Textatelier
BLOG vom: 03.12.2016

Klaus, der Narr

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London


Der Erzbischof von K. war ein gewaltiger Mann, gewaltig an Macht und Körperfülle. Zeitgemäss musste man schon damals sein, im Mittelalter, und das golddurchwirkte Ornat allein genügte nicht. Er musste sich einen Narren halten im Bischofssitz, denn was beim Hofe galt und bei den Fürsten und Herzögen, dem durfte er sich nicht entziehen. Einem machtlosen Fürsten nahm er den Narren weg. Klaus erhielte eine neue Kluft, trug ein grün-gelbes Beinkleid, ein Wams mit Schellen, eine Kappe mit zwei langen Eselsohren und eine Schweinsblase. Von seinem Gesäss hing ein buschiger Fuchsschwanz. Alles übrige, Pusteln und Witz, brachte Klaus mit sich.

Binnen kurzem hatte sich Klaus im Bischofssitz eingenistet, spann Intrigen mit ätzendem Witz durchsetzt. Klaus erfreute sich hoher Gunst und durfte nachts vor der erzbischöflichen Bettstatt schlafen – ein Privileg, das ihm schlecht behagte. Ihre Hochwürden blätterte gewöhnlich zur späten Stunde im Brevier, worüber er leicht einnickte. Klaus hatte dann die Pflicht, seinen Herrn kräftig in die rechte grosse Zehe zu zwicken. Leider verdaute der Erzbischof mit Beschwerden, die sich in tiefsinnigen Gesprächen kurz nach Mitternacht äusserten. Berufshalber war der Erzbischof auf Zuhörer angewiesen. Deshalb stiess er seinerseits den Narren mit einem Tritt und hielt ihn mit dieser Taktik wach. Klaus verdross dies sehr, umso mehr ihn sein eigener Witz gegen das Übel versagte.

Dieser nächtliche Ärger und die Furunkeln, worunter der arme Klaus arg litt, sind die Hintergründe zur folgenden Geschichte:

Eines Nachts schlief Klaus ungestört ein gutes Stündchen, bis ihn ein Fussstoss jählings aus dem Schlummer riss. Der Fuss traf seinen Nacken genau dort, wo ein doppeltes Furunkel zusammenfloss. Ein stechender Schmerz wirkt immer; schlagartig war Klaus hellwach. Als ob dies nicht genug wäre, trafen zwei weitere Fusstritte sein Gesäss und seinen Rücken. Das war Klaus des Guten zu viel. Behende und aufgebracht fasste er den Fussknöchel seines Gebieters und fragte: “Wem gehört dieser Fuss?”
“Mir!” antwortete der Erzbischof, seinerseits aufgebracht und zog sein Bein hoch.
Verwundert gewahrte Klaus unter der Bettdecke zwei weitere Beine. “Und wem gehören diese Beine?” fragte Klaus.
”Zum Teufel, mir!” schrie der Erzbischof wutentbrannt.

Klaus schrie ebenfalls gewaltig: “Kommt! Unserem Herrn ist ein drittes Bein gewachsen!” Von allen Seiten sprang das Gesinde in das Schlafgemach und lachte hellauf, wie Klaus die strampelnden Beine freigab. Die Konkubine des Erzbischofs entfloh kreischend hinter die Vorhänge.

Einzig die Narrenfreiheit rettete Klaus vor dem Galgen. Ehe er aus dem Palast stürmte, bückte er sich und sicherte sich die weibliche Haube als Beweis. Ein Schreiber im Dienste eines Herzogs hat des Narrens Geschichte in Tinte gesetzt. Genau der Fürst, der seinen Narren an den Erzbischof abtreten musste, bot Klaus Unterschlupf. Der Erzbischof verlor seinen Bischofsstab und wurde als Abt nach B. strafversetzt.

 


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