Textatelier
BLOG vom: 26.04.2008

Wirtegeschichten (I): „Da gibt es keine Speisen à la carte!"

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
In einigen Folgen berichte ich über die Erlebnisse von Wirten und Köchen aus meiner näheren Umgebung. Es sind Anekdoten aus dem letzten Jahrhundert und auch neuere Episoden, die manchmal schier unglaublich klingen. In der 1. und 2. Folge erfahren Sie amüsante Geschichten über Alfred Schmidt (Jahrgang 1935), der von 1964 bis 1996 als Wirt in der „Sonne“ zu Schopfheim D sehr erfolgreich wirkte.
 
Der rührige, beliebte und humorvolle Alfred Schmidt ist auch heute noch in einigen Vereinen Mitglied. 20 Jahre war er im Kreisvorstand des Gaststättenverbandes im Landkreis Lörrach tätig. Er engagiert sich schon seit Jahren im Schwimmbadverein Schweigmatt, ist Mitglied bei den „Vierteleschlotzer“ in Wehr und singt im Gesangsverein Schopfheim-Raitbach. Er hat also noch heute ein sehr aktives Leben.
 
Auch in seinem wohlverdienten Ruhestand ist er noch im Vorstand des Gaststättenverbandes und bringt seine Erfahrung und sein Wissen in diesen Verein ein. Aus seinem ereignisreichen Leben stammen die folgenden Anekdoten, die er mir anlässlich mehrerer Besuche in seinem trauten Heim in Hausen erzählte.
 
Noch eine Vorbemerkung: Da ich immer gerne meine Blogs nach Möglichkeit mit einem Zitat über das Thema beginne, wollte ich von Alfred Schmidt bei meinem Besuch am 23.04.2008 in seinem Heim wissen, ob er einen guten Spruch über Wirte kenne. Da lachte er lauthals los und sagte: „Ich kenne keinen guten Spruch über Wirte!“ Da musste ich ihm beipflichten. Auch ich konnte bei meinen Recherchen in der Literatur und anderswo kein passendes Zitat auftreiben. Er lobte jedoch die Schopfheimer Gastronomie: „Ich kenne keinen Ort, wo es eine solche Fülle von guten jungen Köchen und Wirtschaften gibt wie in Schopfheim.“
 
Schlafend vor dem Fernseher
Auch über die legendäre „Kallfass-Luis“ (1911‒1987), Wirtin vom Gasthaus „Zur Krone“ in Tegernau, wusste Alfred Schmidt einige Anekdoten zu erzählen. Er war dort immer wieder in dieser einfachen Wirtschaft zu Gast, da er die Gemütlichkeit und die originelle Wirtin schätzte.
 
Am Rosenmontag sah sie sich immer den Rosenmontagszug im Fernsehen an. Der Fernseher befand sich in einer Nische zwischen Gaststube und Nebenzimmer. Obwohl Gäste in der guten Stube waren, verzichtete sie keineswegs auf dieses Vergnügen. Alfred Schmidt bemerkte, dass sie vor dem Fernseher regungslos dasass. Er ging zu ihr und erschrak, denn sie hatte die Augen geschlossen. „Ich glaubte, sie sei tot“, so Schmidt. Aber es kam wieder Leben in ihren Körper, sie rappelte sich auf und bediente oder kassierte als wäre nichts geschehen.
 
Das Nebenzimmer war übrigens für Gäste tabu. Nach ihrem Tod, das war 1987, wurden in dem Zimmer viele Geschenke, die noch eingepackt waren, aufgefunden. An einem Päckchen wurden sogar Nagespuren von einer Maus entdeckt.
 
