Textatelier
BLOG vom: 27.06.2006

Discounter-Bio-Milch und fruchtbare, furchtbare Gen-Milch

Autor: Heinz Scholz
 
Nie zuvor haben Menschen so viel Biokost gekauft wie heute. Noch nie wurde die Gentechnik so kritisch unter die Lupe genommen wie in unserer Zeit. Was gibt es Neues von der Bio-Branche und der Gentechnik? Ein Blick in diverse Zeitungen und Zeitschriften beweist, dass auf diesen Gebieten bald wichtige politische Entscheidungen anstehen. Aber auch der Verbraucher muckt auf. Er fordert eine gerechtere Verteilung der Subventionen. Dann wird noch die Frage geklärt, wie gut Bio-Kost aus dem Supermarkt ist. Zum Schluss dieses Blogs soll noch die Problematik, wie man Gen-Pflanzen wieder los wird, erörtert werden.
 
Milch von glücklichen Kühen?
Milch von glücklichen Kühen, das ist derzeit der Wunsch vieler Verbraucher. Aber wo bekommt man diese? Wer einen Bio-Bauern kennt, der kann die gute Milch direkt vom Bauernhof beziehen. Auch in vielen Frischmärkten sind Bio-Milch und Bio-Milch-Produkte im Angebot. Nun haben auch die Discounter diese Milch entdeckt. Aldi und Lidl sind jedoch auf der Suche nach dieser Milch. Noch vor Jahren fristete diese besondere Milch ein Nischendasein. Es gab jede Menge dieses Getränks, so dass es sogar herkömmlichen Produkten beigemischt werden musste. Nun ist alles anders. Der Anteil an der Gesamtproduktion ist noch gering, aber in den ersten 3 Quartalen der Jahre 2004 und 2005 stieg der Absatz um jeweils 20 %.
 
Den deutschen Bauern passen die Preise nicht, die ihnen Aldi, Lidl oder andere Discounter anbieten. „Die Discounter verhandeln knallhart, da werden um einen halben Cent hin und her erbitterte Kämpfe geführt“, so Thomas Dosch vom Bund für ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Zurzeit bekommt jeder Bio-Bauer 34 Cent für einen Liter Milch. Notwendig wären jedoch 40 bis 45 Cent pro Liter, um kostendeckend wirtschaften zu können.
 
Mein Bio-Bauer hat keine Hochleistungskühe im Stall und liefert seine Milch an viele zufriedene Kunden aus. Er wirtschaftet umweltfreundlich; die Kühe bekommen nur das Futter, das der Hof liefert, und der Verbraucher bezahlt ohne Murren einen etwas höheren Preis. Alle sind zufrieden, die Kühe, der Landwirt und die Verbraucher. Die Discounter haben das Nachsehen.
 
In anderen Ländern bekommen die Landwirte mehr Zuschüsse. So erklärte der Discounter Lidl, er wolle seine Bio-Milch aus Dänemark beziehen. Die Breisgau-Milch in Freiburg ist in der glücklichen Lage, keine Milch an Discounter verkaufen zu müssen, da die Nachfrage bei der Bevölkerung gross ist.
 
Es ist leider so, dass auf Grund der geringen Erzeugerpreise viele Bauern die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft vergällt wird. Ausserdem werden in der 2-jährigen Übergangsfrist von herkömmlicher zu ökologischer Landwirtschaft keine staatlichen Zuschüsse mehr gezahlt. Auch dürfen die Bauern ihre Produkte in der Übergangszeit nicht als Bio-Lebensmittel vermarkten. Kein Wunder, dass der Zuwachs an Bio-Bauern im vergangenen Jahr nur 0,1 % betrug. Hier muss bald etwas geschehen, da die Nachfrage nach Bio-Produkten boomt.
 
Gen-Milch macht furchtbar fruchtbar
Umsatzstarke Handelsketten wie WalMart und grosse Molkereien wie Dean Foods sind in den USA verzweifelt nach der Suche nach Milch, die ohne Wachstumshormone hergestellt wird. Warum dieses Umdenken? Schuld sind die Verbraucher, die keine Milch von Kühen haben wollen, die mit dem gentechnisch hergestellten Rinderwachstumshormon behandelt wurden. Der New Yorker Gynäkologe Gary Steinmann vom Long Island Jewish Medical Center hat nämlich herausgefunden, dass die Mehrlingsgeburten in den USA stark zugenommen haben. Frauen, die solche Gen-Milch aufnahmen, bekamen 5 Mal mehr Zwillinge als Veganerinnen. Dazu muss man sagen, dass in jeder Kuhmilch der Wachstumsfaktor IGF-1 enthalten ist. Dieser Stoff wird in der Leber gebildet und ist für die Reifung von Eizellen wichtig. Und nun kommt es: Das Wachstumshormon verstärkt die Produktion von IGF-1.
 
