Textatelier
BLOG vom: 14.01.2011

Mangold (Beisskohl) und Capuns bringen Biss in Ihre Küche

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Wer einmal frischen Wind in die Küche bringen will, sollte den gewöhnlichen Spinat durch Blatt- oder Stielmangold ersetzen. Lassen sich doch überraschend vielseitige und köstliche Gerichte mit diesem Gemüse kreieren. Das Gemüse mit dem unaufdringlichen Geschmack hat jedoch noch andre Vorzüge zu bieten: Es enthält eine erhebliche Menge an Kalium und Vitamin C, wenig Kalorien und wirkt sättigend. Mangold entschlackt und entwässert den mit vielen Stoffwechselprodukten beladenen Körper.
 
Wieso ich jetzt gerade auf Mangold komme, werden Sie sich fragen. Schuld hat Walter Hess, der mir das Rezept über Capuns, einer Graubündner Spezialität, mitgeteilt hat. Das Gericht stand auf dem Silvester-Speiseplan der Familie Hess.
 
Der Schnittmangold ist übrigens ein Leib- und Alltagsgericht der alten Eidgenossen. Viele der traditionellen regionalen Spezialitäten haben sich bis heute erhalten. Natürlich lassen sich die Speisen mit Blättern der Krautstiele zubereiten. Die Schnittmangoldblätter werden im Bündner Volksmund auch Capunsblätter genannt.
 
Verena Krieger, die früher in meiner Serie in der damaligen Zeitschrift „Natürlich“ den Rezeptteil übernommen hatte, erwähnte eine Begebenheit. Ein ihr bekannter Koch bot in einem Tagesmenü eine „Krautstielsuppe“ an. Keiner der Gäste wollte diese Suppe probieren. Beim nächsten Mal war er schlauer, er änderte den Namen in „Mangoldsuppe“ und siehe da, er kam mit dem Schöpfen nicht mehr nach. „Mangold tönte in den Ohren der Gäste einfach schöner als Krautstiel. Zudem hat es sich in einer Diskussion herausgestellt, dass viele Schweizer und Schweizerinnen gar nicht wissen, was Mangold ist, jedoch annehmen, ein Gemüse mit ,Gold’ im Namen könne sicher nicht misslich schmecken“, bemerkte die Autorin. Dies war 1992 sicherlich der Fall, inzwischen ist der Mangold in aller Munde. Die Capuns erlangten bei den Eidgenossen Kultstatus. „Wer das Geheimnis der delikaten Päckchen entdeckt, versteht auch Graubündner besser“, schrieb Angela Allemann.
 
Insgesamt soll es über 130 verschiedene Rezepte geben. Jede Hausfrau fabriziert diese delikaten Päckchen anders. Bei uns stellte ich fest, dass bei dem Überangebot an Gemüse im Frischmarkt der Mangold ein Schattendasein fristet. Als ich eine Verkäuferin fragte, ob hier irgendwo Mangold sei, antwortete sie etwas desinteressiert: „Den haben wir nicht!“ Einige Tage vorher hatte ich den Mangold in diesem Geschäft aber gesehen. Am Tag des Kaufs waren die Blätter nicht mehr an der Stelle. Da machte ich mich auf die Pirsch und entdeckte einige Bündel des Mangolds in einem ganz anderen Regal der Gemüsetheke. Glück gehabt!
 
Bevor ich mich an das Rezept mache, bringe ich Fakten zur Geschichte, den Inhaltsstoffen und der Verwendung des Mangolds.
 
Schon vor 4000 Jahren angebaut
Der Mangold, auch Beisskohl, römischer Kohl und Rippenkohl genannt – gehört wie der Spinat, die Zuckerrübe oder die Rande zu den Gänsefussgewächsen. Es gibt 2 Sorten von Mangold: den Schnitt- oder Blattmangold und den Stiel- oder Rippenmangold (Krautstiel).
 
Er wurde bereits vor 4000 Jahren von den Babyloniern angebaut. Auch war er schon im antiken Griechenland und Rom als Gemüse und Heilpflanze bekannt. Bis zum 17. Jahrhundert erfreute sich der Mangold besonders in der bäuerlichen Bevölkerung grosser Beliebtheit. Kräuterexperten jener Zeit bezeichneten ihn als das gebräuchlichste aller Kochgemüse. Dann wurde er links liegen gelassen und vom Spinat verdrängt. Erst vor etwa 20 Jahren erlebte er eine Renaissance.
 
