Textatelier
BLOG vom: 21.06.2012

Digitale Spuren: Facebook, gläserne SMS, Google liest mit

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Es ist heute üblich, dass viele Webseiten die Informationen über ihre Besucher an Firmen weitergeben (beim Textatelier.com findet das auf keinen Fall, niemals, statt). Die Firmen freut es, da sie gute Informationen über den Nutzerkreis bekommen. Das haben auch meine Familienmitglieder und ich persönlich auch schon zum Spüren bekommen. Kaum hatte ich einmal Informationen über eine bestimmte Krankheit nachgelesen, bekam ich nach kurzer Zeit schon Werbeeinblendungen über Arzneimittel oder ein E-Mail von Selbsthilfegruppen. Es spielt dann keine Rolle, zu welchem Zweck Informationen – wie in diesem Fall waren die Infos für eine Publikation gedacht – benötigt wurden. Die Firmen meinten wohl, der Nutzer wäre mit dieser Krankheit bestraft und würde eventuell Medikamente über das Internet bestellen.
 
Ein Bekannter von mir informierte sich einmal mit der Suchmaschine Google über Viagra. Bald darauf erhielt er Infos per E-Mail über dieses Potenzmittel mit Preisangaben.
 
Oder ein anderer Fall: Kaum hatte eine Nutzerin sich über eine Versicherung informiert, wurden ähnliche Institutionen hellhörig und warben mit ihren angeblich guten Konditionen.
 
Meine Tochter und mein Schwiegersohn interessierten sich vor einem Bauvorhaben für eine Fertighausfirma. Kaum erfolgte die Anfrage im Netz, konnten sich die Beiden vor Angeboten kaum retten.
 
Wenn ich über den Onlinehändler Amazon Bücher bestelle und die Bestellliste öffne, kommen dann immer die Meldungen „Weitere Artikel für Sie“ bzw. „Ähnliche Artikel wie die, die Sie sich angesehen haben“. Manchmal gibt es auch günstige Hotelangebote oder Angaben zu preiswerten Mietwagen. Die zusätzlichen Angebote bei Amazon machen mir jedoch nichts aus.
 
Das sieht auch Rolf Hess so. Er findet die Werbeeinblendungen bei Google und Amazon sogar sympathisch und nützlich. „Wenn schon Werbung, dann am besten gerade etwas, das mich interessiert. Als intensiver Internetanwender entwickelt man ja sowieso die Fähigkeit, die meisten Inserate zu überspringen, und wenn dann die wenigen, die noch übrig bleiben, etwas betreffen, das einem interessiert, dann um so effizienter!“
 
Schäferstündchen eines Politikers
In einem Kärntner Wald stand nicht ein Männchen, sondern eine Kamera für die Wildbeobachtung. Die Kamera hatte an einem lauen Maientag eine hübsche Paarung eingefangen. Es waren keine Wildtiere, sondern ein Politiker, der sich mit einer angeblich verheirateten Frau vergnügte. Kärntens Presse sucht jetzt nach dem Platzhirsch, der es ziemlich wild trieb. Nach Auswertung der Bilder durch die Wildhüter kam alles an den Tag. Datenschützer nahmen den Vorfall zum Anlass, um gegen die flächendeckende Video-Kontrolle im Lande zu protestieren. In Österreich soll es bis zu einer Million Überwachungskameras geben. Zum Glück für die Betreffenden wurden die Fotos nicht im digitalen Netz publiziert, da sonst Strafen für den Netz-Betreiber fällig gewesen wären. Aber man weiss ja nie, ob doch einmal ein solches Foto publiziert wird. Politische Gegner lechzen in der Regel nach denunzierenden Fotos und Berichten.
 
Viele ahnungslose Nutzer haben schon Bilder, die nur peinlich sind, ins Netz gestellt. So gab es beispielsweise in der Vergangenheit solche, die sich nackt präsentierten, herumhampelten, skurrile Tänze veranstalteten oder einen unappetitlichen Vielfrass darstellten.
 
Wehe, wenn ein solcher Nutzer eine Arbeit sucht und der Personalchef schon über diese oder andere peinlichen Ausrutscher Bescheid weiss. Dann kann der Arbeitssuchende lange auf eine Arbeit warten.
 
Am Arbeitsplatz muss man jedoch aufpassen, da hier die meisten Daten preisgegeben werden. Arbeitgeber können, wie www.welt.de berichtete, Arbeitsvorgänge ihrer Angestellten überprüfen oder welche Speicherkarten sie anschliessen.
 
Digitale Spuren im Alltag
Bei meinen Recherchen stiess ich auf einen interessanten Artikel im „Greenpeace Magazin“ (4/2012) über digitale Spuren im Alltag. Hier eine Auflistung:
 
Facebook: Mit Facebook hat man plötzlich viele Freunde. Im Durchschnitt sind es laut einer Studie der Universität Mailand 190. Wenn beispielsweise ein guter Freund die Nachrichten an andere Freunde versendet, hat man plötzlich zu viele „Freunde“, die man gar nicht kennt. Peinlich wird es, wenn dann Fotos in Kombination mit CPS-Daten des Orts oder persönliche Daten weitergegeben werden. In den USA ist ein Gesetz in Arbeit, nach dem Daten für die Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden sollen. Facebook wird gezwungen, diese Daten freizugeben.
 
Schon heute werden Facebook-Profile genutzt. Das „Greenpeace Magazin“ dazu: „Auch wenn der Nutzer einmal eingestellte Daten wieder löscht, bleiben sie offenbar dauerhaft auf den Facebook-Servern gespeichert.“ Dies wurde durch einen Selbstversuch des Österreichers Max Schrems bestätigt.
 
Gläserne SMS: Das ist nicht jedem bewusst: Mobilfunkanbieter können jede SMS mitlesen. Dies äusserte Rena Tangens von der Datenschutzorganisation FoeBund e. V. Die Vorratsdatenspeicherung wird zurzeit diskutiert. In Deutschland sollen Daten bis 6 Monate gespeichert werden, um eventuelle Verdachtsfälle ausfindig zu machen. „Greenpeace Magazin“: „Ausserdem versenden viele Smartphone-Apps beispielsweise Telefonnummern, Fotos und Standorte an die Server der App-Anbieter.“
 
Google liest mit:Sogenannte Such-Boots durchkämmen die E-Mails nach Schlüsselwörtern. Die Werbefirmen sind erfreut, da sie dann gezielte Werbungen den Nutzern präsentieren können. Es gibt zum Glück Verschlüsselungen, damit sensible Themen wie Krankheiten, Schulden oder psychische Probleme nicht an die Öffentlichkeit geraten (www.verbraucher-sicher-online.de/artikel/e-Mail-verschluesselung).
 
Dies dürfte Walter Hess erfreuen: Die Blogs des Textatelier.com sind nach kurzer Zeit schon mit der Suchmaschine Google aufzufinden, oft stehen sie auf der 1. Seite. Ich wundere mich noch immer, wie Google das macht.
 
Daten gegen Gutscheine: Manche Firmen verteilen Payback-Karten an ihre Kunden. Die Kunden geben an der Kasse dann ihre Einkaufsliste, Alter, E-Mail-Adresse, Anschrift an. Durch Willkommens-Gewinnspiele geben viele Kunden bereitwillig ihr monatliches Haushaltseinkommen, Beruf, Familienstand, Alter der Kinder und Internetgewohnheiten preis. Wenn ich so etwas höre, klingeln bei mir die Alarmglocken und verzichte auf sämtliche Gewinnspiele. Einmal erhielt ich eine Payback-Karte von einer Computerfirma. Dann bekam ich laufend per E-Mail-Werbebotschaften. Auch hier werde ich niemals mehr eine Payback-Karte anfordern.
 
