Textatelier
BLOG vom: 20.08.2009

Geschafft! Schuppen wurde in 6 Etappen entrümpelt

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Heute Morgen sitze ich in meinem entrümpelten Schuppen hinter einem alten Schulpult aus Eiche mit Klappdeckel, unter dem ein Papiervorrat eingelagert ist. Diesmal sitze ich nicht hinterm PC, sondern schreibe mit einem Bleistift wie einst.
 
Vor einer Woche konnte ich meinen überfüllten Schuppen nicht betreten. In England entschliessen sich viele Leute ab einem gewissen Alter zum „downsizing“ – sie wechseln von ihrem geräumigen Stadthaus in einen Bungalow irgendwo auf dem Land, vorzugsweise an der Südküste oder in Wales. Dieser Wechsel bedingt ein „decluttering“, d. h. das Loswerden von Möbeln und angestautem Ramsch aller Art.
 
Etappe 1: Das Altpapier
Wo wir wohnen, bleiben wir, dort gefällt es uns am besten auf dem Hügel von Wimbledon. Dort haben wir Platz – ein Luxus heutzutage. Ich begann mit dem Aufräumen zuerst im Haus und füllte Plastiksäcke mit alten Geschäftspapieren aller Art, die teils vor das Zeitalter des PCs zurückreichen. Ich erlöste Ordner um Ordner vom bedruckten Papier. Nein, ich durfte mich dabei nicht ablenken lassen. Schwupps, stopfte ich wieder einen Stoss Altpapier in den Sack. Begrub ich damit meine berufliche Vergangenheit? Nein! Wesentliche Texte bleiben weiterhin im PC eingelagert. Niemand kräht nach dem Rest der Papierflut. Das angesammelte Papier wiegt schwer. Ich reihte Sack an Sack. Ich wundere mich, dass der Boden unter dieser Last nicht eingestürzt ist. Ein kräftiger Jüngling wird mir helfen, diese Säcke zum Vorplatz zu schleppen, damit der private Abfuhrdienst sie abholt und in die Riesentonnen der lokalen Abfalldeponie wirft.
 
Etappe 2: Der Schuppen
Nach 2 Tagen hatte ich mich von diesem Teil des Papierballasts befreit. Ich musste mich für diese „Schwerarbeit“ belohnen. Wir sind hier mitten in der Brombeerzeit. So ging ich zum Wimbledon-Common gegenüber und wusste genau, wo die saftigen Beeren sind – die allersaftigsten zwischen den hochgeschossenen Brennnesseln versteckt. Im Nu hatte ich genug fürs Dessert nach dem Abendessen im Garten gesammelt, im Joghurt zum Brei zerquetscht.
 
Anderntags, am Mittwoch, musste ich mich sputen, da der Abholdienst am frühen Donnerstagnachmittag vorfährt. Zum Glück hielt das gute Wetter an. Am frühen Morgen öffnete ich die Schuppentüre und hätte am liebsten Reissaus genommen. Stattdessen schleppte ich Kartonschachteln, vollgestopft mit Büchern, Auktionskatalogen, Lehrbüchern, Konferenzunterlagen, Reiseprospekte, Magazine u. a. m. vom Schuppen auf den Rasen. Hinzu kamen ausgediente Ständerlampen, Sitzmöbel und verrottete Bilderrahmen. Die Gestelle an den Wänden waren vom Übergewicht von Büchern eingesackt. Eigentlich hätte ich wissen sollen, dass auch ein Schuppen regelmässig gelüftet werden muss. Der Modergeruch stieg mir in die Nase. Viele der Bücher waren vom Schimmel überzogen. Nebst der Feuchtigkeit hingen viele Spinnennetze wie graue Vorhänge von den 3 Fenstern und von der Decke.
 
Ich war froh, dass meine Manuskripte sicher und leicht zugreifbar im Haus untergebracht sind. Ich entdeckte dennoch einige, die vergessen im Aktenschrank überlebt haben, worunter „Die Zwischenblende 26“ (siehe unter Etappe 6). Von diesen durfte ich mich vorderhand nicht ablenken lassen.
 