Nicht nur Gourmets loben den Krautstiel in den höchsten Tönen. Sie stellten ihn auf dieselbe Stufe wie den Spargel. Er wird nicht wegen seiner Wurzel, sondern wegen der zarten, schmackhaften Blätter, die rötlich oder grün und gekräuselt sind, angebaut. Die vom Blatt gelöste Mittelrippe wird wie Spargel zubereitet. Der Rest der Blätter oder das „Grünzeug“ des Blattmangolds wird wie Spinat hergerichtet und liefert ein vorzügliches Gemüse.
 
Wer den Geschmack verfeinern möchte, sollte Sauerampfer, Brennnesseln, Petersilie, Kerbel, Basilikum, Rosmarin oder Schnittlauch hinzufügen.
 
Wichtige Inhaltsstoffe
Der Mangold hat ähnlich wie der Spinat ein ganzes Paket an lebenswichtigen Stoffen. Hervorzuheben sind Folgende:
 
Kalium (375 mg/100 g)
Kalzium (105 mg/100 g)
Eisen (2,7  mg/100 g)
Gesamtkarotinoide (3,5 mg/100 g)
Nikotinamid (0,65 mg/100 g)
Vitamin C (40 mg/100 g)
Energiegehalt (der verdaulichen Bestandteile aus 100 g essbarem Anteil): 14 kcal (59 kJ).
 
Es wird viele erstaunen, dass der Mangold 80 % des Vitamin-C-Gehaltes der Orange besitzt. 250 g Mangold würden den täglichen Bedarf an Vitamin C decken. Zu beachten ist jedoch, dass bei der Zubereitung ein Teil des Vitamins zerstört wird.
 
Beachtlich ist der Karotingehalt. Das Karotin (genauer gesagt: Beta-Karotin) wird auch als Provitamin A bezeichnet. Es ist die Vorstufe des erwähnten Vitamins. Das Provitamin A wird in der Darmschleimhaut in Vitamin A umgewandelt. Vitamin A ist wichtig für die Aufrechterhaltung des Sehvermögens, fördert das Wachstum, wirkt mit bei der Fortpflanzung und unterstützt die Schutzfunktion von Haut und Schleimhaut.
 
Weniger gern Gesehenes
Mangold enthält genauso wie Spinat 2 Inhaltsstoffe, die nicht gerne gesehen werden. Es sind dies die Oxalsäure und die Nitrate. Nierensteinkranke mit Neigung zu Oxalatsteinen sollten Mangold und andere oxalsäurereiche Nahrungsmittel (Rhabarber, Rande, Kakao, Sauerampfer) meiden oder diese nur in kleinen Mengen zu sich nehmen. Für den Gesunden ist normaler Verzehr kein Problem. Die Oxalsäure, die auch im Stoffwechsel entsteht, wird nämlich mit dem Harn ausgeschieden.
 
Achtung, den nitratreichen Mangold oder Spinat niemals stehen lassen und aufwärmen! Bakterien wandeln nämlich beim Stehenlassen Nitrat in Nitrit um. Dies führt insbesondere bei Kleinkindern zu gesundheitsschädlichen Schäden.
 
Ideal zum Entschlacken
Der basenüberschüssige Mangold eignet sich so gut zum Entschlacken, Entwässern und Abnehmen wie der Spinat. Er gehört zu den kalorienärmsten Gemüsen und wirkt darüber hinaus noch sättigend. Hervorzuheben ist ferner die gute Wirkung bei Hautkrankheiten und auf den Darm (leicht abführend).
 
Capuns- Rezept
Dieses Rezept stammt aus dem von der Walservereinigung Graubünden herausgegebenen Büchlein „Chääsgezängg und Türggäribel“. Von Walter Hess erfuhr ich die Bedeutung dieser 2 Wörter. Chääsgezäng ist geröstetes Brot mit Käse und einer Mischung aus Eiern, Butter, Salz, Pfeffer und Muskat (in der Bratpfanne erhitzt). Türggäribel sind Maiskrümelchen (Mehl, Polenta, halb Wasser, halb Milch, Salz und Butter – in der Bratpfanne geribbelt (zerkleinernd bewegt).
 
Und nun bereiten wir die Capuns zu; der Bündner Volksmund nennt dieses Gericht Chruutkapuna. Paula machte sich an den Spätzleteig, während ich dann die Rollerei und das andere Prozedere übernahm.
 
