Textatelier
BLOG vom: 01.10.2005

„Crash. Boom. Bang“: Kein Mittel gegen Hollywood-Schund

Autorin: Lislott Pfaff

Wie am 16. September 2005 im Blog „Crash. Boom. Bang: Hollywoods Kriegsverherrlichung wirkt“ berichtet worden ist, haben 9 initiative Schüler von Liestal eine neue „Schülerzeitung“ gestaltet. In der ersten Nummer ist neben sehr gelungenen Beiträgen eine „Review“ zu einem „DVD-Set“ abgedruckt, in dem die ersten Worte „Crash - Boom - Bang!“ sind und die amerikanischen Kriegshelden des 2. Weltkriegs (hier die „Elite-Fallschirmjäger-Truppe Easy-Company“) sowie die Stars der einschlägigen Filme wieder einmal verherrlicht werden. Das ist so üblich, und man kann den Schülern, die ins System eingebunden sind, deswegen nichts vorwerfen. Ich fand nur, dass man das nicht auf sich beruhen lassen sollte. Ich schrieb einen Leserbrief an die junge Redaktion der „Schülerzeitung“, der nicht demotivieren, sondern zum Denken anregen sollte. Er ist im erwähnten Blog im Wortlaut zitiert.

Dieser Leserbrief wurde immerhin zur Kenntnis genommen, und der Autor des kritisierten Textes bedankte sich per E-Mail im Namen der Redaktion dafür. Zu meinen Bedenken hinsichtlich der Verherrlichung der im 2. Weltkrieg eingesetzten amerikanischen Elitetruppen schrieb der Schüler, er sei sich der Kriegsschrecken bewusst, aber schliesslich könne ja in einer Geschichte über eine US-Spezialtruppe nicht über das Massaker von Stalingrad berichtet werden. Er könne ja nichts dafür, dass in der Filmbranche hauptsächlich von US-Truppen die Rede sei. Es sei ihm nicht darum gegangen, die Heldentaten der amerikanischen Armee „darzustellen und anzupreisen“, sondern die „Machart und Qualität“ des Films zu beurteilen, zum Beispiel die gut gestalteten Kulissen. „In einer Serie entwickelt man nun mal eine Sympathie für bestimmte Figuren.“ Ein kritischer Text hätte wohl den Rahmen gesprengt und wäre eher etwas für die Kolumnisten gewesen, fügte er bei. Er sei jedoch kein Kolumnist. Er werde aber künftig vor dem Verfassen eines Beitrags für die Schülerzeitung „zuerst kräftig nachdenken“.

Damit wurde meine Erfahrung wieder einmal bestätigt, dass wir in der Schweiz und auch in den übrigen Ländern Europas von der amerikanischen Werbemaschinerie glatt überrumpelt werden. Und besonders anfällig gegenüber solchen kulturellen Manipulationen ist natürlich die Jugend. Ich ging auf die Argumente des betreffenden Schülers nicht mehr ein, machte ihn aber darauf aufmerksam, dass Leserbriefe in der Regel geschrieben werden, um in der betreffenden Zeitung abgedruckt zu werden. Ob nicht auch die Schülerzeitung, fragte ich schüchtern, sich an diese journalistische Gepflogenheit halten wolle.

Die Antwort kam mail-wendend: Die Schülerredaktion habe anfänglich meinen Leserbrief tatsächlich veröffentlichen wollen. Indessen hätten die Leiter und Lehrer des Freifachs „Schülerzeitung“ gefunden, es genüge, wenn der kritisierte Autor mit einer persönlichen Mail reagiere. Daraufhin schrieb ich diesem Schüler – mit Kopie an die offizielle Mailadresse der Zeitungsredaktion –, dass ich mit Enttäuschung dies feststellen müsse: Die Redaktion sei ja in ihrer Tätigkeit gar nicht unabhängig.

Die ganze Sache hat mich sehr beschäftigt. Ich bin der Ansicht, dass man vor allem bei der Jugend anfangen muss, wenn man einen für unsere Demokratie wichtigen Wert wie die Meinungsfreiheit fördern will. Die Schülerredaktion hatte ja in diesem Sinne sehr tolerant reagiert, indem sie meinen Leserbrief veröffentlichen wollte. Man kann jedoch von jungen Menschen nicht erwarten, dass sie sich gegen eine von Lehrern geforderte Einschränkung ihrer redaktionellen Unabhängigkeit auflehnen, dazu fehlt ihnen die Erfahrung. Aber von den Erziehern dieser jungen Menschen sollte man doch erwarten können, dass sie als leitende Kräfte der redaktionellen Tätigkeit der Schüler grössten Freiraum gewähren und nur dann korrigierend eingreifen, wenn grob beleidigende oder äusserst vulgäre Texte in Druck gegeben werden.

Ist unsere Gesellschaft wirklich schon so weit, dass sie die US-Kultur made in Hollywood unbesehen akzeptieren muss? Kann man von unserer Lehrerschaft kein Gegensteuer erwarten, und müssen sich junge Menschen dem engstirnigen Diktat von offenbar amerika-gläubigen Erziehern beugen – nach dem uralten Motto: „Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will“?

Hier wurde nach meiner Meinung Autorität am falschen Ort ausgeübt, und ich hoffe, dass auch die betroffenen Lehrer von dieser Meinung wenigstens Kenntnis nehmen werden.

Hinweise auf Blogs zum Thema Hollywood

 

16. 09. 2005: „Crash. Boom. Bang: Hollywoods Kriegsverherrlichung wirkt“

11. 09. 2005: „Reflexionen über religiöse Dimensionen der US-Kriegswut“

11. 07. 2005: „Wie man den Kindern das Töten und Schlagen beibringt“

07. 07. 2005: „Deep Impacts: Der Krieg im Universum dauert an

09. 03.2005: „Top Gun: US-Armee führt in Hollywood Regie“

28. 02. 2005: „Oscars, Césars, goldene Himbeeren und fauler Zauber“

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