Textatelier
BLOG vom: 10.03.2009

Londoner Familientragödie: Jake, der verstossene Sohn

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Das Buch von Julie Myerson „The lost child“ wird diese Woche veröffentlicht. Der Hintergrund dieser traurigen Familiengeschichte spielte sich in London ab, von der Presse bereits seitenlang ausgeschlachtet, und sie hat viel Aufsehen/Empörung ausgelöst. Wie konnte die Mutter ihren 17-jährigen Sohn Jake aus seinem Elternhaus verstossen?
 
Immer wieder versuchten seine Eltern umsonst, Jake von seiner Cannabis-Sucht zu befreien und suchten Rat und Unterstützung von Drogen-Spezialisten. Jake wurde gewalttätig, schlug seine Mutter zu Boden, warf Blumentöpfe durchs Fenster, als ihm der Zugang ins Haus verwehrt wurde. Seine Eltern hatten das Türschloss ausgewechselt. Bevor er verstossen wurde, kehrte er zu allen Nachtzeiten nach Hause, schlief tagsüber und blieb der Schule fern. Was sonst Jake noch „verbrochen“ hatte, darüber hatte seine Mutter ausführlich geschrieben. Was bewog sie, die Küchenmesser zu verstecken und sich im Haus zu verriegeln?
 
Die Eltern befürchteten Jakes schlechten Einfluss auf ihre 2 jüngeren Kinder. Der Hausfrieden war gebrochen: Das Zusammenleben als Familie war verunmöglicht. Solche Familientragödien geschehen heute mehr denn je. Es mangelt am besänftigenden Einfluss von Grosseltern und anderen Familienmitgliedern. Die Familie ist isoliert auf sich selbst angewiesen.
 
Viele Geschichte entspringen einer Vorgeschichte. Julie Myerson selbst wurde von ihrem Vater verstossen. Ihr Vater beging Selbstmord, als Julie Myerson 31 Jahre alt war. Sie schrieb über Jake, kaum war er 2 Jahre alt. Sie bezeichnet sich als Novellistin, und ihr Buch wird folglich der Fiktion zugeordnet, ist aber als „Tatsachenbericht“ aus der Sicht seiner Mutter verfasst, wie sie selbst zugab. Ihr Mann, ebenfalls ein Schriftsteller, scheint in dieser Familientragik eine Nebenfigur zu spielen.
 
Heute in den Frühnachrichten erschien Julie Myerson auf dem Bildschirm. Sie war nervös und sprach rasch, hastig und ununterbrochen, als sie versuchte, die Vertreibung ihres Sohns aus dem Haus zu rechtfertigen. Jake, ebenfalls von der Presse verfolgt, beschrieb seine Mutter als „insane“ (verrückt), naiv und emotionell überspannt. Er war mit der Publikation „The lost child“ nicht einverstanden. Seine Mutter hingegen behauptete, er habe bloss 5 kleine Korrekturen vorgeschlagen … Inzwischen ist Jake 20 Jahre alt geworden, und ich traue ihm zu, dass er widerstandsfähig genug ist, um dieses Trauma in seinem Leben zu bewältigen. Er bezeichnet sich heute als Musiker, und das ist ein hoffnungsvolles Anzeichen.
*
In jeder Familie gibt es hin und wieder Streit, wenn junge Menschen heranwachsen und eigenwillig werden, ohne dass es zum Extremfall kommt, wie im erwähnten Buch geschildert. Ich schlage mich auf die Seite von Jake. Mir ist in Erinnerung geblieben, wie ein Sohn in unserer Nachbarschaft in Basel von seinen Eltern aus dem Haus gejagt wurde. Er wurde in eine Erziehungsanstalt eingewiesen. Ich weiss nicht, was aus ihm geworden ist. An Jakes Stelle, glaube ich, wäre ich einer solchen Familie entflohen. Ich hätte ein solches auf mich bezogenes Buch als einen krassen Einbruch in meine Privatsphäre empfunden.
 
Ein publiziertes Foto zeigt den 13-jährigen Jake mit seiner Mutter: ein aufgeweckter, keck und neckisch dreinblickender Knabe. Er war mir sofort sympathisch. Er erinnert mich an mich selbst, wie ich mir in seinem Alter gern Streiche einfallen liess. Wie aus den Aufnahmen unserer 2 Söhne im Fotoalbum ersichtlich, schnitten sie gerne Grimassen. Wenn wir es durchblättern, müssen wir oft lachen. Auch sie waren altersgemäss Langschläfer. Auch ich hatte in ihrem Alter ein ausgeprägtes Schlafmanko.
 
Mit der Veröffentlichung ihres Buchs hatte Julie Myerson Verrat an ihrem Sohn begangen. Sie hat kein Recht, ihren Sohn in aller Öffentlichkeit blosszustellen. Die Preisgabe ihres Sohns verrät ihre missgeleitete „Mutterliebe“ und zugleich ihre Schwäche als Novellistin. Sie entbehrt der Vorstellungskraft, die seltene und doch wichtige Gabe, eine Novelle zu gestalten. Werde ich ihr Buch lesen? Nein! Es gibt mehr als genug Lektüre zum Thema Drogen und ihre Folgen, die Familien in ähnlicher Situation weitaus besser helfen.
 
Zum Thema Drogen hat sich Jake wie folgt geäussert: „There is a very big difference between smoking a spiff and being a drug addict“ (Es ist ein grosser Unterschied zwischen dem Rauchen eines „spiff“ und Drogenabhängigkeit).
 
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