Textatelier
BLOG vom: 29.08.2013

Stadt Solothurn: Von barocker Überfülle und Bürgerlichkeit

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Cecilia Salzmann, Stadtführerin in Solothurn, ist eine hübsche Frau, ebenmässige, reife, schön gezeichnete Gesichtszüge, aufmerksamer Blick – ihre Erscheinung ist rehbraun, rötlich, goldfarben und von passendem Goldschmuck geadelt. Barocke Elemente, wie sie in der „schönsten Barockstadt der Schweiz“ üppig vorhanden sind, beziehen sich bei ihr persönlich nicht auf das Alter, sondern auf die verschwenderische Fülle, die auch ihre Erklärungen durchdringt. Sie hat die Fakten und Daten der Stadt Solothurn, die auf eine tiefer in die Vergangenheit führende Geschichte als die Bundeshauptstadt Bern mit dem gebührenden Stolz zurückblickt, nicht einfach auswendig gelernt. Sie kennt die Zusammenhänge, kann die Ereignisse in den bis in die Römerzeiten zurückreichenden, historischen Kontext einordnen. Das zieht die Zuhörer in ihren Bann.
 
Der Vorstand aus der Bürgerlichen Vereinigung Biberstein AG (BVB) hatte zu einer Exkursion in die nicht allzu ferne Nachbarschaft geladen (Präsident: Markus Schlienger, Organisation: Kathrin Stübi). Natürlich kannten wir alle Solothurn seit langem, aber nicht bis tief hinein in dessen Innereien. Es gibt mehrere Bücher über diese berühmte Stadt, über ihre Geschichte und Gegenwart, und es liegt mir fern, alle Fakten zu wiederkäuen. Ich beschränke mich vorerst auf einige Stichworte, wie ich via Twitter verbreitet habe:
 
Tweets
-- Die Bürgerliche Vereinigung Biberstein besuchte Solothurn. Die Stadt hält an der magischen Zahl 11 fest. Wir nicht. Wir waren 24.
 
-- Solothurnerzahl 11: 11 Plätze,11 Brunnen, 11 Kirchen, 11er-Gruppen-Treppe vor St. Ursenkathedrale mit 11 Glocken, 11 Museen. Um 11 Uhr schlug’s 11 Mal. In einem Relief an der Kathedrale sind nur 11 (statt 12) Apostel zu sehen.
 
-- Solothurnerzahl 11: Die Solothurner Uhr am Amtshausplatz zeigt 11 Std. Pro Tag fehlen 2 × 1 Std. Die Solothurner müssen also schnell arbeiten.
 
-- Solothurn: Am Rathaus führte einst die Eselsgasse vorbei. Sie wurde in Rathausgasse umbenannt. Damit die Einwohner nichts merken.
 
-- Bei Stadtführung in Solothurn gelernt: Früher war der Henker ein geächteter Beruf, gut bezahlt (Familiennamen: Huber, Bürgi, Vollmar, Meyer usf.). Leichen blieben zur Abschreckung hängen. 1855 wurde der letzte Mann geköpft.
 
-- Nach dem Brandanschlag vom 01.2011 ist die St. Ursenkathedrale Solothurn stilvoll renoviert. An einer Deckenskulptur wurde der Russ belassen.
 
-- Auf Gotthelfs Anne-Bäbi Jowäger wirkte Solothurn beängstigend. Barocke Prachtentfaltung. Für uns Leute vom Land schon etwas üppig.
 
Soweit diese Spot(t)lichter.
 
Geschichte überall spürbar
Die wechselvolle Geschichte der Stadt Solothurn ist überall spürbar. Dass sie nicht stillsteht, belegt unter anderem der Brandsanschlag eines Verwirrten im Altarbereich im Innern der St. Ursenkathedrale, wobei am 04.01.2011 der ganze Innenraum und auch die riesige Orgel mit ihren fast 4000 Pfeifen (zwischen 15 mm und 6 m lang) von einer Russschicht überzogen wurden. Bei der gereinigten Orgel fehlt die Klangpatina noch; sie tönt heller, klarer. Insgesamt musste vom Inneren der Kathedrale eine Gesamtrenovation durchgeführt werden, die rund 8.7 Mio. CHF kostete und in weniger als 2 Jahren abgeschlossen war.
 
Die Kirche besteht aus weissem Kalkstein, der, wie es sich gehörte, in 11 Steinbrüchen in der unmittelbaren Umgebung abgebaut wurde.
 
Im Zentrum des Chorraums steht ein grosser, kubischer weisser Marmoraltar, der wie mit einem in Falten abfallenden weissen, grob gewobenen Tuch bedeckt zu sein scheint. Doch auch dieses vermeintliche Tuch ist eine filigrane Bildhauerarbeit. Vorher war dort ein Tisch. Der neue Altar aus Carraramarmor lässt seine feine Ziselierung nur ganz aus der Nähe erkennen – im Kirchenraum aber mutet er wie eine grosse Kiste an, die sich hierhin verirrt zu haben scheint. Doch auch er ist ein Ausdruck der heutigen Moderne, und es darf durchaus etwas vorhanden sein, das über Sinn, Unsinn und Proportionen sinnieren lässt.
 
