Textatelier
BLOG vom: 26.10.2013

Wimbledon-Herbst: Vor der eigenen Haustür wischen

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Auf beiden Seiten unserer Strasse, Parkside Gardens in Wimbledon, lassen jetzt die Platanen ihre handtellergrossen Blätter fallen. Alljährlich werden sie, nachdem das Laub gefallen ist, hart zurückgestutzt. Traurige Baumgerippe überwintern. Dann, im Frühling, spriessen viele Ästlein und entrollen ihre Blätter und verwandeln die Platanen zur Augenweide.
 
Der Wind, so scheint es mir, verweht das Laub vorwiegend auf unsere Strassenseite, übers Trottoir und an unserer Hausmauer entlang. Der ausgiebige Regen verwandelt das Laub in glitschigen Matsch. Früher kamen die Gärtnergehilfen mit ihren Reisigbesen und wischten den Laubfall zu Haufen, die anschliessend, in grosse Plastiktaschen verstaut, in ein Lastwagen geladen wurden. Heute haben spezielle Reinigungsungetüme diese Aufgabe übernommen.
 
Die gelben Lichtkugeln blinken, die kreisrunden Scheiben des Gefährts wischen mit Getöse die Blätter an den Strassenrand und verschlucken die Blätterernte nach dem Staubsaugerprinzip in den Bauch des Vehikels. Dieses Gefährt ist gezwungen, einen Bogen um die parkierten Autos zu drehen. Das Ergebnis war unbefriedigend. Die Fussgänger verlassen die Gehsteige und gehen auf der Fahrbahn auf der Strasse. Das ist gefährlich für Mütter mit Kinderwägen und Kleinkindern, die sich nicht anbinden lassen. Alte Leute bleiben zuhause. Der Strassenverkehr verscheucht sie von der Strasse.
 
Gestern unterbrach mich mitten im Blog-Schreiben ein Mann mit einem grossen Besen und bot mir seine Dienste an. Er hatte ununterbrochen auf der elektrischen Klingel bei der Gartentüre gedrückt. Alarmiert sprang ich die Treppe hinunter. Ich schlug sein Angebot aus, denn mein Besen war so weit wie seiner. Wieder in meiner Bude, schrieb ich weiter.
 
Ich dürfe die Blätter nicht einfach liegen lassen, ermahnte mich meine Frau mehrmals an diesem Morgen. Verdrossen schloss ich die Türe, nachdem ich Lily gebeten hatte, mich nicht dauernd zu unterbrechen. Schliesslich gab ich eher mürrisch nach, wie alle Jahre um diese Jahreszeit, und beseitigte beide Störfaktoren innert 10 Minuten. So habe ich zum Titel meines heutigen Blogs gefunden. Der Hausfriede blieb uns erhalten.
 
Wie viele Male werde ich vor der eigenen Haustüre wischen müssen? fragte ich mich und kam zum Schluss, dass es 2 Wochen dauern wird, bis der Wind alle Blätter von den Platanen geblasen haben wird. Na ja, Frühturnen kann nicht schaden. Dabei konnte ich Gedanken zum Titel „Vor der eigenen Haustüre wischen“ sammeln.
 
Bekanntlich gibt es Leute, die sich gern und unaufgefordert ins Leben anderer Leute einmischen. Das schätze ich ganz und gar nicht. Um auf meiner Gartenseite zu bleiben, bin ich mir bewusst, dass sich das Gebüsch in ein Gestrüpp verwandelt hat. Eine gute Frau, die Lily zum Kaffee eingeladen hatte, hielt immer wieder auf dem Gartenweg zum Haus inne. Sie ist eine leidenschaftliche Gärtnerin, die jedoch ihren Garten kostspielig von Gärtnern warten lässt. Ihre Vorschläge, wo und wie ich meine Gartenschere ansetzen sollte, fielen auf taube Ohren. Ich bugsierte sie rasch ins Haus, ehe Lily sich auf ihre Vorschläge einlassen konnte. Ich sah davon ab, mich über ihre Gartenmaniküre zu äussern, eingedenk der weisen Sentenz von Voltaire: „Il faut cultiver son jardin“. Wohl bekomms!
 
Meine Gartenpflege beschränkt sich auf Küchenkräuter. „Chacun à son goût!“
 
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