Etappe 3: Sortieren
Vor Jahren betreute ich hin und wieder übers Wochenende einen Stand in lokalen Antiquitätenmessen und verkaufte bald dieses, bald jenes dekorative Objekt einigermassen erfolgreich. Eine der Holzkisten enthielt eine in Zeitungspapier eingewickelte skandinavische Kristallvase und -schalen von bekannten Manufakturen, die als zweitrangig aus dem Haus verbannt blieben, desgleichen eingerahmte Druckgraphik aus dem Art Deco und Jugendstil.
 
Jetzt galt es, dieses „Strandgut“ in 3 Kategorien aufzuteilen: die 1. wurde zum Weiterverkauf an Händler und Sammler bestimmt, die 2. als Geschenke für John auf dem Flohmarkt vorgemerkt und die 3. zum Müll degradiert. Viele der besten „objects décoratifs“ beschworen Erinnerungen auf. Ich hatte sie in Basel, Genf, Brüssel und Paris aufgestöbert. Diese hatte ich in meiner Kartei registriert, ebenfalls im Schuppen wieder entdeckt.
 
Etappe 4: Das grosse Reinemachen
Wie vereinbart, erschien Gerald pünktlich am Donnerstagnachmittag und lud die Säcke und den Rest des Unbrauchbaren in seinen Lieferwagen. John erschien kurz darauf und war erfreut, denn die 2. Kategorie sicherte ihm einen Verdienst auf dem Ramschmarkt. Die Wiederverwertung ist zu begrüssen. Die Umwelt wird dabei nicht belastet.
 
Jetzt konnte ich den Schuppen mit Besen und Lappen reinigen, die Scheiben mit Seifenlauge blitzblank frottieren, die Gestelle entstauben, die Spinnennetze entfernen. Wie ich putzte, verglich ich diese Prozedur mit dem „inneren Dienst“ in der Kaserne als Rekrut. In Liestal (BL/CH).
 
Alle Sammelstücke, so sie es zuliessen, wurden gewaschen und säuberlich auf den Gestellen aneinandergereiht und mit Plastikfolie abgedeckt.
 
Etappe 5: Die Nachfreude
Mein Schuppen ist jetzt in eine Sommerklause verwandelt. Bei nächster Gelegenheit werde ich mir einen Laptop anschaffen, damit ich auf den Bleistiftentwurf verzichten kann. Für trübe Tage werde ich fürs Licht eine Leitung legen lassen. Hurra, die Entrümpelung ist geschafft! Mein Muskelkater wird sich bald legen. Ich frohlocke, dass ich diese überfällige „Büetz“ hinter mir habe.
 
Etappe 6: „Zwischenblende 24“
Neben mir liegt aufgeschlagen oben genanntes 197-seitiges Manuskript, in 2 Teile untergliedert: 1. „Zwischenblende 24“ und 2. „Facetten“, in London geschrieben und meinen Eltern gewidmet, am 10. März 1966 beendet. Der 1. Teil ist eine autobiographische Bestandesaufnahme meiner ersten 24 Jahre. Es ist meine Absicht gewesen, diese Bestandesaufnahme alle 24 Jahre fortzuführen. Daraus ist nichts geworden. Ich habe dieses Manuskript keinem Verleger vorgelegt. Es war zu autobiographisch eingefärbt. Ausserdem war ich mehr und mehr beruflich beschlagnahmt und habe folglich diese Arbeit bald vergessen. Mir war es wichtiger, in den Freistunden Neues zu schreiben.
 
Der 2. Teil („Facetten“) enthält eine Serie von Kurzgeschichten, wovon etliche zuerst als Feuilletons in Zeitungen erschienen sind und später auch vom Textatelier.com publiziert worden sind, worunter: „Der Dorfpfarrer“, „Als Steine von Bäumen fielen“, „Der Reklamedenker“, „Stolpernde Gedanken“, „Eskort-Agentur“.
 
Wieweit, wenn überhaupt, habe ich mich seit der Niederschrift verändert? Ich werde versuchen, diese Frage demnächst in einem Blog zu beantworten, denn ich nehme an, dass sich auch etliche Leser diese Frage gestellt haben und sich mit meiner Antwort identifizieren können – oder auch nicht.
 
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