Wo ist das Schlemmermenü?
Alfred Schmidt ist auch ein guter Organisator. Besonders zufrieden waren Teilnehmer seines Uno-Kartenspielclubs, die eine Fahrt unter seiner Leitung ins Markgräflerland unternahmen. Auf der Heimfahrt fragte er die Mitglieder: „Kennt ihr die ,Krone’ in Tegernau?“ Alle verneinten. Er liess den Fahrer des Busses an einer Telefonzelle anhalten, um die Gruppe anzumelden. „Alles klar. Habe für alle ein Schlemmermenü bestellt“, äusserte Alfred Schmidt. Dieses Menü sollte der schöne Abschluss einer gelungenen Fahrt werden.
 
Erwartungsfroh fuhren die Teilnehmer nach Tegernau, stiegen aus und begaben sich ins vermeintliche Gourmet-Restaurant. Die Besucher gingen über einen holprigen, dunklen Flur in eine verrauchte, schummrige Gaststube. Einige Mitglieder des Kartenspielclubs schauten etwas ungläubig drein. Eine Schweizerin, die oft in vornehmen Lokalen verkehrte, meinte, dies sei wohl nicht das richtige Gasthaus. Bald darauf merkten auch die anderen Mitglieder, dass sie von Schmidt verkohlt wurden und sie niemals ein Schlemmermenü bekommen würden. Auch die Wirtin Kallfass und eine Verwandte, die ab und zu aushalf, wussten nichts von einem Menü. Alfred Schmidt hatte zwar die Teilnehmerzahl angekündigt, aber nichts bestellt. Er wusste, dass es in der „Krone“ nur Bierstengel, Bretzel und Waffeln gab. Die Teilnehmer konsumierten reichlich Bier und Wein und knabberten die aussergewöhnlichen „Speisen“. Die meisten sagten anschliessend, sie seien noch nie in so einer originellen Wirtschaft gewesen, und es war niemand dabei, der dem Vorsitzenden böse war.
 
Heute befindet sich in der „Krone“ ein Wirtschaftsmuseum. Dieses Museum wird noch in diesem Jahr offiziell eröffnet. Vorher wurden viele Krone-Veranstaltungen ehrenamtlich zugunsten der Restaurierung ausgerichtet. Die Veranstaltungen haben schon Kultstatus. Die alte Krone ist ein Schmuckstück in Tegernau geworden.
 
Erlebnisse mit chinesischen Lehrlingen
In den 1990er-Jahren startete der Gaststättenverband von Baden-Württemberg eine Aktion, bei der es möglich war, jedes Jahr 30 chinesische Kochlehrlinge in Gaststätten unterzubringen. Alfred Schmidt war Feuer und Flamme und stellte 2 Lehrlinge aus Peking ein. Diese hatten schon vorher eine 2-jährige Ausbildung an der Hotelfachschule in Peking absolviert. 2 Jahre führte der Küchenchef die Burschen in die Geheimnisse der deutschen Küche ein. Sie waren begeisterungsfähig und sehr fleissig. Sie hatten es auch gut: Sie bekamen ein bequemes Zimmer und wurden quasi als Familienmitglied aufgenommen. Dies war nicht selbstverständlich, denn es gab etliche Lehrlinge, die in den miesesten Räumen untergebracht waren.
 
Nach 2 Jahren legten die Chinesen mit Bravour die Gehilfen- und Gesellenprüfung ab. Interessant war Folgendes: Die Chinesen vertrugen anfangs keine Kost mit Sahne. Nach einer Anpassungszeit, dies war nach einem halben Jahr der Fall, verspeisten sie mit Begeisterung Schweinebraten mit Rahmsosse.
 
Nach den Prüfungen ging es wieder zurück in Richtung Heimat. Bald darauf reisten Alfred und Christa Schmidt nach Peking, um einmal die Heimat der ehemaligen Lehrlinge kennen zu lernen. Sie waren überrascht, wie ihre „Jungs“ und deren Eltern in Peking lebten. Der eine hatte bereits eine eigene Wohnung, der andere wohnte noch bei seinen Eltern in einem Hochhaus im 5. Stock. Die gesamte Wohnfläche schätzte Schmidt auf etwa 20 Quadratmeter. Die Eltern waren sehr liebenswürdig und die aufgetischten Speisen köstlich. Das Ehepaar Schmidt verspeiste „Maultaschen“, aber auf chinesische Art. Die Teigtaschen waren mit Weisskohl und Schweinefleisch gefüllt.
 
