Textatelier
BLOG vom: 09.10.2017

Der Antrieb in Kraftfahrzeugen

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Deutschland

Sind die leichten Fuhrwerke vornehmlich für den Zweck von Ausflügen und Reisen gebaut, und zwar diejenigen mit Benzinantrieb für Reisen auf beliebige Entfernungen, während diejenigen mit elektrischem Antrieb auf die Umgebung der Städte beschränkt sind, so gibt es auch eine grosse Zahl von Konstruktionen, die bestimmten praktischen Zwecken angepasst sind und dieselben ausgezeichnet erfüllen.- Ein anderes Gebiet, auf dem sich der Selbstfahrer allmählich die Übermacht über das Pferd anzueignen scheint, ist das öffentliche Fuhrwesen der grossen Städte. - Wenn auch, wenigstens in Deutschland, die Einführung der elektrischen Omnibusse und der elektrischen Droschken bisher fast überall nur eine versuchsweise ist, so sind die Erfolge doch in dem Masse befriedigend, dass auf eine allgemeine Einführung der Elektricität in absehbarer Zeit wohl gerechnet werden kann. -

 


 

Wenn für die Zwecke des öffentlichen Verkehrs der elektrische Betrieb allen andern Systemen vorgezogen wird, so liegt das einerseits daran, dass in den grösseren Städten, die für diesen Betrieb ausschliesslich in Frage kommen, überall Electricitätswerke vorhanden sind, welche die zum Laden der Accumulatoren nötige Energie während des Tages, wo der elektrische Lichtkonsum ruht, sehr billig abgeben. Andererseits aber ist auch gerade für diesen Zweck kein anderer Motor so geeignet, wie der elektrische. Der Lenker einer Droschke, eines Omnibusses oder Strassenbahnwagensist in erster Linie für die Sicherheit der beförderten Personen verantwortlich. - Unter diesen Umständen ist nun der electrische Betrieb anspruchsloser als jeder andere. Die Konstruktion des Elektromotors ist unvergleichlich einfacher als diejenige der Dampf- oder Benzinmaschinen, und auch das schwerste Fuhrwerk lässt sich bei elektrischem Antrieb am leichtesten bremsen, anhalten und wieder in Gang setzen. - ... und endlich haben die Erfinder es noch fertig gebracht, in dem scheinbar unerschöpflichen Raume (des Wagenkastens) einfahrbares Miniaturelektrizitätswerk unterzubringen, welches aus einem 3-4pferdigen Petroleummotor und zugehöriger Dynamomaschine besteht und nicht mehr als 140 kg wiegt. Die Batterie kann also in wenigen Stunden auch auf der Reise geladen werden, so dass dies wohl der erste Motorwagen ist, mit welchem man unbesorgt auch grössere Reisen über Land unternehmen kann.

Soweit ein Auszug aus „Das neue Universum - Die interessantesten Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten. Ein Jahrbuch für Haus und Familie, besonders für die reifere Jugend. 21. Jahrgang“
Da in der Reihe ab 1880 jährlich ein Jahrbuch veröffentlicht worden ist, erschien das Buch also 1901. Auch der Pariser Weltausstellung von 1900 ist ein ausführlicher Artikel gewidmet.

Ich wende mich dem
Scientific American in the 19th Century- Free Enterprise Forever! A weekly Journal of Practical Information, Art, Society, Mechanism, Chemistry, and Manufactures
zu, und zwar der Ausgabe vom 13. Mai 1899. Hierin finde ich einen Artikel über Winton Motor Carriages, einer Fabrik, die Fahrzeuge mit der Bezeichnung Pheaton neben Gasoline- auch mit Elektroantrieb gebaut haben.

Der darauf folgende Artikel beschäftigt sich mit der Electrical Exhibition von 1896. Auf dieser Ausstellung ging es unter anderem um die Demonstration von Roentgen-Strahlen, um Stromerzeugung am Niagarafall und das Senden und Empfangen von Texten per Kabel around the world.

Weiter heisst es:
The exhibit of electric vehicles will be by long odd the largest and best ever seen in America, and second only to the great exhibits of Paris.
This automobile exhibit bids fair to be a sensation in New York, illustrating as it will be the wonderfully wide range of application, carriages and wagons of every type being shown, with many special points of novelty and originality.

Das Angebot, das die Fabriken produzierten, reichte über den Benzinantrieb, Elektro-Antrieb, mit Dampf durch Druckluft angetriebenen Fahrzeugen, z.B. der Firma Stanley, bis zum Automobil mit Druckluftmotor.

 


 
 


 

Was sich letztendlich durchgesetzt hat, ist der Benzin- bzw. Diesel-Motorantrieb. Der Elektroantrieb füllte über Jahrzehnte nur einen Nischenplatz aus. Immer wieder wurde von schwer lösbaren Problemen gesprochen.

Aufgrund der Umweltbelastung und der falschen Abgaswerte, vor allem bei Volkswagen, scheinen als Alternative neuerdings neben dem Hybrid-Antrieb elektrisch angetriebene Fahrzeuge die Zukunft zu sein. Allerdings sind die Probleme mit markenspezifischen unterschiedlichen Ladestationen, die zudem immer noch zu selten zu finden sind, gravierend. Der schnelle Austausch on Batterien, wie vor 100 Jahren praktiziert, ist nicht im Gespräch. Als neue Erkenntnis wurde publiziert, dass sich das elektrisch betriebene Automobil vor allem für das Fahren in Städten eigne und andere Antriebe für Langstrecken. Mit Wasserstoff angetriebene Fahrzeuge gibt es, z.B. in den Niederlanden auch schon im regulären Strassenverkehr.

Fast alles davon ist schon mehr vor mehr als 100 Jahren thematisiert worden! Sogar eine Lösung für die Stromversorgung wurde aufgezeigt:

 


 

Es scheint so, dass es der Automobilindustrie in erster Linie darauf ankam, neben sicheren immer schnellere Autos zu bauen. Das wird nicht zuletzt auch durch die Veranstaltungen von Autorennen deutlich. Aus den benzinbetriebenen Motoren soll immer mehr herausgeholt werden. Dass durch die Massen-Mobilisierung der breiten Öffentlichkeit im regulären Strassenverkehr die Geschwindigkeit eher nebensächlich ist, weil viele Autofahrer Stunden im Stau verbringen müssen, war wohl nicht voraussehbar? Dass es dabei immer mehr Umweltbelastungen durch Abgase, Reifenabrieb usw. gibt, wohl auch nicht?

Ich komme nicht umhin zu erwägen, ob sich die Automobilbranche nicht über Jahrzehnte hinweg auf ihren Lorbeeren ausgeruht hat, statt Forschung für dringend erforderliche Alternativen zu betreiben!

Quellen:
Das Neue Universum, Jahrbuch 21. Jahrgang, 1901, Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart, Berlin, Leipzig (Text und alle Darstellungen), hier: Motorräder und Motrowagen. S.68ff.
Scientific America, An Images Graphique Book, First printing November 1977, New York, USA (Faksimile), S. 300 f.

 


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