Textatelier
BLOG vom: 22.11.2017

Novembertage

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache,
Viersen/Deutschland


Der November, herbstlicher Regenmonat,
Totengedenken: Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag, Totensonntag.
Nicht nur Totengedenken, Gedanken an die eigene Sterblichkeit,
an das Lebensende, dem Ablauf der biologischen Uhr,
und nichts, was es aufhalten kann - nichts und niemand.
Sollen wir deshalb büssen und beten? Unsinn!

Wenn schon November, dann die Trübsal vertreiben:
hat man deshalb den 11.11. als Beginn des Karnevals festgelegt?
Statt Trübsal zu blasen, ins Blechinstrument blasen,
bis die rhythmischen Klänge das Dunkle vertreiben.

Aber nicht nur wegen des Karnevals.
Das Fest des St. Martin wird gefeiert:
Jahr für Jahr machen die Kleinen in Begleitung
ihrer Eltern den Laternenumzug,
singen zur Blasmusik das Lob des Heiligen, lauschen ihm,
der auf einem Ross den Zug begleitet bis zum lodernden Lagerfeuer,
erleben den armen Mann, dem er ein Stück seines Mantels gibt,
weil der doch so arm ist.
Und nehmen dann die prall mit Süssigkeiten gefüllte Martinstüte
in Empfang, mit strahlenden gierigen Gesichtern.

Am nächsten Tag komme ich ins Spiel: es ist mein Geburtstag.
Freude über alle, die daran denken, Grüsse schicken, anrufen,
Vorbeikommen zum Kaffeeschmaus. Immer wieder ist es schön,
zu erfahren, wie viel Wertschätzung mir entgegengebracht wird.
Das tut gut und gibt ein wohliges Gefühl, ich gehöre dazu.

Und sonst: Herbstwetter, kühl, lausig, ungemütlich,
es nieselt, regnet, frischt auf, die Sonne macht sich rar,
die Tiefdruckgebiete, die kommen und gehen nicht.

Aber es gibt Lichtblicke: das mir geschenkte Buch,
druckfrisch aus der Presse. Peter Handke, Die Obstdiebin,
ein weiterer Roman meines Lieblingsautors.

Ich bin noch am Anfang,
nehme seine ellenlangen Sätze in mich auf, lasse sie wirken,
die Gedanken schweifen zu eigenen Erinnerungen,
die sich verknüpfen mit seiner sprachlichen Meisterschaft.

Die Welt, das war die Dreiecksgeschichte
zwischen einem selber, der Natur und den anderen.

Der Autor hilft mir, die Natur intensiver wahrzunehmen,
Pflanzen und Tiere zu beobachten:
Die Kohlmeisen, die sich die ihnen dargebrachten Körner
holen, flüchten vor den Amseln und vor allem vor den Elstern,
aber es bleibt noch etwas übrig:
kaum sind sie weg, kommen die Kohlmeisen,
ab und an auch einmal ein Rotkehlchen
oder eine Mönchsgrasmücke. Sich immer vergewissern,
ob keine Gefahr droht, sogar beim Picken. Es scheint,
ein hektisches Leben, immer verbunden mit dem Fluchtinstinkt.
Am nächsten Morgen ist die Schüssel leer.
Waren es die gefrässigen Elstern?

Die Kaninchen sind seltener geworden.
Ein Bussard hat sich eines frech mitten im Garten gepackt
und ist damit davongeflogen.
Kein gemütliches Mümmeln mehr auf der Wiese.

Und die anderen? Sie gehen ihren Tagesgeschäften nach.

Beim Yoga atme ich tief und bewusst,
spüre die Spannung in meinem Körper,
Lasse die gefalteten Hände vor mein Herz sinken. Namasté.

Einen Moment bin ich eins: mit, mir, mit der Natur
und den anderen. Ich spüre die Ruhe in mir.

Auch das ist November. Bald ist er vorbei
und wie jedes Jahr verbreitet sich Hektik zur Vorbereitung auf Weihnachten.
Lasst mich weiterlesen!

 


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