Der deutsche Küchenchef wunderte sich, dass an allen Fenstern des Hauses nicht begehbare Balkone hingen. Erst später erfuhr er, warum das so ist: Die Bewohner haben hier Kochplatten platziert, um darauf ihre Speisen zuzubereiten. Die luftige Zubereitung spart die Dunstabzugshaube. Keiner der Nachbarn hat sich bisher beschwert, denn jeder bereitet seine Speisen an diesem ungewohnten Ort zu.
 
Die liebenswürdigen Chinesen schreiben heute noch rührende Briefe und möchten gerne wiederkommen. Als Köche hätten sie in deutschen Küchen keine Chance. Wie Schmidt betonte, würden diese nur in China-Restaurants angestellt. Dies ist ein Unding, denn hier hätten sie ja die Finessen der deutschen Küche kennen gelernt und könnten in jeder einheimischen Gaststätte bodenständige Mahlzeiten zubereiten.
 
Da staunte der Justizminister
Alfred Schmidt ist ein freundlicher und humorvoller Wirt. Man könnte sagen, er spreche oft mit spitzer Zunge oder „er trägt das Herz auf der Zunge“. Er ist also ein Mensch, der alle Gefühle, die ihn bewegen, offen ausspricht. Wenn Schmidt zur Hochform auflief und eine nicht erwartete spitze Bemerkung zum Besten gab, war keiner beleidigt. Im Gegenteil, man konnte nur noch schmunzeln.
 
Als der damalige Schopfheimer Bürgermeister Klaus Fleck mit Justizminister Dr. Heinz Eyrich* im Nebenzimmer Platz nahmen, wurden die beiden mit folgenden Worten begrüsst: „Früher sind die Ganoven immer in Begleitung mit ihrem Anwalt gekommen. Unser Herr Bürgermeister kommt sogar mit dem Justizminister.“
 
Eines Tages kam der Justizminister allein in die „Sonne“, um einen Wurstsalat zu essen. Schmidt fragte die Kellnerin: „Weisst Du, wer dort am Tisch sitzt?“ Die Kellnerin hatte keine Ahnung. Dann meinte Schmidt, es sei der Justizminister. Wenn sie ihm nicht glaube, solle sie doch hinausgehen und dort werde sie einen Mercedes mit Chauffeur sehen. Dies tat sie auch, kam dann zurück und meinte, dort stehe tatsächlich ein Mercedes mit Chauffeur. Dr. Heinz Eyrich meinte dann zum Wirt: „Ich hatte Lust, wieder einmal einen guten Wurstsalat zu essen. Bei allen Veranstaltungen bekommt man immer diese Häppchen.“
 
Später, nach den Anschlägen der RAF an Prominenten, die die Bundesrepublik in Aufruhr versetzten, verreiste der Justizminister nur in bewaffneter Begleitung. Bei Besuchen nahm immer ein Sicherheitsbeamter mit einem Maschinengewehr vor der Wirtschaft Aufstellung, während sich ein anderer Bewacher hinter der Küchentür mit der Knarre im Anschlag versteckte.
 
Im Roggenbachzimmer im ersten Stock speiste der Justizminister mit dem Bürgermeister und Stadträten. Unten im Gastraum nahmen die Begleitpersonen hastig ein Mahl ein. Als zum Aufbruch geblasen wurde, meinte Schmidt zum Justizminister: „Ich muss ihnen eine Rüge erteilen, die Leute unten haben kaum Zeit, einige Bissen zu essen.“ Der Aufbruch wurde dann einige Zeit verschoben.
 
Als nach der beschlossenen Gesundheitsreform unter Minister Horst Seehofer ungewöhnlich viele Ärzte zum monatlichen Plausch in die „Sonne“ kamen, meinte Schmidt: „Heut’ seid ihr aber viele. Gell euch hat der Seehofer zusammengetrieben.“
*
* Justizminister von Baden-Württemberg von 1978‒1986. Danach wurde er Präsident des Deutschen Sängerbundes.
 
Der Bundesstaatsanwalt kommt
„Morgen kommt der Bundesstaatsanwalt Kurt Rebmann. Wir bitten um absolutes Stillschweigen“, so wurde Schmidt von einem „Vorkommando“ unterrichtet. Nach den Anschlägen an Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik war diese Vorsichtsmassnahme gerechtfertigt. Die Herren verlangten eine Speisekarte und bemerkten, die Gäste würden nur à la carte essen. Da der hohe Gast mit Anhängerschar in der Roggenbachstube im ersten Stock speisen sollte, sagte Schmidt: „Dort gibt es keine Speisen á la carte. Es wird nur ein Gericht serviert. Ich kann ja nicht mit allen möglichen Speisen rauf und runter laufen.“ Es folgte ein Protest. Aber nichts liess ihn umstimmen. Schmidt meinte, sie könnten ja dem Herrn Rebmann eine Speisekarte vorlegen, damit er auswähle. Damit waren die Herren nicht einverstanden, aktivierten ihre Gehirnwindungen und suchten ein passendes Gericht aus. Ich bin überzeugt, jeder andere Wirt hätte gekatzbuckelt und unterwürfig alle möglichen Menüs aufgetischt.
 
Vor Ankunft des hohen Gastes wurden alle Räume von 4 oder 5 Polizisten auf Sprengstoff und Waffen durchsucht.
 
Bevor Rebmann eintraf, hatten Notar Roland Meder und seine Frau im Erdgeschoss in den Räumlichkeiten Platz genommen. Auf die Frage, warum denn heute so ein Rummel sei, antwortete Schmidt: „Wir dürfen nicht verraten, wer kommt. Aber da Du ja ein Notar bist, werde ich es Dir sagen: Im Roggenbachzimmer speist heute Kurt Rebmann.“ Kaum hatte Schmidt dies ausgesprochen, sprang Frau Meder wie von der Tarantel gestochen auf und rannte in den 1. Stock. Aber der hohe Gast war noch nicht da. Enttäuscht kam sie wieder runter und setzte sich auf ihren Stuhl. „Was habe ich da nur angerichtet“, dachte sich Schmidt. Aber alles klärte sich auf. Roland Meder war nämlich früher in Heidelberg Staatsanwalt gewesen, und Rebmann fungierte dort als Richter. Sie kannten sich sehr gut. Jahrelang hatten sie nichts voneinander gehört. Deshalb wollten die beiden eine alte Bekanntschaft wieder auffrischen. Aber das war an diesem Abend nicht möglich. Als Rebman eintrudelte, waren die Meders schon zu Hause. Rebmann rief dann später die Meders in ihrer Wohnung an. Schmidt hatte von diesem Vorfall berichtet und der Bundesstaatsanwalt ohne Zögern einem Telefongespräch zugestimmt.
 
Der unausstehliche Wirtskollege
An diesem Tag waren viele Gäste in der „Sonne“. An einem Tisch sassen ein „unbarmherziger“ Wirtskollege und ein Ehepaar. Das Ehepaar bestellte ein Schlemmermenü für 2 Personen, der Kollege aber nur ein Bier. Während die beiden das Mahl genossen, suchte der Kollege verzweifelt das berühmte Haar in der Suppe. Er meckerte dauernd an den Speisen herum. Das sei nicht in Ordnung, jenes nicht. Die Kellnerin bekam vom Gequatsche des Nörglers so einiges mit und machte Meldung beim Chef in der Küche. Dieser kam innerlich aufgewühlt heraus, reagierte aber für alle sehr ungewöhnlich. Unterwürfig meinte er: „Ich habe gehört, das Essen sei nicht in Ordnung gewesen.“ Alle schauten ungläubig, jeder andere Koch wäre explodiert oder hätte zumindest eine scharfe Bemerkung gemacht. Aber Schmidt liess sich nicht aus der Ruhe bringen und meinte mit erhobener, aber immer noch unterwürfiger Stimme: „Ich würde gerne besser kochen, aber ich kann es doch nicht!“ Die Köpfe des Dreigespanns liefen rot an und die übrigen Gäste, die alles mitbekamen, konnten sich eines Schmunzelns kaum erwehren. Als das Dreigespann den Raum verliess, lachten alle lauthals los.
 
