.bad-bad.de/restaur/kuechenkunde/baerlauch.htm sind etliche Rezepte aufgeführt.
 
„NZZ Folio“ (2005-05) berichtete über die Bärlauchwürste von Emil und Bruno Gröbli in der Bahnhofstrasse 2, in CH-9615 Dietfurt SG. Andreas Heller schrieb damals dies: „Bruno Gröbli führt den der Metzgerei angegliederten Schlachtbetrieb, er dirigiert die mehrköpfige Fleischerbrigade, wobei er auch selbst gern Hand anlegt. Eben hat er die ersten Bärlauchwürste abgefüllt. Zierliche St. Galler Bratwürste, wohldosiert gewürzt mit dem ersten Kraut des Frühlings des Toggenburgs. Perfekt auch sie – halt ganz nach Gröbli-Art.“ (Infos unter www.culinarium.com).
 
Aber nun zu einigen interessanten Rezepten, die ich teilweise schon in meinem Heilpflanzenbuch „Arnika und Frauenwohl“ 2002 publizierte.
 
1. Bärlauchbutter
Zutaten: 500 g weiche Butter, 30 gewaschene Blätter von Bärlauch (zarte junge Blätter, die Pflanze darf nicht blühen), etwas Zitronensaft, Salz und Pfeffer.
 
Zubereitung: Das Ganze mit einem Küchenmixer behandeln (dadurch wird die Butter luftiger!) oder man nimmt einen Küchenwolf zu Hilfe. Bei Verwendung eines Küchenwolfs vermischt sich der Saft schlecht mit der Butter. Die Butter eignet sich zum Einfrieren und steht das ganze Jahr zur Verfügung.
 
Verwendung: Die Bärlauchbutter eignet sich als Brotaufstrich, als Würzmittel für Fleisch und Saucen oder zum Kochen einer Suppe.
 
2. Bärlauchgnocchi
Zutaten: 750 g mehlig gekochte Kartoffeln (Aria oder Mathilde), 125 g Hartweizengriess, 6 Bärlauchblätter, 50 g geriebenen Parmesan, 2 Eier, Salz, Pfeffer, Muskat, 3 EL Mondaminstärke.
 
Zubereitung: Kartoffeln kochen, pellen, zerdrücken, mit den restlichen Zutaten mischen, Teig kneten und zirka 2 cm dicke Rollen formen, in Griess rollen, etwa 4 cm lange Stücke abschneiden und in leicht kochendem Wasser garen.
 
3. Bärlauchschnittli
Zutaten: 4 Scheiben Graubrot, frischer Ziegenquark, 4 Radieschen, frische, kleine Bärlauchblätter, 12 Gänseblümchen, 12 Schlüsselblumen.
 
Zubereitung: Graubrotscheiben mit Ziegenquark bestreichen und mit den Bärlauchblättern dicht belegen. Mit den anderen Zutaten garnieren.
 
4. Bärlauchessig
Zutaten: 6 bis 10 Bärlauchblätter, 1 l Melfort Honigessig.
 
Zubereitung: Trockene Bärlauchblätter in eine Flasche füllen, mit Essig begiessen, verschlossen an einem kühlen Ort 14 Tage ziehen lassen. Durch ein Mulltuch giessen und in sterile Flaschen füllen.
 
5. Bärlauchöl
Zutaten: Sonnenblumen- oder Distelöl, Bärlauchblätter.
 
Zubereitung: Je nach Gusto frische Bärlauchblätter zum Öl geben und 2 bis 3 Wochen verschlossen ziehen lassen.
 
6. Bärlauchspätzle
Zutaten: Für 1 kg Mehl werden 100 g Bärlauchblätter benötigt.
 
Zubereitung: Bereiten Sie einen Spätzleteig aus Weizenmehl, fein gehackten Bärlauchblättern, Eiern, Wasser und etwas Salz und stellen Spätzle her.
 
Die Rezepte 1 und 2 stammen von Jochen Stückler (Hotel Arnica in Todtnauberg, www.hotel-arnica.de), die Rezepte 3 bis 5 von Bernd Roser (Berggasthof Hotel Sonnhalde in Bürchau, www.sonnhalde-buerchau.de), und das Rezept Nr. 6 lieferte mir Friedrich Schmidtke aus Schiltach; Schmidtke war ehemaliger Gärtnermeister bei Kytta-Siegfried in Alpirsbach-Schiltach D.
 
7. Bärlauchplätzchen
Zutaten: 1 Zwiebel, 2 EL Olivenöl, 500 g Maisgriess grob, 900 g Brühe, 50 g Emmentaler, 50 g geriebener Hartkäse, 400 g Sahne, 5 Eier, 30 Stück rosa Beeren (roter Pfeffer), 50 g Butter, Salz, Muskatnuss, 50 g Bärlauch (ca. 50 Blätter).
 
Zubereitung: Die Zwiebel in kleine Würfel schneiden und im Olivenöl leicht braun anbraten. Die Brühe mit der Butter, der Sahne und den roten Beeren aufkochen, mit Salz und Muskatnuss würzen, dann die gebratenen Zwiebeln hinzufügen. Den Maisgriess einrühren und etwa 2 Minuten kochen lassen. Bärlauch und Emmentaler klein schneiden, mit dem geriebenen Hartkäse unterrühren und die Masse in eine Schüssel geben. Zirka 10 Minuten abkühlen lassen und nun die 5 Eier unterrühren. Die Masse völlig erkalten lassen, eventuell über Nacht. Nun die Masse in runde Plätzchen formen und in Butter oder Öl anbraten.
 
Passt hervorragend zu rotem Fleisch, wie Lamm, Rind und Wild. Es kann aber auch als vegetarisches Gericht mit Ratatouille auf den Tisch kommen.
 
Dieses Gericht stammt von Jochen Stückler.
 
Da kann man allen Bärlauch-Begeisterten nur guten Appetit wünschen!
 
Hinweis auf weitere Bärlauch-Blogs
20.04.2005: Bärlauch-Genuss statt via Herbstzeitlose ins Gras beissen
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst