Textatelier
BLOG vom: 26.06.2012

Fussball EM 2012: Deutsche Panzer, Torklau, Rudelglotzen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Von der Fussball Europameisterschaft (EM), die vom 08.06.2012−01.07.2012 in Polen und in der Ukraine stattfindet, berichte ich nicht nur von Freudenkundgebungen der Fans, sondern auch von Ungerechtigkeiten, kuriosen Zitaten und bemerkenswerten Begebenheiten.
 
Heroisches Kroatien
Beginnen wir mit den Ungerechtigkeiten. Als der deutsche Schiedsrichter Wolfgang Stark im Spiel Spanien gegen Kroatien (1:0) einen klaren Elfmeter für die Kroaten übersah, kam es zu Protesten. Für mich unverständlich war, dass der Torrichter, der 5 m daneben stand, wohl Tomaten auf den Augen hatte (dies sagt man über „blinde“ Schiedsrichter). Er hätte den Hauptschiedsrichter unterrichten sollen.
 
Die tapferen Kroaten, die wirklich besser spielten als die Spanier, schieden aus dem Turnier aus. Die kroatische Tageszeitung „Jutarnji“  schrieb: „Schiedsrichter Stark hat Kroatien rausgeworfen“, und beim TV-Sender Nova hiess es: „Kroatien ist tapfer und stolz gefallen. Das war eine Schiedsrichter-Ungerechtigkeit.“ Und die Zagreber Zeitung „Danas“ titelte: „Heroisches Kroatien bei der EM raus! Wurden wir bestohlen?“
 
„Nach der Betrachtung der TV-Bilder hätte man Strafstoss geben müssen, das war für Wolfgang Stark von seiner Position aber schwer zu erkennen. Leider haben ihm seine Assistenten und der 4. Offizielle in dieser Szene nicht geholfen“, sagte Hellmut Krug, Schiedsrichter-Beauftragte der DFB.
 
Ball war hinter der Torlinie
Eine weitere krasse Fehlentscheidung gab es im Spiel Ukraine gegen England (0:1). Schiedsrichter Viktor Kassai verweigerte einen Treffer von Marko Devic. Der Engländer schlug den Ball erst hinter der Torlinie weg. Alle sahen es, nur der Schiedsrichter und Torrichter nicht.
 
Nun fordern viele die Einführung einer Torkamera, da das menschliche Auge zu unzuverlässig für das schnell gewordene Fussballspiel ist. Die Gegner meinen, dass zu viel Technik das Spiel kaputt mache. Zurzeit sind folgende technische Hilfsmittel im Gespräch:
 
Torkamera: Die sogenannte Hawk-Eye-Technik wird schon beim Tennis eingesetzt. Durch eine Vibration wird der Schiedsrichter dann unterrichtet.
 
Magnetfeld (Goal Ref): Experten des Fraunhofer Instituts für Integrierte Schaltungen in Erlangen D haben ein System entwickelt, das ähnlich wie der Diebstahlschutz in Kaufhäusern funktioniert. Das System (Chip im Ball) basiert auf einem Magnetfeld im Tor. Sobald der Ball mit Chip die Torlinie überquert, bekommt der Schiedsrichter ein Funksignal auf seiner Armbanduhr. Das System wurde schon bei Spielen der dänischen Superliga getestet.
 
Etliche Spieler sind für die Torlinientechnik. Nur Uefa-Präsident Platini sagte: „5 Schiedsrichter sehen alles.“ Da muss ich nur lachen. Die 5 Schiedsrichter sind der Hauptschiedsrichter, 2 Linienrichter und 2 Torrichter. Und die sehen manchmal wirklich nichts.
 
Nach der EM wird entschieden, ob die Torlinientechnik eingeführt wird. Am 5. Juli tagen die alten Herren des International Football Association Boards (IFAB) in Zürich. Ob sich die Herren für die Technik entscheiden, bleibe dahingestellt. Bisher wehrten sie sich gegen technische Mittel. Aber ihre Augen scheinen noch intakt zu sein und glauben an die Sehstärke der Schiedsrichter. Ich bin überzeugt, die Technik wird eines Tages eingeführt, und später wird der Videobeweis in kritischen Situationen herangezogen. Dann gibt es weniger Ungerechtigkeiten in den Spielen.
 
Anmerkung: Beide Schiedsrichter, die für die Fehlentscheidung verantwortlich waren, durften nach diesen Spielen die Heimreise antreten. Ich bin überzeugt, dass diese Schiedsrichter in den Staaten der betrogenen Fussballer dort nicht mehr pfeifen oder einen Urlaub machen dürfen. Die Namen dürften unauslöschlich in den Gehirnen der Fans gespeichert sein.
 
Frauenversteher Matthäus
Niklas Arnegger, Redakteur der „Badischen Zeitung“ schrieb über die Gerechtigkeit dies: „Im Fussball unbekannt. Vielmehr ist dieser Sport so beliebt, weil er dem Leben als solchem gleicht: Beide sind ungerecht und darum schön. Der Fussball gleicht auch der Ehe, wie der Ex-Nationalspieler, Fussball- und Frauenversteher Lothar Matthäus mal gesagt hat: ,Man weiss nie, wie es ausgeht´“.
 