Der Gynäkologe rät allen Frauen mit Kinderwunsch, eine solche Milch nicht zu trinken und auch Fleisch von solchen Tieren nicht zu verzehren, da Mehrlingsgeburten häufiger zu Komplikationen und Frühgeburten führen.
 
Es ist erfreulich, dass jetzt immer mehr Molkereien in den USA von ihren Bauern verlangen, auf das Wachstumshormon zu verzichten. Und was macht Monsanto? Die Firma senkte den Preis für das Wachstumshormon. Die Manager spekulierten wohl, dass vielleicht so mancher Bauer doch ihr Gen-Hormon verwendet, um die Milchleistung seiner Kühe zu vermehren. Vielleicht sind jedoch die Bauern schlauer und verzichten ganz auf dieses „fruchtbare“ Hormon (ich wollte schon „furchtbare“ schreiben; das wäre sicherlich treffender gewesen!).
 
Verbraucher wollen eine saubere Landwirtschaft
Es ist unglaublich, aber wahr: Die deutsche Agrarwirtschaft bekommt von der EU 6 Milliarden Euro an Subventionen. Wer was bekommt, ist ein Geheimnis. Inzwischen fordern 27 Organisationen aus Umwelt- und Tierschutz, Landwirtschaft und Entwicklungspolitik, wie www.naturkost.de berichtet, eine Offenlegung der Verwendung von Agrarsubventionen. Wer anfragt, bekommt keine Antwort. Dies finde ich grotesk. Als Steuerzahler möchte ich gern wissen, wohin mein Geld fliesst. Nun will eine Kommission in Brüssel durchsetzen, dass jeder Mitgliedsstaat eine Offenlegung von EU-Geldern machen muss. Das finde ich schon längst überfällig. Bisher sind nur 11 europäische Länder transparent.
 
Eine Verbraucherumfrage ergab kürzlich, dass 96 % eine saubere Landwirtschaft wünschen. Es sollen nämlich nur die Bauern Zuschüsse bekommen, die umweltfreundlich anbauen und ihre Tiere artgerecht halten. Dazu die WWF-Agrarexpertin Tanja Dräger de Teran: „Die Verbraucher wollen ein völlig neues Subventionssystem. Mit ihren Steuern soll keine industrielle Massenproduktion bezahlt werden.“ Dieser Meinung bin ich auch. Es wird an der Zeit, solche Produktionen nicht mehr zu fördern. Wenn der Geldregen versiegt, stellen bestimmt eine ganze Reihe Betriebe um; das ist meine feste Überzeugung.
 
„Die Politik tut gut daran, die Förderung der Landwirtschaft an ökologische Kriterien zu binden, sonst gibt es ein böses Erwachen“, warnt die genannte WWF-Agrarexpertin. Bis 2015 könnte Deutschland nicht mehr die Umweltziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie infolge der Nährstoffbelastung durch die Landwirtschaft erfüllen. Es ist an der Zeit, dass für die Landwirte Anreize geschaffen werden umweltfreundlich zu produzieren. Wenn nichts geschieht, dann sehe ich schwarz.
 
Der Überproduktion von Wein gegensteuern
Die EU will etwas gegen die heimische Überproduktion an Wein unternehmen, wie die „Badische Zeitung“ am 23. Juni 2006 vermeldete. Die dänische Kommissarin Mariann Fischer Boel stellte kürzlich ihre Pläne vor. Das EU-Weinbudget von rund 1,2 Milliarden Euro soll nicht reduziert, aber anders verteilt werden. So flossen beispielsweise bisher 0,5 Milliarden Euro in die Destillierung von überschüssigem Wein zu Alkohol. Nun sollen Winzer für die freiwillige Rodung von 400 000 Quadratmetern Rebflächen 2,4 Milliarden Euro erhalten.
 
