Textatelier
BLOG vom: 07.09.2011

Steuerstreit Schweiz-USA: Absolutes Recht des Stärkeren

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Wahrscheinlich ist der modernen Gesellschaft jeder Sinn für Gerechtigkeit abhanden gekommen. Das Prinzip eines staatlichen und gesellschaftlichen Verhaltens, das jedem gleichermassen sein Recht gewährt und bei dem es keine Personen oder Institutionen mit Freipässen und unlimitierten Kompetenzen, etwa zur beliebigen Bestrafung anderer, gibt, müsste ebenso selbstverständlich sein wie das Gebot „Du sollst nicht stehlen“. Doch das muss bereits der Kategorie der frommen Wünsche zugeordnet werden. Das Lügen und Stehlen sind erlaubt.
 
Die USA unterhalten im Landesinneren viele Steuerschlupflöcher, allen voran in Delaware, wo die Konzessionssteuer besonders niedrig und das Gesellschaftsrecht unkompliziert ist, sind Gesellschaftsgründungen durch Ausländer beliebt. Andere besonders attraktive Steuerparadiese sind Florida, Montana, Nevada, Texas, Utah und Wyoming; diese Bundesstaaten werden von Insidern als Steueroasen geschätzt. Hier besteht laut Hans-Lothar Merten im Buch „Steueroasen. Ausgabe 2009“ (Walhalla Fachverlag, D-93042 Regensburg) „Steuerfreiheit, solange unter anderem keine Geschäfte in den USA abgewickelt, keine Handelslizenzen und keine Bundessteuernummer beantragt und die Gewinne der Gesellschaft nicht in den USA ausgeschüttet werden. In jedem Fall braucht es vor Ort fachkundige Beratung. Wenn es nur um eine Adresse in den USA geht, genügt ein ,Mail Drop’ in New York. Der Briefkasten ist in jedem Fall günstig und völlig risikolos.“
 
Das heisst mit anderen Worten, dass die USA steuerflüchtigen Ausländern gern Zuflucht bieten, aber Steuerparadiese ausser Landes mit brutalen, existenzbedrohenden Strafen belegen. Das wusste schon der frühere Schweizer Finanzminister, alt Bundesrat Hans-Rudolf Merz. Am 21. März 2009 sagte er, als es um den Steuerstreit mit Deutschland ging: Wir werden uns für gleich lange Spiesse einsetzen“, wobei er darauf hinwies, dass im US-Teilstaat Delaware internationale Standards bei der Kundenidentifizierung nicht eingehalten würden. „Wir können verlangen, dass auch die USA diese Standards einhalten. Andernfalls müssen wir uns Wege überlegen, mit denen wir auf eine legale Art und Weise anlagewilliges Kapital anziehen können“, sagte Merz. Das war einmal. Die Schweizer Front ist unter einer schwächlichen, nachgiebigen Führungsriege aufgeweicht, aufgeweichter denn je.
 
Jetzt ist die Auseinandersetzung zwischen den total verarmten und entsprechend geldgierigen USA, deren Macht sich allein noch auf Arroganz abstützt, und der Schweiz wegen unversteuerter Vermögen neu belebt worden. Die amerikanischen Behörden verfügen angeblich vor allem aus der Teilamnestie über Tausende Seiten belastendes Material, das zeigt, wie US-Bürger mit Hilfe von Schweizer Banken Steuern hinterzogen haben. Nach Medienberichten reichen die Dokumente aus, um hiesige Banken (auch kleinere Kantonal- und Privatbanken) und Vermögensverwalter über Jahre hinaus mit Klagen einzudecken. Die USA haben denn auch bereits mehrere Schweizer Banker angeklagt, allen voran diesmal die CS, daneben aber auch die Banken Julius Bär, Wegelin sowie die Zürcher und Basler Kantonalbank. Insgesamt sollen neuerdings 13 Banken betroffen sein. Da die kleineren Banken keine US-Niederlassungen haben, kann ihnen theoretisch nicht viel passieren. Doch dürften sie, falls sie nicht freiwillig bluten, auf eine Schwarze Liste kommen, und die allmächtigen USA werden dann wahrscheinlich allen hörigen Banken verbieten, mit diesen Geschäfte zu betreiben und sie auf diese Art kaputt zu machen versuchen. So funktioniert das.
 