Das ist unhygienisch!
Auch mit einem Herrn vom Wirtschaftskontrolldienst hatte Alfred Schmidt so seine Erlebnisse. Dem Kontrolleur war besonders ein hölzerner Arbeitstisch mit Schubladen in der Küche ein Dorn im Auge. In der ersten Schublade war Panierbrot und eine Schüssel mit Mehl. Dies war sehr praktisch, konnte er doch das vorbereitete Schnitzel von der Arbeitsplatte direkt in die geöffnete Schublade werfen und mit Mehl und Panierbrot versehen. Der Kontrolleur meinte: „Das darf doch nicht sein, das ist unhygienisch!“ Bald darauf ersetzte unser Wirt das hölzerne Ding durch einen Kühltisch aus Edelstahl. Dieser enthielt gekühlte Schubladen. In den Schubladen bewahrte Schmidt einreduzierte Sossen auf.
 
Bald darauf war wiederum der gewisse Herr vom Wirtschaftkontrolldienst angesagt. Als er in die Küche trabte, ging er sofort auf den vermeintlichen Holztisch zu, riss die oberste Schublade auf und erblickte nur noch Behälter mit Sossen. Vorwurfsvoll sagte er: „Und jetzt sind auch noch Sossen drin!“ Schmidt klärte den Übereifrigen auf. Von nun an blieben Beanstandungen aus.
 
Ein anderes Mal legte der Kontrolleur seinen nassen Regenschirm auf einen Wirtshaustisch. Frau Schmidt sah dies und stellte den Schirm in den Ständer. Als der Kontrolleur gehen wollte, fand er den Schirm nicht. „Wir haben uns nur erlaubt, diesen in einen Schirmständer zu stellen. Es ist nicht hygienisch, wenn man einen Schirm auf den Tisch legt“, war die treffende Antwort von Alfred Schmidt.
 
Charlotte Rousse mit Überraschung
Elisabeth Grässlin war viele Jahre in der Kfz-Zulassungsstelle in Schopfheim tätig. Bevor in der „Sonne“ ihr 80. Geburtstag gefeiert wurde, traf sich die Betagte mit dem Wirt, um ein Menü zusammenzustellen. Bei der Wahl der Desserts kam ihr Schmidt mit einem Vorschlag zu Hilfe. „Wie wäre es mit Charlotte Rousse*?“ Als sie das vernahm, begann sie zu lachen. Dann erzählte sie etwas schier Unglaubliches: „Als ich 17 Jahre alt war, wurde ich zu einer Hochzeit eingeladen. Dort gab es auch Charlotte Rousse. Der Koch war ihr Vater, Herr Schmidt.“ Der Vater von Schmidt leitete zu jener Zeit die Wirtschaft „Krone“ in Raitbach.
*
* eine bayerische Creme
 
Ball der Köche in Wehr
Eine besondere Überraschung hatte Alfred Schmidt auf dem Ball der Köche in Wehr parat. Er liess von einem chinesischen Kochlehrling Fächer an die Frauen verteilen. Schmidt bemerkte humorvoll: „Wir haben keine Kosten gescheut, haben sogar einen Chinesen einfliegen lassen.“
 
„Zerstreuter Professor“
Der Schopfheimer Geschäftsmann Glatt sen., der ein liebenswürdiger Mensch war, hatte den Ruf eines „zerstreuten Professors“. Alfred Schmidt erzählte mir 2 Episoden aus dem Leben dieses Unternehmers.
 
