Textatelier
BLOG vom: 12.07.2006

Der ungeliebte Gast: Die teuerste Grillparty der Welt für Bush

Autor: Heinz Scholz
 
Die vergangene euphorische Fussball-Weltmeisterschaft 2006 stand unter dem Motto „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Nun steht der Besuch eines weiteren Gasts bei Freunden bevor: Es kommt George W. Bush, denn er möchte endlich die Heimat seiner Freundin Angela Merkel, ihres Zeichens deutsche Bundeskanzlerin, kennen lernen. Nun herrscht in Mecklenburg-Vorpommern emsige Geschäftigkeit. Denken Sie ja nicht, die Bevölkerung besorge sich Fanfaren und Fahnen, um den Präsidenten freudig zu begrüssen, nein, es sind 30 Sicherheitsleute aus den USA und einheimische Polizisten dabei, allein um die Altstadt von Stralsund und die umliegende Gegend zu sichern.
 
Betrachten wir einmal, was hier derzeit passiert: Dort, wo die Präsidenten-Kolonne durchfährt, müssen sämtliche Fenster geschlossen sein, alle Müllbehälter, Fahrräder, Kübel und Autos in die Häuser oder Hinterhöfe verbannt werden. Alle Querstrassen, die über die Strecke führen, sind 15 Minuten vor der Durchfahrt für den üblichen Verkehr gesperrt. Aber damit noch nicht genug. Wie Focus Online am 10. Juli 2006 berichtete, werden 2200 Gullydeckel (Schachtdeckel)  in der Hansestadt Stralsund und auf der Fahrtstrecke zwischen der Marinetechnikschule in Parow und der Stralsunder Altstadt zugeschweisst oder versiegelt. Zuvor sind die Polizisten dabei, die Gullys zu kontrollieren. Es könnte ja ein Böser auf die Idee kommen, darin Sprengstoff zu verstecken.
 
Auch in Heiligendamm wurden um das Hotel, in dem Bush nächtigen wird, Stacheldrahtrollen platziert. Ein Urlauber, der sich in der Nähe des Hotels am Strand sonnte, wurde von einem Reporter der „ZDF-heute-Sendung“ befragt. „Ich fühle mich vom Westen in den Osten versetzt“, stellte er fest. Im Hintergrund sah man den Stacheldraht vor dem Hotel. Es sah so aus, als beginne dort der Eiserne Vorhang. Auch das Dorf Trinwillershagen („Trin“ genannt) wurde zu einem Hochsicherheitstrakt.
 
Lockeres Schweinebraten mit Polizistenheeren
Insgesamt 12 000 Polizisten sollen Bush beschützen, wenn er vom 12. bis 14. Juli 2006 nach Stralsund und ins Ostseebad Heiligendamm kommt, ein Hinweis auf die Beliebtheit des Gasts. Abschliessend wird in Trinwillershagen ein grosses Grillfest veranstaltet. Dort kommt eine Wildsau auf den Grill. 50 handverlesene Gäste werden um die Wette schmatzen und trinken. Bush möchte auch hier Angela Merkels Anekdoten aus der DDR lauschen. Bei diesem Grillabend soll es „bewusst locker“ zugehen. Spiegel online bezeichnet diese Veranstaltung als „die teuerste Grillparty der Welt“.
 
Die Kosten des Staatsbesuches werden auf 12 Millionen Euro geschätzt. Für dieses Geld hätte man 1 Jahr lang etwa 300 Arbeitern einen Lohn bezahlen können. Aber was solls, Bush ist ja zu Gast bei Freunden. Und was tut man nicht alles für Freunde!
 
Eine herrliche Karikatur war in der „Badischen Zeitung“ abgebildet. Haitzinger karikierte den Grillabend wie folgt: Angela Merkel schwingt die Gabel und reicht dem Bush ein Stück vom gegrillten Wildschwein. Neben Bush ist eine Flasche Bier zu erkennen. Im geringen Abstand um die beiden stehen, kreisförmig angeordnet, schwerbewaffnete Polizisten und schützen diese vor möglichen Angreifern. Die Bildunterschrift lautete: „Zu Gast bei Freunden.“
 
Der Staatsbesuch soll jedoch nicht nur Vergnügen bereiten. Wie Spiegel online berichtete, werden auch Gespräche über Iran und G8 geführt. „Es soll nicht der Eindruck entstehen, man gebe Millionen Euro nur zum Vergnügen aus“, wurde von Veranstalterseite mitgeteilt. Politiker bekräftigten, das Treffen werde „ein wichtiger Akzent unserer Aussenpolitik sein“.
 