Zutaten: 300 g Mehl, 2 Eier, 2 dl Milchwasser (etwas verdünnte Milch), 150 g Speck, 50 g Butter, 1 Zwiebel, Petersilie, Schnittlauch, Mangoldblätter, Käse und Butter zum Überbrennen.
 
Zubereitung: Aus den ersten 4 Zutaten einen festen Spätzliteig herstellen. Speck (wir verwendeten Schwärzwälder Speck) in kleine Würfel schneiden, mit der gehackten Zwiebel und den Kräutern in Butter dämpfen und dem Teig beimischen.
 
Die sauberen Mangoldblätter (Stiele vorher entfernen) kurz blanchieren und auf einem Tuch ausbreiten. In jedes Blatt 1 EL voll Teig legen, links und rechts einschlagen und aufrollen. Mit Zahnstocher oder Faden befestigen.
 
Die grasgrünen Röllchen in kochendem Salzwasser 20 Minuten ziehen lassen. Dann lagenweise mit Bergkäse in eine Form legen, etwas Butter zufügen und im Ofen überbacken.
 
Varianten: Anstelle von Speck kann man auch gewürfeltes Salsiz, Landjäger, Bündnerfleisch oder eine Kombination einiger dieser Zutaten verwenden. Die Päckli eignen sich auch zum Anbraten mit Butter. Es folgt dann ein Ablöschen mit Milch und Rahm (30 Minuten ziehen lassen). Eine Verfeinerung erreicht man besonders durch Zugaben von Safran, Hummer, Kaviar oder Pilzen (Trüffel).
 
Anmerkungen: Beim Abschneiden der Mittelrippen muss man aufpassen, dass man nicht zu viel entfernt, da sonst die Blätter einreissen. Die Verwendung von Zahnstochern ist besser. Sie können dann später leicht entfernt werden. Da wir nicht den ganzen Teig in die vorhandenen Mangoblätter (ich kaufte nur ca. 500 g) füllen konnten, bereitete Paula vom Rest Spätzle und brachte sie dann in die Pfanne zu den Capuns.
 
Nun werden Sie sich fragen, wie das Gericht geschmeckt hat. Alle Teilnehmer des Mahls waren voll des Lobes. Es wurde alles mit Genuss verzehrt.
 
Mangold-Mousse
Dieses Rezept stammt von Verena Krieger. Es ist ein Gaumenschmaus der besonderen Art.
 
Zutaten: 100 ml Wasser, ½ TL Agar-Agar, ½ TL Gemüseextrakt, 500 g Krautstiel oder Schnittmangold in Stücke geschnitten, Kräutersalz oder Sojasauce, Pfeffer aus der Mühle, ein paar Tropfen Zitronensaft, 200  ml Rahm.
 
Zubereitung: Wasser und Agar-Agar in einen grossen Topf geben und zum Kochen bringen. Gemüseextrakt und Mangold beifügen und zugedeckt 15 Minuten weichkochen. Mit dem Stabmixer pürieren. Würzen, abschmecken und etwas abkühlen lassen. Den Rahm steif schlagen. Unter das Mangoldpüree ziehen und erkalten lassen. Mit dem Mousseportionierer oder einem Esslöffel Klösschen abstechen und als Vorspeise anstelle von Salat oder als Beilage servieren.
 
Da kann man nur guten Appetit wünschen!
 
Internet
http://de.wikipedia.org/wiki/Capuns (Weblinks: Capun-Rezepte)
 
Literatur
Gloor, Barbara: „Genügsamer Gast im Garten“ (Anbau von Mangold), „Natürlich“, 1992-04.
Krebs, Susanna; Loretan, Hildegard: „Die Jahreszeiten-Küche“, Erklärung von Bern, Aktion Gesünder essen, Zürich, 3. Auflage 1989.
Krieger, Verena: „Lieber Mangold als Krautstiel“ (Rezepte), „Natürlich“, 1992-04.
Scholz, Heinz: „Mangold – ideal zum `Entschlacken`“, „Natürlich“, 1992-04.
Souci, Fachmann, Kraut: „Lebensmitteltabelle für die Praxis“, wvg-Verlag, Stuttgart 2004.
Walservereinigung Graubünden, CH-7000 Chur: „Chääsgezängg und Türggäribel“, 2007.
 
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