Eines Tages tauchte der Geschäftsmann bei Schmidt in der „Sonne“ auf und bestellte für seine Belegschaft Koteletts mit Bratkartoffeln. Der Termin für das Abendessen wurde festgelegt. Schmidt besorgte die Koteletts und richtete alles her. Der Arbeitgeber kam pünktlich, aber von seinen Arbeitern war weit und breit nichts zu sehen. Nach einer Stunde meinte der Gast: „Ich bin mir nicht sicher, aber es könnte sein, dass meine Leute in der ,Krone’ sitzen.“ Ein Anruf brachte Klarheit. Irrtümlich hatte er seine Leute tatsächlich in die Krone bestellt. Dort warteten sie auf ihren Chef. Da jeder einen knurrenden Magen hatte, bestellen sie á la carte. Der „zerstreute Professor“ entschuldigte sich bei Schmidt, bezahlte die gegarten Koteletts und liess sie einpacken. Er meinte noch, die würde er dann in den nächsten Tagen zu Hause verspeisen. Dann ging er zu seinen Leuten und feierte ausgiebig.
 
Ein anderes Mal brachte er die Basler Polizei in Aufruhr. Er parkte seinen Wagen in Grossbasel und besuchte ein Museum. Dann wollte er wieder nach Hause fahren, aber er fand sein Auto nicht mehr. Er ging zur Polizei und bat um Hilfe. Die Polizei fuhr dann in ganz Grossbasel herum, um das Auto zu finden. Sie suchten und suchten, das Auto blieb jedoch verschwunden. „Ihr Auto muss geklaut worden sein“, meinte ein Polizist.
 
Da er nichts mehr aus Basel hörte, bestellte er nach einer Woche ein neues Auto. Vier Wochen nach dem ominösen Verschwinden des Vehikels erhielt er von einem Polizeibeamten die Mitteilung, dass sein Wagen in Kleinbasel im Parkverbot stehe. Der Wagenbesitzer hatte Kleinbasel mit Grossbasel verwechselt. Kleinbasel liegt nämlich auf der anderen (rechten) Seite des Rheins.
 
Warum dauert es so lange?
„Es schmeckt mir hier so gut, aber es dauert so lange, bis das Essen kommt. Ich kenne Wirtschaften, da geht alles schneller“, so beschwerte sich einmal ein Stammgast beim Sonnenwirt.
 
Darauf meinte Schmidt: „In Wirtschaften, wo es schnell geht, wird schon Stunden vorher alles vorbereitet. Du brauchst dich dann nicht zu wundern, wenn verkochtes Essen auf den Tisch kommt. Ich bereite alles frisch zu. Und das dauert eben länger.“
 
Dann machte der „Sonnenwirt“ den Vorschlag, er solle doch einmal an einem Sonntag kommen und in der Wirtschaft aushelfen. Der Stammgast war einverstanden. Als er hörte, er brauche nur die Bons mit den Essenswünschen in die Küche zu bringen, anschliessend die Essen auf die Theke zu stellen und beim Servieren auszuhelfen, war er der Ansicht, das sei ja ein leichter Job.
 
Als er am vereinbarten Sonntag bei voller Gaststube seinen Job antrat, merkte er bald, dass dies nicht so leicht war, wie er gedacht hatte. Er kam gehörig ins Schwitzen und wegen der Fülle an Bestellungen ins Rotieren, während der Sonnenwirt ohne jeden Schweisstropfen am Herd stand und süffisant lächelte. Als nach einiger Zeit die Bedienung zum Aushilfskellner die Bemerkung machte, dass einige Gäste schon lange auf ihr Essen warten würden, platzte ihm der Kragen und rief er ihr ziemlich laut zu: „ Können die nicht warten, wir machen schon wie verrückt!“
 
Der Stammgast war geheilt. Er hat sich nie mehr beschwert.
 
Fortsetzung folgt.
 
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