Keiner will und mag Bush
Politiker der Linkspartei und PDS (diese koalierten mit der SPD in diesem Bundesland) kritisieren massiv den Bush-Besuch. Die genannten Parteien lehnen die Irak- und Menschenrechtspolitik des US-Präsidenten ab. Aus diesem Grunde beteiligen sich die Parteien und einige Mitglieder anderer Parteien an Anti-Bush-Protesten. 5000 Demonstranten werden erwartet.
 
Man findet kaum einen Bewohner, der dem Besuch positiv gegenübersteht. In der „Ostsee-Zeitung“ schrieb ein Leser, Bush sei ein Repräsentant „der aggressivsten Kräfte der US-Politik“, und ein anderer empfiehlt, wie Spiegel online berichtet, man solle doch noch einmal mit Bush reden, „damit er zu Hause bleibt“. Der wird sich hüten, die Angela vor den Kopf zu stossen.
 
Eine Rentnerin aus diesem Ort: „Bush und Merkel müssen erst gar nicht kommen, die mag hier keiner. Kostet nur Geld.“
 
In Trinwillershagen bei Stralsund war ein Jäger auf der Pirsch. Er versuchte, ein Wildschwein für Bush zu schiessen. Fröhlich verkündete er, dass er ein Tier jetzt vor die Flinte bekommen habe. Das Tier tut einem Leid, es hätte ein besseres Ende verdient.
 
Im Garten von Olaf Micheel (er hat das Wildschwein geschossen) soll gespeist werden. In diesem Lokal wurde vor einem Jahr Angela Merkel zur CDU-Spitzenkandidatin gewählt. Auch damals gab es gegrilltes Wildfleisch. Bush soll sich wie im Wilden Westen bzw. auf einer Ranch fühlen, wozu auch Schusswaffen gehören.
 
Kritik wird Bush wohl zu hören bekommen. So möchte der Pastor der Nikolaikirche in Stralsund dem Präsidenten erklären, dass der Altar ein Mahnmal gegen den Krieg sei. Auch der Bürgermeister von Trinwillershagen möchte darauf hinweisen, dass sich Probleme der Welt nicht mit Krieg lösen lassen.
 
Warum besucht G. W. Bush Deutschland?
Markus Günther schrieb in einem Leitartikel der „Badischen Zeitung“, dass Deutschland unter Merkels Führung für Bush inzwischen ein wichtiger Trumpf sei. Das komme daher, dass wichtige Partner wie Aznar und Berlusconi abhanden gekommen sind und auf Tony Blair und Putin auch kein Verlass mehr ist. Bush hat zu Schröders Zeiten eine unbeschreibliche Arroganz gezeigt, und Gerhard Schröder mochte ihn nicht leiden. Nun soll alles anders werden. Vielleicht vertieft sich die wunderbare Freundschaft zwischen Bush und Merkel noch ...
 
Aber lassen wir den genannten Leitartikler zu Wort kommen: „BushsInteresse an Deutschland erklärt sich aus den veränderten Machtverhältnissen im Weissen Haus: Rumsfeld und Cheney, die strategischen Köpfe hinter dem Irak-Krieg und der rabiaten Aussenpolitik, sind zwar noch im Amt, haben aber nur noch wenig Einfluss auf Bush. Es ist Condoleezza Rice, die jetzt das tut, was Colin Powell nie geschafft hat: Sie erklärt dem Präsidenten, wie Aussenpolitik funktioniert.“
 
Wenn das stimmt, ist George Walker Bush ein gelehriger Schüler von ihr. Er ist innen- und aussenpolitisch geschwächt und braucht neue starke Freunde, nachdem ihm die alten verständlicherweise abhanden gekommen sind.
 
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