Die Wirtschaftssendung „Eco“ des Fernsehens DRS hat sich am späten Abend des 05.09.2011 mit solchen Aspekten befasst und gezeigt, wie der Bundesrat die letzten Reste des Bankgeheimnisses retten und sich dem Sog der USA entziehen will, so weit das geht. Moderator Reto Lipp interviewte Alfred Mettler, Finanzprofessor an der Georgia State University in Atlanta, USA, der sich entsprechend vorsichtig US-freundlich verhielt. Lipp stellte ihm diese Frage, sich hinter der Allgemeinheit versteckend: „Da sagen viele Schweizer, es gibt auch Steuerschlupflöcher in den USA z. B. in Delaware. Warum räumen die USA nicht einmal in ihrem eigenen Land auf?“
 
Mettler, der bereits festgestellt hatte, die USA seien strikt, um nicht zu sagen brutal mit Steuersündern, wand sich unbeholfen heraus, zumal die US-Brutalität im Umgang mit Steuersündern nur Geschehnisse ausserhalb des eigenen Lands betrifft. Die verwedelnden professoralen Worte: „Ja, das ist natürlich eine gute Frage. Die USA sind nach wie vor ein Land der Gegensätze und auch ein Land der Widersprüche. Wirtschaftlich gesehen, sind die USA nun mal ein Goliath, und als Goliath in dieser Welt können sie einfach mehr bewegen als es andere Länder können. Und dass im Moment natürlich nicht unbedingt zuerst im eigenen Haus zuerst gekehrt wird, das mag unschön erscheinen, und für uns Schweizer ist das auch nicht ganz gerecht. Aber das ist nun mal so und aus schweizerischer Sicht müssen wir unser eigenes Haus reinzuhalten versuchen, ohne auf die andere Seite mit dem Finger zu zeigen, das zeigt im Kräfteverhältnis nichts.“
 
Das entspricht genau dem politischen und medialen Verhalten: Die USA dürfen sich in Widersprüche verwickeln, für sich Goliath’sche Sonderrechte herausnehmen, die Restwelt nach Lust und Laune plündern. Das ist halt nun mal so. Und niemand wagt es, solche Gaunereien als das zu bezeichnen, was sie sind. Die USA dürfen „toxische“ Unwertpapiere anderen Ländern andrehen, und wenn diese und Banken darauf hereinfallen und sie weiter verkaufen, werden sie von den USA mit Milliardenstrafen belegt. Die Schundproduktion, die unter falschen Rating-Deklarationen aus den USA verkauft wurde, wird als rechtens betrachtet und nicht bestraft. Und wenn Barack Obama, der alle Wahlversprechen ins Gegenteil verkehrt hat, den Klimaschutz abschafft, wagt niemand zu sagen, es sei ein Skandal, wenn die grösste Luftverpesternation die marode Wirtschaft auf Kosten der ohnehin bedrängten Biosphäre anzukurbeln versucht. Die oberste Strafverfolgungsbehörde der USA, das Department of Justice, masst sich alle Kompetenzen an, die Welt ausserhalb des eigenen Landes zu massregeln und auf alle denkbaren Arten zu plündern. Und dann kommt ein Professor, der selbst das Attribut „unschön“ für das wirtschafts- und umweltkriminelle Verhalten noch relativiert: „Das mag unschön erscheinen.“
 
Man würde von Ländern, die zum Teil vom Bestrafen anderer, von Anklagen und Milliardenbussen zu überleben suchen, erwarten, dass sie zuerst und nicht zuletzt bei sich selber auszumisten beginnen. Aber was ein richtiger, durchtriebener Gauner mit Goliath-Allüren ist und bleiben will, kommt nicht darauf. Sein Trumpf ist seine vorgespielte Stärke, seine Macht die er sich selber zugeschanzt hat, welche einschüchtert und sogar verhindert, dass er den Konkurs anmelden muss – auch in moralischen Fragen.
 
Der wendige David müsste wieder auferstehen.
 
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