Textatelier
BLOG vom: 24.02.2012

Überraschung beim Wandern: Eine Bisamratte tauchte auf

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Am 16.02.2012 entschlossen wir uns, wegen der Schneelage nicht in die Höhen zu lustwandeln, sondern für eine Tour im Tal. Am diesem Tag war es zunächst bewölkt, später zeigte sich die Sonne, die Temperatur lag um 10 Uhr so um die 5 °C.
 
Wir wanderten am Grüttpark-Stadion und den anderen Sportanlagen in Lörrach vorbei, überquerten eine Holzbrücke, die über die B317 führt, und gingen entlang dem Fluss Wiese in Richtung Hauingen D. Als „Hoffotograf“ (ich werde von Wanderfreunden auch als „Foto Heinz“ bezeichnet, weil es in unserer Gruppe jetzt 2 mit dem Namen Heinz gibt) liess ich die Augen schweifen und wurde belohnt. Ich entdeckte zum ersten Mal in meinem Leben eine Bisamratte in Natura. Unter einer Brücke suchte dieses Tier (Ondatra zibethicu; auch als Bisam bezeichnet) in der Nähe des Flussufers schnüffelnd das Gelände nach Fressbarem ab. Ich pirschte mich auf vielleicht 5 m heran, um Tele-Aufnahmen mit meiner Digitalkamera zu machen. 2 Fotos gelangen mir. Aber ich wollte mehr. Wagemutig ging ich noch näher zum Objekt, doch da wendete sich die Bisamratte in Richtung Wiese ab. Zum Glück hatte sie noch keine Junge, denn in diesem Fall hätte sie mich sicher angegriffen.
 
Ich wollte sie nicht weiter stören. Mich wunderte jedoch die Zahmheit dieses Tierchens. Vielleicht hatte sie sich an Wanderer gewöhnt, die hier zahlreich herumlaufen. Obwohl die Bisamratte nacht- und dämmerungsaktiv ist, lief das Tier schon am Vormittag am Ufer herum. Wahrscheinlich war ihr Tag- und Nachtrhythmus durch den Menschen (Wanderer, Radfahrer) und das Geräusch durch die Autos auf der Brücke gestört.
 
Die grauschwarz gefärbte Bisamratte hatte eine gedrungene, rattenartige Gestalt. Sie war kleiner als ein Nutria oder ein Biber. Der kurze, dicke Kopf ging ohne Hals in den Rumpf über. Der Schwanz war glatt und seitlich abgeflacht. Besonders auffällig waren die dunklen grossen Augen, die mehr auf den Boden gerichtet waren. Das Tier hatte wohl kein Interesse an mir.
 
Ein Wanderfreund, der schon etliche Monate in der kanadischen Wildnis war, sagte, das Fleisch der Bisamratte würde sehr gut schmecken (Rezept folgt später). Das Fell ist auch für die Pelzindustrie von Interesse.
 
Die Bisamratte ist übrigens keine Rattenart, sondern gehört zur Familie der Wühler (Unterart: Wühlmäuse).
 
Was ich nicht wusste: Die Bisamratte, die sich gut an das Leben im Wasser angepasst hat und trotz des Fehlens von Schwimmhäuten ein guter Schwimmer und Taucher (sie kann bis 10 Minuten unter Wasser bleiben) ist, besitzt wasserdicht verschliessbare Ohren. Die Ohren sind tief im Fell versteckt. Ich wunderte mich beim Betrachten der Bisamratte, dass ich keine Ohren entdeckte.
 
Im „Wikipedia“ las ich das Folgende: „Statt der Schwimmhäute besitzen Bisams sogenannte Schwimmborsten: steife Haare, die als Saum an den Rändern der Zehen wachsen und so die Zehen paddelartig vergrössern. Für den Hauptantrieb bei der Fortbewegung im Wasser sorgen die langen kräftigen Beine und die weit gespreizten Hinterfüsse. Zur Steuerung und Unterstützung der Schwimmbewegung nutzt die Bisamratte ihren Schwanz, den sie in horizontaler Ebene nach rechts und links bewegt.“
 
Die Bisamratte hält sich in Erdbauten, deren Eingänge unter Wasser liegen, auf. Sie baut aber auch kuppelförmige Nester („Bisamburgen“) aus Röhricht, Binsen und Schilf. Hier befindet sich das Nest knapp über der Wasseroberfläche. Die Bisamratte wird nicht immer gern gesehen, da sie häufig Dämme, Deiche und Befestigungsanlagen unterminiert. Wo es keine durch Menschenhand geschaffenen Deiche gibt, wird der Bisam toleriert und sogar geschützt. In anderen Gegenden erhielten die Jäger eine Fangprämie von 3 Euro pro Bisamrattenschwanz. Ganz amüsant fand ich bei diesem Artikel über die Fangprämie die Überschrift „Nordamerikaner durchwühlen Deutschland“. Gemeint waren die Wühlaktionen der Tiere und nicht die US-Militärs mit ihren schweren Fahrzeugen.
 
