Textatelier
BLOG vom: 31.07.2010

Staudengärtnerei Gräfin von Zeppelin mit Perückenstrauch

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Als ich kürzlich in der „Badischen Zeitung“ ein wunderschönes Bild von einem grossen Taglilienfeld in der Staudengärtnerei Gräfin von Zeppelin in Sulzburg-Laufen entdeckte, war ich fasziniert und dachte mir: Da musst du sofort hinfahren, um die Taglilien und andere Gewächse zu inspizieren und zu fotografieren.
 
Am 07.07.2010 war es soweit. Ich fuhr mit meinem Nachbarn und Wandergenossen Ewald nach Sulzburg-Laufen, das unweit von Müllheim im Markgräflerland liegt. Von Müllheim ausgehend fuhren wir Richtung Staufen über die Weinorte Zunzingen und Britzingen nach Laufen. Der Weg zur Staudengärtnerei ist leicht zu finden. Am Ortsausgang von Laufen ist das Hinweisschild nicht zu übersehen.
 
Wir parkierten am Eingang und orientierten uns an einem Lageplan. Da gibt es Areale für niedrige Stauden für Sonne, hohe Stauden für Sonne, Schattenpflanzen, Wolfsmilchgewächse, Wasserpflanzen, Rosen, Besonderheiten, mediterrane Kräuter, Iris, Strauchpfingstrosen, Taglilien. Heute umfasst laut Katalog 2010 die Gärtnerei über 2000 verschiedene Arten und Sorten. Ergänzt wird das Angebot durch eine Fachbuchhandlung, Accessoires und Terracotta-Gefässe.
 
Geschichte der Gärtnerei
Die 1905 geborene Helen Gräfin von Zeppelin (1905‒1995) – ihr Vater war ein Vetter des 2. Grades des Luftschiffkonstrukteurs Ferdinand Graf von Zeppelin – studierte in Berlin-Dahlem an der Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau. 1926 erbte sie von der Grossmutter in Laufen den Meierhof. Dieser Hof war damals ein Weingut. Sie entschied sich für den Gartenbau und gründete eine Gärtnerei zunächst in kleinem Umfang. Die Bevölkerung konnte damals Gemüsesetzlinge, Topf- und Balkonpflanzen und einjährige Kulturpflanzen kaufen. Auch die ersten Iris-Anpflanzungen waren erfolgreich. Vor Beginn des Zweiten Weltkriegs brachte die tüchtige Dame in Anlehnung an die amerikanischen Iris-Kataloge eine spezielle Iris-Preisliste und den 1. Staudenkatalog heraus. 1939 waren schon beachtliche 85 Iris-Sorten in ihrer Liste. Während des Kriegs musste auf dem Gelände vermehrt Gemüse angebaut werden. Die Gräfin Helen von Stein, wie sie nach ihrer Verheiratung hiess, überstand alle Widrigkeiten. 2 Jahre nach dem Krieg wurden bereits wieder 293 Iris-Sorten angeboten. Es gab dann eigene gezüchtete Sorten, dann folgten neben der Iris weitere spezielle Pflanzen, wie Pfingstrosen, Taglilien, Türkenmohn und Dachwurz (Sempervivum).
 
Die Gründerin war sehr kontaktfreudig. Sie kontaktierte zahlreiche Kollegen von deutschen und internationalen Staudengärtnereien, war Gast auf zahlreichen Ausstellungen und Gartenschauen. 1970 erhielt sie die Georg-Arends-Gedächtnismünze verliehen. Es ist die höchste Anerkennung des deutschen Gartenbaus. Nach einer 60 Jahre dauernden Tätigkeit im Betrieb übergab Helen von Stein die Geschäftsleitung an ihre Tochter Aglaja von Rumohr, geborene von Stein. Der Betrieb wird heute im Sinne von Helene von Stein weitergeführt.
 
„Blume des intelligenten Faulen“
Bevor ich auf der Fotojagd auf Besonderheiten durch die grosse Gärtnerei pirschte, steuerte ich das grosse Taglilienfeld an. Ich war von der üppigen Farbenpracht überwältigt. Da strahlten mich gelbe, rotgelbe, braunrote und rote Taglilien (Hemerocallis) an, dass es eine wahre Freude war.
 
Wie mir Michaela Rösler, Dipl. Ing. argr. und Betriebsleiterin, in einer E-Mail am 26.07.2010 mitteilte, sind etwa 8000 grosse Mutterpflanzen in der Gärtnerei zu sehen. Auf einem Feld ausserhalb stehen noch einmal etwa 5000 Pflanzen.
 