Wenn wir schon beim Zitieren sind, ein Zitat von Franz Beckenbauer (Antwort auf die Frage: Wie geht ein Fussballspiel ohne Sieg und Niederlage aus?): „Ja gut, es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage.“
 
Hansi Flick sagte am 09.06.2012 vor dem Spiel Portugal gegen Deutschland in einer Pressekonferenz (er ist Assistent von Joachim Löw und vertritt den Bundestrainer), als er gefragt wurde, wie man den portugiesischen Nationalspieler Cristiano Ronaldo stoppen könne: „Stahlhelm auf und gross machen.“ Diese Aussage war unpassend (martialisches Vokabular) angesichts der schrecklichen deutschen Vergangenheit in Polen. Flick entschuldigte sich am Tag darauf mit den Worten: „Es war ein Versprecher, der keine falschen Eindrücke aufkommen lassen sollte.“
 
„Bringt uns jetzt die Merkel“
Es kamen scharfe Töne aus Griechenland vor dem Viertelfinale der EM zwischen Griechenland und Deutschland. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte ihr Kommen bei diesem Spiel angekündigt, um die Spieler anzufeuern und sie nach Ende der Begegnung in der Kabine zu besuchen. Das war den Griechen nicht geheuer.
 
Hier einige Zitate:
„Angie, sei bereit“ (Sportzeitung „Sportday“).
„Bringt uns jetzt die Merkel“ (griechische Sportzeitung „Goal-News“).
 
Manche griechische Autoren sprachen nicht mehr über deutsche Fussballer, sondern von deutschen Panzern.
 
Immer wieder erinnern Autoren bei solchen Spielen an die deutsche Vergangenheit. Die deutsche Wehrmacht unter Adolf Hitler überfiel Griechenland, und es erfolgte eine 4 Jahre lange Besetzung. „Deutsche Panzer auf unserem Weg“, titelte „Live Sport“.
 
Unsere Bundeskanzlerin gilt ja auf Grund ihrer unnachgiebigen Sparpolitik bei den Griechen als unbeliebt.
 
Bundestrainer Joachim Löw, der ein gutes Verhältnis zu Merkel hat, sagte zur Presse: „Wir haben mal die Abmachung getroffen, dass sie nicht in Aufstellung und Taktik hereinredet und ich nicht in ihre politischen Statements.
 
Das Spiel endete 4:2 für Deutschland. Die Griechen waren am Boden zerstört. Die Zeitungen berichteten dementsprechend:
 
„Das Monster war nicht zu bezähmen. Löws Mannschaft spielt auf einem anderen Level“
(„Live Sport“, Griechenland).
 
„Deutschland warf Griechenland aus Europa raus – und ausnahmsweise war keine Finanzkrise in Sicht“ („The Sun“, England).
 
„Löws kreditwürdige Jungstars liessen keine griechische Rettung zu – das Schuldenderby endet mit Griechenland im Defizit und dem Euro-Aus“ („The Independent“).
 
Angela Merkel schaute nach dem Spiel in der Kabine vorbei, lobte die Burschen und riet: „Weiter so!“
 
Öffentliches Rudelglotzen
Man könnte das Public Viewing als das öffentliche Rudelglotzen bezeichnen. Es ist eine freie Übersetzung. Im Englischen bedeutet das die öffentliche Präsentation einer Sache. Im amerikanischen Sprachgebrauch heisst Public Viewing die öffentliche Aufbewahrung eines Toten.
 
Seit der WM 2006 in Deutschland gibt es viele Leute, die nicht allein vor der Glotze ein Spiel betrachten wollen, sondern im Beisein vieler. Man strömt auf eine Wiese, einen grossen Platz oder in eine Wirtschaft und verfolgt dann auf einem riesigen Bildschirm das Geschehen. Kollektiver Jubel ist angesagt. In Berlin sollen ungefähr eine halbe Million Menschen im Freien das Spiel Griechenland – Deutschland verfolgt haben. Im Fernsehen sah man unglaublich viele fröhliche Menschen. In Griechenland war das Gegenteil zu beobachten. Reporter berichteten aus Wirtschaften oder Plätzen. Manche Fans sassen teilnahmslos am Boden, andere nagten an so manchem Bissen. Nur einer meinte: „Wir können stolz sein auf die griechische Mannschaft, die aufopferungsvoll gekämpft hat und unter den letzten 8 gekommen sind.“ In der Tat können die griechischen Fussballer stolz sein. Sie erreichten eine Platzierung der besten 8 in Europa. Andere hochgejubelte Mannschaften (Holland, Russland, Polen, Ukraine) waren schon vorher ausgeschieden.
 
Training der Engländer
Die englische Mannschaft hat im Training einiges erlebt. Das Training wurde auf dem Sportplatz im Krakauer Stadtteil Now Huta nicht wegen des Schwächeanfalls eines Spielers unterbrochen, sondern wegen einem Tierchen. Ein Maulwurf tauchte plötzlich auf und lief über den Rasen. Helfer brachten dann den Nager aus der Gefahrenzone.
 
Schon vorher hatte der Platzwart keinen Elfmeterpunkt auf dem Rasen markiert. War es ein böser Scherz? Die Engländer haben nämlich keine guten Erinnerungen an das Elfmeterschiessen. Sie scheiterten immer kläglich. Englands Teammanager Roy Hodgson soll wegen des fehlenden Elfmeters ziemlich sauer gewesen sein.
 
Vor dem Spiel gegen Italien übten die Spieler das Elfmeterschiessen. Hat aber nichts genützt. Gegen Italien verloren die Engländer mit 2:4 im Elfmeterschiessen. Die verheerende Bilanz hält also weiter an.
 
Anmerkung: Im Halbfinale stehen Deutschland, Italien, Portugal und Spanien. Möge der Beste die EU gewinnen, aber bitte nicht dank Fehlleistungen der Schiedsrichter.
 
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