Ein wichtiges Element von Solothurn ist die Aare, welche die „mindere“ (ausserhalb des Zentrums) von der „mehreren" Stadt trennt. Hinter der Stadtmauer wohnten die freien Bürger; ihr Bau wurde seinerzeit von der französischen Krone wesentlich mitfinanziert. Von Norden drückten die Germanen, von Süden die Römer gegen die Stadt. Während Jahrhunderten war die Aare neben dem Rhein der wichtigste Transportweg – vor allem für Wein, was erklärt, dass manch eine Schiffsbesatzung johlend in Solothurn ankam. Die günstige Verkehrslage trug zur frühen Gründung und der Bedeutung von Solothurn bei, auch wegen der Funktion als Marktort mit Zollrecht. Hier wurden zum Beispiel die Rosse (Pferde) gewechselt.
 
Ein Besuch im Alten Zeughaus, wo einst mit Waffen gehandelt wurde, drängte sich auf, um das Geschichtsbild einigermassen abzurunden. Die zweitgrösste Rüstungsausstellung (auch der „freche Züghuus-Joggeli“) ist in diesem währschaften Bau untergebracht. Hier wurde man überdies an den Kampf gegen die Armagnaken erinnert, benannt nach dem Grafen von Armagnac, der die Truppen des französischen Königs Karl VI. befehligt hatte. Sie fielen 1444 ins Elsass ein, stiessen bis Basel vor, das kurz vorher mit Solothurn und Bern ein 20-jähriges Bündnis geschlossen hatte, und zwangen die Eidgenossen, die Belagerung der Farnsburg aufzugeben. Der Kulminationspunkt war am 26.08.1444 die Schlacht bei St. Jakob an der Birs, wo die Eidgenossen angesichts der französischen Übermacht eine Niederlage erlitten, erleiden mussten, nachdem sie heldenhaft gekämpft hatten. Sie galten nun als wilde, exzellente Krieger und waren als Söldner sehr begehrt.
 
Bei uns Solothurn-Touristen aber ging’s friedlich zu. Nur ein paar wenige Regentropfen begleiteten uns, und die Temperatur war angenehm kühl. Trotzdem war nach einem Blick in die von Chorgesang erfüllte Jesuitenkirche (1680‒1689 erbaut), dem barocken Prunkstück der Stadt, gegen einen Apéro im Salzhaus am Landhausquai an der Aare nichts einzuwenden. Das etwa 500 Jahre alte Gebäude, das seit gut 5 Jahren eine Bar und ein Restaurant ist, diente nach 1826 als Salzmagazin, dann als Lager für Leder. Die neuere Geschichte ist auf der Homepage www.restaurant-salzhaus.ch nachzulesen: 1896 erwarb der Kaufmann Cornel Bregger die Liegenschaft. Das nach der Familie benannte Breggerhaus stand bis 2006 und diente vielen Zwecken, nicht zuletzt war es ein Kultur- und Konzertlokal. Heute wird der hintere Teil des Ensembles als Wohnraum benutzt, die Frontseite gegen die Aare wurde zum jetzigen Restaurant Salzhaus umgebaut.“
 
Die alten Wände, aus einer ungeordneten Mixtur aus Geröll, Kalksteinen, Ziegelfragmenten grob zusammengepflastert, sind freigelegt und geben dem Innenraum sein Cachet. Das Haus wird von der Genossenschaft Baseltor geführt, die auch das Hotel und Restaurant „Baseltor“, das „Solheure“ und neuerdings die traditionelle „Krone“ als Boutique-Hotel betreibt.
 
Zum Mittagessen begaben wir uns ins Parterre des Restaurants „Roter Turm“, wo wir uns mit einer vortranchierten Perlhuhnbrust mit Calvados-Senfsauce, Risotto mit Weisswein und einem Ratatouille stärkten (32.50 CHF). Das Gericht schmeckte im Einzelnen und als Gesamtes vortrefflich. Solothurn hat eine grosse Dichte von guten und originellen Gaststätten, die ebenfalls als wichtige Fixpunkte ins Bild mit den Sehens- und Erlebenswürdigkeiten gehören.
 
Gegen Abend fuhren wir mit Bahn und Bus dem Jurasüdfuss entlang nach Biberstein zurück. Wir haben in der 11er-Stadt keine Stunde verloren, aber viele neue Erkenntnisse in angenehmer Gesellschaft gewonnen. In Biberstein spielt der Barock kaum eine Rolle. Die lebensfrohe Üppigkeit liefert uns die Natur innerhalb und ausserhalb der Wohnzonen im weitesten Sinne.
 
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