Die Taglilien wurden übrigens wegen ihres geringen Pflegeaufwands durch den Potsdamer Staudenzüchter Karl FoersterBlume des intelligenten Faulen“ bezeichnet.
 
Die Taglilien werden seit 4000 Jahren in China kultiviert. Um 1900 entstanden die ersten Züchtungen in Europa. Die meisten Züchtungen stammen aus den USA. Es sollen heute 58 000 Sorten existieren. Die Angaben stammen aus dem Jahre 2006. Pro Jahr kommen in der Regel über 1000 Sorten dazu.
 
Der Name Hemerocallis setzt sich aus den griechischen Begriffen hemera für Tag und kallos für Schönheit zusammen. Die Pflanze müsste also Tagschönheit heissen. Die Blüten öffnen sich am Morgen und schliessen sich am Abend. Die Blüten haben allerdings eine kurze Lebenszeit, aber die zahlreichen Blütenknospen sorgen für Nachschub.
 
Die Vermehrung der Taglilien erfolgt übrigens durch Teilung der Wurzelstöcke. Die Stücke werden an neuen Standorten eingepflanzt. Die Taglilien blühen nach 2 oder 3 Jahren.
 
Heilmittel und gut für die Küche
In China sind die Blüten eine nahrhafte und schmackhafte Speise. Wurzeln und Rhizome werden in China als Heilmittel gebraucht. Sie wirken harntreibend und entwässernd. Die jungen Blattschösslinge werden blanchiert und mit Salz und Sesamöl angerichtet. Sie gelten als Mittel, um den Seelenzustand zu erhellen und Sorgen zu vertreiben.
 
Die essbaren Trichterblüten der Taglilien ergeben eine schöne Dekoration für die Käseplatte. Man kann die Blüten mit diversen passenden Füllungen servieren. Rotblühende Sorten werden mit einer Himbeer-Sahne und gelbe Sorten mit einer Frischkäsecreme gefüllt.
 
Betrachten wir einmal die Gelbrote Taglilie (Hemerocallis fulva) näher. Über diese Art liegen Untersuchungen zu den Inhaltsstoffen und zur Pharmakologie vor.
 
Folgende Inhaltsstoffe wurden nachgewiesen: Antioxidantien (z. B. Phlomurosid, Rosceosid, Lariciresinol), Pinnatannin-Derivate, Cholin, Saponine, Hemerosid A und B, Karotin, Vitamin C und Eisen.
 
Die Zellextrakte, die Anthrachinon-Derivate enthalten, hatten im Laborversuch eine hemmende Wirkung auf die Vermehrung menschlicher Krebszellen.
 
Man darf gespannt sein, ob auch die westliche Medizin die Heilkräfte der Taglilienarten entdeckt und eines Tages nutzt.
 
Perückenstrauch, Korallenbaum, Indianernessel
Ganz in der Nähe eines Gewächshauses, etwas abseits vom Hauptweg, sah ich einen vielleicht 4 m hohen Strauch, der seltsame perückenartige Fruchtstände mit hellbraunen abstehenden Haaren hatte. Ich fotografierte diesen merkwürdigen Strauch. Später sandte ich ein Foto an die Staudengärtnerei und erhielt in einer E-Mail am 09.07.2010 von der Gärtnermeisterin Brigitte Stürzenhofecker, die für Organisation und Koordination von Einkauf, Produktion und Versand zuständig ist, prompt eine Antwort. Es handelte sich um den Perückenstrauch (Cotinus coggygria). Wieder etwas gelernt! Der Strauch gehört zur Familie der Sumachgewächse (Anacardiaceae). Er ist im Mittelmeergebiet und im südlichen Europa, südwestlichen Asien, nordwestlichen Indien, Nepal, Pakistan und in China heimisch.
 
Vor dem Perückenstrauch entdeckte ich einen imposanten Schwarznussbaum (Juglans nigra). Er gehört zur Familie der Walnussgewächse (Juglandaceae). Die Früchte sind essbar. Der Baum wächst im östlichen Nordamerika und in Texas und wird dort als Nutzholz verwendet. In Europa dient er als Zierbaum.
 