Der Deutsche Weinbauernverband kritisiert diese Pläne. Sollte das Rodungsprogramm greifen, steigen die Importe aus Übersee. Auch wird wahrscheinlich ein Verschnitt von Drittlandweinen mit europäischen Weinen erlaubt. Ich finde, die Amerikaner und andere Länder, die Industrieweine herstellen, sollten ihr Gesöff behalten und selber trinken.
 
Wie gut ist Bio-Kost aus dem Supermarkt?
Das Boulevardblatt „Bild“ stellte diese Frage und liess Fachleute antworten. Thomas Dosch dazu: „Discounter-Bio wird nach EU-Qualitätsrichtlinien produziert und kontrolliert. Damit ist europaweit ein Mindeststandard der Ware gesichert.“ Er findet die Ware nicht schlecht. Die Discounter bieten zurzeit 40 Bio-Produkte an. Weniger schön für die Erzeuger ist der Preisdruck der Discounter. Dies gilt nicht nur bei Milch, sondern für alle Bio-Produkte. Ich finde, das sollte der Verbraucher wissen.
 
Wodurch unterscheidet sich Billig-Bio von den teuren Produkten in anderen Geschäften? Nun, der Standard bei Demeter, Neuform und Bioland ist wesentlich höher als die EU-Kriterien. „Das kommt vor allem der Umwelt und dem Tierschutz zugute“, so Thomas Dosch. Die Tiere haben mehr Platz, das Ausbringen von Dünger wird strenger geregelt. Die Verwendung von Blut-, Fleisch- und Knochenmehl ist verboten. Die weniger strenge EU-Verordnung erlaubt diese Düngersorten für die Discount-Bio-Ware. Es gibt also Unterschiede bei den Bio-Produkten.
 
Laut einer Umfrage von „focus“ (Nr. 24, 2006) geniessen Discounter bei Bio wenig Glaubwürdigkeit. 71 % bevorzugen den Hofladen, 67 % den Naturkostladen, das Reformhaus und den Biosupermarkt, 63 % den Wochenmarkt, 36 % den herkömmlichen Supermarkt und 23 % den Lebensmitteldiscounter (Mehrfachnennungen).
 
Interessant ist der Marktanteil bei Biolebensmitteln (Veränderung 2004 zu 2005 in %): Discounter + 51 %, Verbrauchermärkte + 23 %, Bioladen, Biosupermarkt +22 %, Lebensmitteleinzelhandel + 7 %, andere Fachgeschäfte + 2 %, Wochenmarkterzeuger –7 %. Erstaunlich ist, dass trotz Imageproblem Billig-Bio 2005 am stärksten wuchs.
 
Chiquita: Nicht bio und nicht fair
Der US-Bananen-Multi Chiquita wirbt mit dem Frosch und dem Siegel der Umweltorganisation Rainforest Alliance seit November 2005 in Zeitschriften und Magazinen mit den Schlagzeilen „Bananen können Bäume pflanzen!“ und „Bananen können Flüsse schützen!“ Im unteren Teil der Anzeigen steht: „Chiquita. NATÜRLICH – DAS BESTE!“
 
Die ganzseitigen Anzeigen täuschen den Verbraucher, da die Prädikate „bio“ oder „fair“ nicht zutreffen. Es wurden zwar bei jeder einzelnen Bananenfarm Massnahmen durchgeführt, um den Regenwald zu schützen. Auch wurden Filter installiert, damit das zum Waschen der Bananen verwendete Wasser wieder sauber in die Bäche und Flüsse fliesst. Diese Umweltschutzmassnahmen finde ich begrüssenswert.
 
Es sind jedoch weiterhin Monokulturen da; auch werden immer noch grosse Mengen Pestizide versprüht. So kommen etwa 40 kg Pestizide auf jede Hektare zur Anwendung. In Costa Rica sind es sogar 60 kg pro Hektar. Zum Vergleich: Ökologische Landwirtschaft kommt ohne synthetische Spritzmittel aus.
 
Der Bananen-Multi zahlt auch den Zulieferern keine festen Mindestpreise, wie das im fairen Handel üblich ist. Rainforest Alliance hat auch etwas dagegen, eine Vorfinanzierung zu leisten oder langfristige Geschäftsbeziehungen einzugehen. Andere Fair-Handelsorganisationen kritisieren, dass es bei der genannten Umweltorganisation keine transparenten Zertifizierungsverfahren für Betriebe gibt. Das Umweltlogo findet Daniel Hausknost, Sprecher der österreichischen Umweltorganisation Global 2000, „schlicht irreführend!“
 
Ich finde, dass man genau hingucken muss, um solche Werbekampagnen zu entlarven. Auch sollten solche Inserate nicht in Zeitschriften erscheinen, die sich eine gesunde Lebensweise und den Umweltschutz auf die Fahnen schreiben, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren wollen.
 
