Textatelier
BLOG vom: 03.07.2013

Wenn all den Glücklichen die Veränderungsstunde schlägt

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
„3 Dinge ändern sich geschwind:
Weib, Glück und Wind.“
Volksweisheit
 
„Wer den Ort verändert,
verändert das Glück.“
Sprichwort
*
Alles ändert sich; die ganze Welt ist im Umbruch. Alles fliesst. Veränderungen sind, wenn alles sinnvoll abläuft, eine Anpassung an neue äussere Verhältnisse, an andere, geänderte Randbedingungen. Wer nicht mitmacht, bleibt stehen, droht ins Hintertreffen zu geraten. Ist weg vom Fenster (out).
 
So weit, so gut. Doch Veränderungen von der beschriebenen Sorte sind eine bedrohte Minderheit. Man müsste sie unter Schutz stellen, um einige davon der veränderten Nachwelt zu erhalten. Denn inzwischen sind Veränderungen zu einer globalen Seuche, ähnlich wie die Globalisierung, diese banalisierende Gleichmachung unter Zentralsteuerung, verkommen. Es wird um des Änderns willen geändert, ein manisches Irresein.
 
Früher gab es Hausfrauen, welche die Wohnung immer wieder neu einrichteten, ob es nun dem Komfort oder der Gemütlichkeit diente; es war ein permanentes Möbelrücken als bescheidener Vorbote der totalen Mobilität. Mit dem Aufkommen der halb- oder ganzindustriell produzierten Fertigkost hin zur „Blitzküche“ veränderten sich die Ernährungsgewohnheiten, nicht eben zum Besten, wie es sich inzwischen herumgesprochen hat. Im Rahmen der Total-Rationalisierung und Beweglichkeit löste sich die traditionelle Familie in komplexe Systeme auf, in denen die Kinder eher lästig sind und ausgelagert werden (Kinderkrippen, Kinderhorts) – zwecks rationeller Massenerziehung im Hinblick auf die Massentauglichkeit. Soweit einige wenige Beispiele. Man könnte aus dem Riesenfass der Destruktionen im Rahmen des veränderungsbedingten Kulturzerfalls endlos schöpfen, endlos aufzählen.
 
Die von Menschen veranlassten Veränderungen haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ständig beschleunigt, was dem Verändern als solchem zum Kultstatus verhalf und den Eindruck erweckte, alles müsse verändert werden. Darob wurde vergessen, dass ändern nicht mit bessern gleichgesetzt werden darf. In das, was perfekt läuft und erfolgreich ist, sollte man nicht eingreifen, ansonsten eine Verschlechterung, ja eine Katastrophe, resultiert. Die Musterbeispiele liefert dazu Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, die erklärte, nach ihrer Wahl in den Bundesrat habe sie alles anders machen wollen. Das hat sie leider auch getan. Die Schweiz war zuvor ein Erfolgsmodell gewesen, und so musste der unbändige Drang zu Veränderungen zu Scherbenhaufen führen. Den ersten in diesem Amt richtete sie im Asylwesen an, weitere im Finanz- beziehungsweise Bankwesen. Jede Erpressung aus den USA oder aus Brüssel ist für sie ein Befehl, auch wenn sie die Position der Schweiz schwächt. Ihre Forderung, dass die zudringlichen Übermächte zuerst einmal in ihren eigenen Ställen für Ordnung sorgen sollten, die schon lange in der Luft lag, kam reichlich spät, lauwarm und ohne Nachdruck daher. Fast Tag und Nacht quält sie sich mit Schadenbegrenzungen ab und gilt als fleissig.
 
Unter den Veränderern mit Zerstörungspotenzial ist Frau Schlumpf, wenn auch nicht in bester, wohl aber doch in einer grossen Gesellschaft. In dem sich schnell drehenden Manager-Karussell haben Amerikaner Position bezogen, die keine unserer Landessprachen zu erlernen vermochten. Dennoch führen sie Schweizer Firmen, die sich (wie die Grossbanken) weit in Richtung West verirrt haben. Sie wurden und werden happenweise den Amerikanern zum Frasse vorgeworfen. Treu ergeben kooperierten die US-orientierten Firmenbosse bei Plünderungen in der sparsamen, reichen Schweiz und sorgten dafür, dass kein Stein auf dem anderen blieb. Jeder CEO-Neuankömmling setzte unter dem Motto „Alles neu macht der Mai“ unverzüglich seine Duftmarken – vor allem in Richtung Verschlankung (Personalabbau). Für ein neuzeitliches Unternehmen ist das ständig von Gewerkschaften beunruhigte Personal ungefähr so lästig wie die Kinder für eine Doppelverdienerfamilie.
 
Wenn dann die Trümmerhaufen aufgebaut sind, stellen sich Veränderungszwänge automatisch ein; schliesslich kann man den Abbruchschutt nicht einfach herumliegen lassen. Jetzt kommen die Sanierer zum Zuge, die Vorläufer der Konkursverwalter. Sie alle leisten auf ihre Weise eine hochprofessionelle Arbeit und verdienen Applaus und Anerkennung. Aus den Ruinen erblüht neues Leben, und man wartet gespannt auf eine Beantwortung der Frage, ob denn Schutthalden das geeignetere Biotop für neues Wachstum und Blühen seien.
 
Durch Rebellionen, Kriege, Boykotte und andere Strafaktionen werden überall auf dieser unter menschlichen Aggressionen leidenden Erde gigantische Werte zerstört, und auf solchen Grundlagen gedeiht eine Schuldenwirtschaft noch nie gesehenen Ausmasses. Diese ruft wiederum dringend nach Veränderungen, damit der Kollaps des Systems noch etwas hinausgeschoben werden kann – er wird noch früh genug kommen (wenn andere Manager und Politiker am Ruder sein werden).
 
Und dann werden die Änderungen unbegrenzt sein – unter Zwang. Und eine neue Fehlerkultur kann heranwachsen.
 
Die Natur machte es intelligenter. Sie reagiert auf Störungen mit dem Bestreben, Gleichgewichte herzustellen. Sie beherrscht die Kunst des Reparierens, des Ausbalancierens. Sie weiss sozusagen, was zu tun ist, um den Schaden zu begrenzen und vielleicht in eine neue, systemstärkende Chance umzuformen. Davon sind wir Menschen weit entfernt. Wir versuchen (wie in der Operette „Die Fledermaus“ von Johann Strauss) glücklich zu sein im Vergessen dessen, „was nicht mehr zu ändern ist“.
 
Zweifellos wäre es weit sinnvoller gewesen, das Glück im Bewahren des Bewährten zu suchen und das Verändern auf das tatsächlich Anpassungs- oder Verbesserungsbedürftige zu beschränken. Die Einsicht, falls sie überhaupt angekommen sein sollte, kam etwas spät.
 
Hinweis auf ein weiteres Blog zum Thema Veränderungen
10.10.2011: Wie kann man Gewohnheiten und Vorurteile ändern?
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
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