Ganz raffiniert gehen andere Firmen vor, indem sie bei Vorhandensein einer Payback-Karte Nachlässe auf ihre Waren gewähren oder Einkaufsgutscheine anbieten. Dazu „Greenpeace“: „Vor 2 Jahren kaufte der Kreditkartenanbieter American Express die Payback-Mutterfirma Loyalty Partner, seitdem gehören der US-Firma die Daten von fast 20 Millionen deutschen Kunden.“
 
Was Rolf Hess dazu sagte
Als Google anfing, unsere E-Mails zu lesen, protestierten viele. Wenn man aber ein wenig versteht, wie Computer funktionieren, finde ich das überhaupt nicht anstössig. Ich habe seitdem die elektronische Post erfunden wurde, als wir noch via CompuServe kommunizierten, meine E-Mails behandelt wie normale Postkarten. Diese konnten ja bei der Post und vom Briefträger ebenfalls gelesen werden, wenn er das Interesse und die Zeit dazu hatte. Nur ist heute die Flut so viel grösser geworden, dass es immer unwahrscheinlicher wird, dass jemand lesen will, was ich Dir jetzt schreibe.
 
Dass aber gewisse Wörter an Überwachungsdienste weitergeleitet werden, finde ich prekärer, aber in der heutigen Welt halt doch auch verständlich. Ich habe ein äusserst faszinierendes Buch gelesen http://www.amazon.de/The-Shadow-Factory-Eavesdropping-America/dp/0307279391/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1340040623&sr=8-1. Leider scheint es nicht auf Deutsch übersetzt geworden zu sein. Es beschreibt die NSA, die National Security Agency der amerikanischen Regierung, deren klar gesetztes Ziel sei, dass jedes Wort, von einem Amerikaner geschrieben, gesprochen oder selbst irgendwo auf der Welt in ein Handy (Mobile) geflüstert, aufgenommen und evaluiert werden soll. Das unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit. Der Autor beschreibt die unvorstellbaren Datenmengen, die gesammelt werden – wie z. B. ein dickes Kabel aus dem Nervenzentrum der AT&T alle E-Mails und alle anderen elektronischen Daten sowie auch Telefongespräche direkt ans NSA Center übermittelt – und wie schwierig es ist, in dieser Flut nicht zu ertrinken. Was mich am meisten entsetzt hat, war die Bemerkung, dass das ,Data Mining’, also das Sieben der Daten, ,outsourced’ wurde, also auswärts ausgeführt wird – durch eine Firma, die die Topspezialisten sind auf diesem Gebiet. Und diese Firma befindet sich in Tel Aviv!
 
Wenn man die Zusammenhänge einmal in diesem Licht betrachtet, stört es mich wirklich nicht, wenn Google meine Messages analysiert und dann ihre Inserate zielgerecht einsetzt. Für mich sind Google und ihr E-Mail-Dienst Gmail ganz eindeutig das Beste, das auf diesem Gebiet erhältlich ist. Es gibt übrigens auch ein tolles Buch über Google, das ich aus Überzeugung empfehle „In the Plex“, dieses auf Deutsch erhältlich: http://www.amazon.de/Google-Inside-arbeitet-ver%C3%A4ndert-Business/dp/3826692438/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1340041561&sr=1-1). Selbst im Buch über die NSA wird bestätigt, dass Google die einzige Organisation war, die sich rechtlich widersetzte, den Befehlen der NSA für Informationskopien einfach so nachzugeben.
 
Und dass SMS-Meldungen bei den Mobilfunk Anbietern hängen bleiben, dass die Firmen, die unsere E-Mails weiterleiten, Kopien davon auf ihren Speichern behalten – das ist doch alles klar und selbstverständlich. Wenn wir etwas zu verheimlich haben, so dürfen wir diese Medien einfach nicht gebrauchen. Dann müssen sich kontaktfreudige Menschen eben persönlich treffen! Aber selbst dann, wenn ein Geheimnis einmal mit jemanden geteilt wurde, ist es nicht mehr sicher, dass es ein 100-prozentiges Geheimnis bleibt! (Übrigens scheint eine der sichersten Übermittlungsarten das alte Fax zu sein. Verschlüsselte Mitteilungen gehen wahrscheinlich auch noch, doch würde ich befürchten, dass diese mehr Aufmerksamkeit auf sich lenken als ein normales E-Mail.)
 
