Textatelier
BLOG vom: 07.08.2015

Allerlei Störfaktoren im Leben – wie man sie vermindert

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London


Viele Störfaktoren tun sich wie Schlaglöcher vor uns auf. Vielen kann man ausweichen. In viele rasselt man, von der Hast getrieben. Wir wollen eine Zugsabfahrt erwischen. Die Wagentüren schliessen sich automatisch vor der Nase. Laut Fahrplan kommt der nächste Zug in einer Viertelstunde. Wir hätten Zeit gehabt, einen Kaffee zu trinken … und nehmen uns jetzt die Zeit dazu.

Aber nicht immer entkommt man so glimpflich. Angenommen, Sie sind zu einem Interview bestellt, sei es eine Stellenbewerbung oder ein Kundentreffen. Wer nicht pünktlich erscheint, verscherzt seine Chance.

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Störenfriede unterbrechen unseren Gedankengang mitten im Satz oder stören uns beim Abendessen mit unerwünschten Telefonüberfällen von Call Centers. Entweder dulden wir sie oder verhängen Sperrzeiten über sie, sofern wir nicht in einem Grossraumbüro eingepfercht sind. Dort werden die Arbeitnehmer fortlaufend vom Geschwätz unterbrochen.

Das Handy kann ausgeschaltet werden. Das Telefonkabel lässt sich aus der Steckdose ziehen. Viel einfacher: Man nimmt den Hörer nicht ab. Später lässt sich auf Knopfdruck feststellen, wer uns angerufen hat, sofern eine Mitteilung hinterlassen wurde.

Solche Störungen sind als Bagatellen einzustufen. Es gibt schlimmere im Leben, besonders jene, die nicht selbstverschuldet sind.

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In der Werbung werden Kunden mit Lockvögel geködert. In den Supermärkten wimmelt es von Sonderangeboten, worunter jene, die uns nach der Formel “buy 2 – get 1 free” übertölpeln wollen. Mit der Mathematik kommt man solchen Schlichen bei und kauft eine Packung, statt ihrer 3, deren Preise zuvor hochfrisiert worden sind. Preisvergleiche lohnen sich, doch sie stehlen uns Zeit. Ich selbst bin darauf erpicht, Supermärkten so rasch als möglich zu entrinnen. Deswegen betrete ich diese Läden frühmorgens und vermeide das “Schlangenstehen” bei der Kasse. Eine weitere Schikane, die mich stört: Die Warenauslage wird regelmässig umgekrempelt. Wir müssen nach den gewünschten Produkten suchen oder uns beim Personal erkundigen. In der Regel sind die teuren Produkte auf Augenhöhe griffbereit ausgebreitet. Wer sich nicht bücken will oder kann, dem entgeht das billigere und oft gleichwertige Angebot.

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Als Sammler von Druckgrafik, Porzellan usw. habe auch ich Lehrgeld bezahlen müssen. Mit vertieften Kenntnissen verhindert man Reinfälle und kann sich selbst von der Authentizität des Objekts überzeugen. Täuschend als echt angepriesene Artikel, etwa bronzene Jugendstil und Art Deco Zierplastiken, stammen aus China und werden als “antik” teuer verkauft. Desgleichen Farbholzdrucke aus Japan, persische Miniaturen, Kaligraphien und Orienteppiche. Sie werden von zwielichtigen Händlern als echt verkauft. Mit Kenntnissen und Lupe gerüstet, lässt sich zwischen “falsch und echt” unterscheiden. Wenn nicht, lasse man sich von einem zuverlässigen Kenner, vor dem Kauf, beraten.

Dem diesbezüglichen Angebot, das heute in Ebay aufliegt, traue ich nicht. Geben Sie den Namen eines berühmten Art Deco Künstlers wie George Barbier ins Ebay-Fangnetz ein, und Sie erhalten seitenweise moderne Giclee-Drucke, oft mit dem irreführenden Beiwort “vintage” angeboten. Sie landen massenweise aus den USA im Ebay. Sie sind billig und mögen als Wandschmuck hingehen. Der Sammler weiss, dass originale “pochoirs”, die damals in Pariser Ateliers handbemalt auf der Druckvorlage in kleinen Auflagen hergestellt wurden, für Luxusjournale wie “Gazette du Bon Ton”. Die Preise sind entsprechend hoch angesetzt. Lassen Sie sich nicht täuschen!

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Lug und Trug ist seit jeher gang und gäbe. Die Kunden werden wie Schafe geschoren. Armbanduhren, wie Rolex und andere luxuriöse Markenartikel, werden massenhaft gefälscht und von ahnungslosen Touristen gekauft. Wer schon untersucht, ob eine Chanel-Damenhandtasche echt ist? Viele pfiffige Damen kaufen wissentlich solche Imitationen billig auf Märkten, von der Protzsucht getrieben. Das stört niemanden, die Neider ausgenommen. Der Ausverkauf verschachert durchs Jahr Ladenhüter, die dem Modewechsel ausgesetzt sind. Kluge Leute kleiden sich klassisch elegant. Ihre Garderobe ist keinem Modewechsel unterworfen.

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Bewährte Computerprogramme werden fortlaufend durch neue ersetzt. Das ist für mich ein Störfaktur, der meine Arbeit erschwert. Meine IT-Bedürfnisse sind bescheiden und beschränken sich auf Textbearbeitung, Email und Recherchen im Internet. Der Zugriff auf Informationsträger wird erschwert: Man muss sich registrieren, um Zugang zu gewinnen. Einmal angemeldet, schleichen sie sich nach Belieben in meinem PC ein, und man wird sie kaum mehr los. Ich habe inzwischen Sperren eingebaut, die unberufene Einstiege in meinen PC weitgehend verhindern. Auch bin ich sehr zurückhaltend mit der Preisgabe meiner Email-Adresse – beschränkt auf Freunde, Verwandte und Bekannte.

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Viele Einbrüche in die Privatsphäre lassen sich ebenfalls drosseln. Was und wie ich denke, das findet seinen Niederschlag in meinen Texten, mit gewissen mir selbst auferlegten Grenzen. Was man als “streng vertraulich” preisgibt, macht die Runde, kreist sich aus wie ein Kiesel in den Teich geworfen.

 

 


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