Unweit des Schwarznussbaums sah ich einen schönen Korallenbaum aus Brasilien. Wie mir eine in der Nähe werkelnde Gärtnerin sagte, ist dieser nicht winterhart. Er wächst aus einem Juteballen heraus. Das Bäumchen kommt mitsamt dem Ballen über den Winter in ein Gewächshaus.
 
In der Staudengärtnerei sind auch einige Sorten der Indianernessel (Monarda) anzutreffen. Die aus Nordamerika stammende Pflanze hat rote, violette oder weisse Blütenfarben. Das Laub verströmt einen aromatischen Duft. Der Name stammt daher, dass die Indianer das aromatische Laub für die Herstellung eines Tees verwendet hatten.
 
Die Züchtung Monarda didyma „Fireball“ hat grosse Blüten in kräftigem Purpurrot. Die neue Sorte ist wenig Mehltau-anfällig.
 
Die Staudengärtnerei bietet auch eine grosse Anzahl von Gewürzkräutern an. Nennen möchte ich die Japanische Petersilie mit purpurroten Blättern, die man zur Dekoration von Salaten und Buffets verwenden kann, dann Jiaogulan („Chinas Pflanze der Unsterblichkeit“), deren Inhaltsstoffe denen des Ginsengs ähneln, oder verschiedene Minzen (Englische Pfefferminze, Marokkanische Minze, Orangenminze, Schokominze, die kräftig schmeckende Schweizerminze, Zitronenminze und „Tante Hildes Fruchtminze“, die wunderbar fruchtig schmeckt und aus Ostdeutschland stammt).
 
Gartenfeste und Beetstunden
Die Staudengärtnerei veranstaltet Gartenfeste und Beet-Stunden (also keine religiösen Betstunden). Im Mai sind blühende Iris- und Pfingstrosenfelder zu sehen. 2009 reisten zu dieser Veranstaltung etwa 10 000 Besucher an. Weitere Höhepunkte: Im Juli finden die Taglilientage grosse Beachtung, im September startet ein Herbstfest mit blühenden Astern und Chrysanthemen und Herbstblüher.
 
Am 2. Sonntag jeden Monats findet die Vortragsreihe, die „Beet-Stunden“ statt. Der Fachvortrag beginnt um 11 Uhr. Hier einige Termine: Am 08.08.2010 werden Ideen für dauerblühende Gärten präsentiert, am 12.09.2010 steht die Blumenzwiebelvielfalt auf dem Programm. Am 10.10.2010 wird der winterliche Garten behandelt. Es gibt dann Gestaltungsvorschläge für Struktur und Farbe im Winter.
 
Zu allen Festen werden die Gäste mit kulinarischen Spezialitäten verwöhnt. Präsentiert werden aber auch handwerkliche und kunsthandwerkliche Erzeugnisse durch Aussteller aus der näheren und weiteren Umgebung. In der Staudengärtnerei gibt es auch ein Lilien-Café, das in einem kleinen Gewächshaus eingerichtet wurde.
 
Während wir durch die Areale der Staudengärtnerei schlenderten, sahen wir immer wieder wunderschöne Glaskugeln, die von den Künstlern Monika und Peter Kasper geschaffen wurden. Die Glaskugeln mit Stiel gibt es in 15 verschiedenen Farben und einigen Formen (Blumen, Vögel, Fische, Flammen). Die Künstler schufen auch kleine Liegekugeln (10 cm, 13 cm) für den Innen- und Aussenbereich. Je nach Grösse der Kugeln muss man zwischen 35 und 115 Euro berappen; die Liegekugeln kosten zwischen 9 und 14 Euro.
 
Es war für mich ein interessanter Ausflug. Ich dachte mir im Stillen: Hier können Gartenträume wahr werden.
 
Internet
 
Öffnungszeiten
März bis Oktober: Montag–Freitag von 8.00‒18.00 Uhr, Sonntag von 9.00‒14.00 Uhr (April + Mai bis 16.00 Uhr).
Sonntag vom 11.04.‒13.06. von 11.00‒14.00 Uhr
November bis Februar: Montag bis Freitag je nach Witterung von 8.00‒16.00 Uhr, Samstag geschlossen.
 
Adresse
Staudengärtnerei Gräfin von Zeppelin
Weinstrasse 2
D-79295 Sulzburg-Laufen (Baden)
Tel.: 07634 69716
Bestellhotline: 07634 6127
 
Katalog 2010-2012
1500 Fotos auf 600 Seiten, 5 Euro (Ausland: 10 Euro)
 
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