Summa summarum: Wir dürfen uns nicht so altmodisch benehmen wie der Herr, in einem abgelegenen Dorf in irgendeinem Land, der von seiner Frau ein Handy geschenkt erhalten hatte. Als es ein paar Tage zur späten Abendzeit in seiner Tasche klingelte, als er dachte, er habe sich erfolgreich mit einem guten Vorwand von Hause weggeschmuggelt, antwortete er und fragte seine Frau, die ihn suchte, ganz entsetzt „Wie um Himmels Willen hast Du denn herausgefunden, dass ich in der ‚Roten Lippen-Bar‘ bin?“
 
Benjamin Meier machte sich auf die Suche nach digitalen Spuren. Sein sehr guter Bericht ist unter der folgenden Internet-Adresse nachzulesen:
 
Im 1. Teil „Surfen im Internet“ resümiert er dies: „Beim Surfen im Internet ist es wichtig die persönliche Balance zwischen Komfort und Sicherheit zu finden. Zahlreiche Tools und Einstellungen unterstützen den User dabei. Dafür muss sich dieser aber zuerst mit dem Thema beschäftigen, um überhaupt zu erfahren, wozu es die entsprechenden Einstellungen gibt oder welche Tools ihn schützen können.“
 
Im 2. Teil „Mailen“ fasst er zusammen und empfiehlt: „Beim Verfassen von E-Mails zeigt sich eine Problematik von der Gewöhnung an GUIs, die eine Computernutzung ohne jegliches Wissen der Funktionsweise der angebotenen Dienste ermöglichen. Fahrlässig werden Informationen verteilt, die sich mit nur geringstfügigem Mehraufwand weiterhin hätten schützen lassen. Es fehlt jedoch an einem verantwortungsbewussten Bewusstsein zum Umgang mit digitalen Daten.“
 
Mittels der Suchmaschine Google kann man unter den Schlagwörtern „Digitale Spuren im Netz“ weitere Texte ansehen.
 
Bemerkungen von Prof. Schwägerl
Sehr neugierig war ich auf die Reaktion von Prof. Dietrich Schwägerl aus Ottobrunn D. Er schrieb mir in einer E-Mail vom 19.06.2012 dies:
 
„Mir geht es ebenso, wie Sie es beschrieben haben. Werbung, die mich nicht interessiert, blende ich zwar auch aus, aber Informationen zu ,meinen’ Themen lese ich gern. Wiederum kann das bei ganz jungen Leuten schon auch kritisch werden, die dann raffiniert gezielt zum Kauf verführt werden. Das sage ich auch in meinen Internetgruppen weiter, weil Omas und Opas oft mehr Zeit für die Enkel haben als Eltern für die Kinder.
 
Um meine Privatsphäre mache ich mir auch keine Sorgen. Wenn ich Seehofer und Zeil (die jetzt mit der 3. Startbahn des Flughafens München gerade eine so verdiente Bauchlandung gemacht haben, das Bürgervotum aber nicht akzeptieren wollen) in einer privaten Mail ,Dummköpfe’ nenne, darf das jeder mitlesen. Solange ich das nicht öffentlich verkünde, mache ich mich ja nicht strafbar!
 
Auf Facebook sind die jungen Leute ja jetzt auch vorsichtiger geworden, jedenfalls die, die intelligent genug sind, erhaltene Informationen zu nützen! Und die anderen fallen wahrscheinlich so oder so auf die Nase. Das Sprichwort ,Aus Schaden wird man klug’ hat ein früherer Kollege so modifiziert: ,Manche werden höchstens aus Schaden vielleicht klüger´. So ist das Leben!“
 
Herzlichen Dank für die Infos zu diesem brisanten Thema. Auf jeden Fall sollte man vorsichtig sein und nach Möglichkeit keine persönlichen Daten, Eigenschaften und Bedürfnisse ins Netz stellen. Zum Glück bekomme ich nicht viele unerwünschte Spams oder dubiose Werbesendungen. Manchmal finden auch leicht durchschaubare Spendenaufrufe, Beteiligungen mit Firmen aus dem Ausland, Vererbungen (hier muss man erst Geld berappen, dann kommt natürlich keine Erbschaft ins Haus geflattert) oder Gewinnbenachrichtigungen zu mir. Sobald ich diese in meiner Posteingangsliste erblicke, werden sie gleich gelöscht.
 
 
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