Probleme mit Gentech-Soja
Wie Brigitte Zarzer in TELEPOLIS (14.06.2006) berichtet, mehren sich nicht nur in Argentinien die Probleme mit Gentech-Soja, sondern auch in Rumänien. Die Rumänen wollen demnächst aussteigen. Das hören die Chefs von Monsanto nicht gerne, die ihr Roundup Ready-Soja auf den Markt bringen. In Argentinien verdienten durch den vermehrten Sojaanbau nur die Grossgrundbesitzer. Die Kleinbauern wurden vertrieben, und es erfolgte eine massive Rodung. Zudem laugte das glyphosathaltige Roundup die Böden aus. Nach Schätzungen der Fachleute von der Universität Buenos Aires entzog der Sojaanbau dem Boden allein im Jahre 2003 rund eine Million Tonnen Stickstoff und 227 000 Tonnen Phosphor. Es entstanden ein „verwildertes Soja“ und Round-up-resistente Unkräuter. Syngenta witterte das grosse Geschäft. Dieses Schweizer Unternehmen brachte ein eigenes Spritzmittel auf den Markt, um die Probleme zu lösen. Es empfahl das Herbizid Gramoxone, das wegen seiner Giftigkeit in der Schweiz und einigen EU-Ländern verboten ist. Die Schweizer Biologin Florianne Koechlin entdeckte einen Werbespruch von Syngenta in Argentinien, der lautete: „Soja ist ein Unkraut.“ Und „Unkräuter“ müssen ja ausgerottet werden. Es ist den Konzernbossen egal, wie die Umwelt vergiftet wird. Hauptsache: Der Rubel rollt.
 
In Rumänien gibt es inzwischen bis zu 90 % Gentech-Sojapflanzen. Da Rumänien unbedingt in die EU möchte, müssen sie das Problem mit dem Gentech-Soja lösen. In der EU ist die Anpflanzung noch verboten. Monsanto will jetzt alle Register ziehen, um auch in der EU Fuss zu fassen. Hoffentlich bleiben die Europäer in diesem Bereich starrköpfig.
 
Es stellt sich nun die Frage, wie man die Gentech-Soja wieder los wird. Das ist nicht so einfach. Es gibt nämlich kaum Untersuchungen, wie lange Transgene im Boden überdauern. Auf jeden Fall will sich der rumänische Staat an die EU-Vorschriften halten und den Anbau von Gentech-Soja unterbinden. Dieses Vorgehen sollte man, falls notwendig, mit finanziellen Mitteln unterstützen.
 
Es ist gut, wenn solche Probleme publik werden. Monsanto und Syngenta sind jedoch nur zu packen, wenn der Verbraucher mitspielt und Gen-Produkte konsequent ablehnt. Auch die Landwirte wurden inzwischen eines Besseren belehrt und glauben jetzt nicht mehr alles, was die Lobbyisten der Saatgutkonzerne ihnen ins Ohr flüstern.
 
Infos im Internet
www.naturkost.de (Agrarsubventionen offen legen, Verbraucher wollen saubere Landwirtschaft, Gen-Milch macht fruchtbar)
www.bild.t-online.de (Wie gut ist Bio-Kost aus dem Supermarkt?)
www.telepolis.de/r4/artikel/22/22879/1.html (Soja ist ein Unkraut; Heise Zeitschriften-Verlag)
 
Infos in Zeitungen
„Mangelprodukt Biomilch“, „Badische Zeitung“ vom 22.06.2006
„Ist Bio wirklich besser?“, „Megatrend gesund essen“, Nr. 24, 12. Juni 2006.
 
Buchhinweis
Scholz, Heinz: „Richtig gut einkaufen. Die moderne Lebensmittelkunde für den Alltag“ (u. a. mit aktuellen Infos über Bio-Kost und Gentechnik), Verlag Textatelier.com, CH-5023 Biberstein, Oktober 2005, ISBN 3-9523015-15, 19,50 Euro (29.50 CHF). Das Buch wird versandkostenfrei ausgeliefert.
 
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