Hauptsächlich ein Vegetarier
Bei meiner Betrachtung der Bisamratte stellte ich mir die Frage, wie sich so ein Tier ernährt. Wie ich erfuhr, bevorzugt der Bisam Pflanzenkost (Schilf, Rohrkolben-, Binsen-, See- und Teichrosenarten, Baumrinde, Schachtelhalm- und Laichkrautarten). Aber die Bisamratten verzehren auch Getreide, Gemüse, Obst und Gräser. Sie graben sogar nach Topinamburknollen. Wie sieht es in vegetationsarmen Monaten aus? Nun, dann verschmähen die Vegetarier keineswegs Larven von Wasserinsekten, Muscheln, Krebse und Wasserschnecken (seltener: Frösche und kleine Fische).
 
Feinde der Bisamratte sind Fischotter, Nerz, Uhu, Rotfuchs und der aus Nordamerika eingeführte Mink.
 
Ausbreitung der Bisamratte
Die Heimat der Bisamratte oder des Bisam ist Nordamerika. Die Erstbesiedelung Europas ging von Böhmen aus. Schuld war der Fürst Colloredo-Mansfeld, der 1905 3 Weibchen und 2 Männchen der Bisamratte von einer Jagdreise nach Alaska mitbrachte. Er liess sie in einem Hüttenteich etwa 35 km südwestlich von Prag aussetzen. Dort büxten die Bisams aus und vermehrten sich rasend schnell. 1912 hatten sie schon fast ganz Böhmen besiedelt, später tauchten sie in den Nachbarländern auf.  
 
Es gibt auch noch eine zweite Invasion. 1930 entliefen in einer heruntergekommenen Zuchtanlage im Teichgebiet von Leval bei Belfort in Frankreich 500 Bisamratten. Sie verbreiteten sich über den Rhein-Rhône-Kanal, die Ill und über Nordwestfrankreich, gelangten in die Pfalz, kamen nach Baden und ins übrige Deutschland und in die Schweiz. Weitere Auswilderungen wurden in verschiedenen Ländern bewusst betrieben. Innerhalb von wenigen Jahrzehnten wurden Teile des eurasischen Kontinents durch die Bisamratte erobert.
 
Warum konnte sich die Bisamratte so verbreiten? Es liegt wohl an der hohen Fortpflanzungsrate (3- bis 4mal im Jahr hat sie 7 bis 8 Junge) und der ausgeprägten Wanderlust. Auch sind in ihrem neuen Lebensraum die Feinde in der Minderheit.
 
Zurück zu unserer Wanderung. Wir gingen am Bahnhof Haagen und frequentieren den Landschaftspark Grütt. Dort gesellte sich eine ältere Frau mit einem „Witwenbuckel“ zu uns. Sie hatte die Orientierung verloren; sie wollte in dieselbe Wirtschaft wie wir. Obwohl sie einen Buckel hatte und mit nach vorne geneigtem Oberkörper lief, konnte sie ein gutes Tempo mithalten. Sie gab sich als Baslerin zu erkennen und wollte sich mit ihrer Wandergruppe zum Mittagessen treffen. Die Wandergruppe war zu Fuss unterwegs, während sie mit dem Zug anreiste. Sie bemerkte, dass sie trotz Schmerzen immer noch gerne wandere, jedoch nicht zu lange Strecken. Ich finde das super, wenn eine Betagte mit einer gravierenden Behinderung noch so aktiv ist.
 
Wir nahmen dann im asiatischen Restaurant „Ginza“ ein Mittagsmahl ein (www.restaurant-ginza.de). Zur Auswahl standen an einem Büffet viele köstliche Gerichte und sehr gut schmeckende Nachspeisen (8,20 Euro). Da dachte ich nicht mehr an die Bisamratte und an ein Verspeisen derselben.
 
Anhang
Rezept für ein Bisamgericht
Und nun noch ein ungewöhnliches Rezept, das ich im Internet unter www.chefkoch.de entdeckte. Persönlich würde ich eine solche Zubereitung nicht verzehren (nur in der Wildnis, wenn nichts anderes zu futtern gäbe).
 
Der Hobbykoch „gazza320“ schätzt das Bisamfleisch deshalb, weil es sehr rein und zart ist und sehr lecker schmeckt. Der Geschmack ähnelt dem Wildfleisch.
 
Zutaten (4 Personen): 3 Bisam (ausgenommen und enthäutet), 3 grosse Zwiebeln, 5 zerdrückte Knoblauchzehen, 1‒2 Dosen geschälte Tomaten, 2‒3 kleine Dosen Kidney-Bohnen mit Flüssigkeit, Chili gemahlen.
 
Zubereitung: Bisam mit der Hälfte der Zwiebeln andünsten (45 Minuten). Das Fleisch vom Knochen lösen und in kleine Stücke schneiden. In einem Topf mit den restlichen Zwiebeln und dem Knoblauch anbraten. Wenn das Fleisch braun ist, die restlichen Zutaten hinzufügen und 1 Stunde köcheln lassen. Dazu passen Tortillachips oder Cracker.
 
Anmerkung: Wer eine Bisamratte von einem Jäger bekommt, sollte eine Fleischbeschau machen lassen. Es könnten Trichinen vorhanden sein.
 
 
Internet
http://ods3.schule.de („Nordamerikaner durchwühlen Deutschland“)
 
Literatur
Zahradnik, J.; Cihar J.: „Der Kosmos-Tierführer“, Franckh`sche Verlagshandlung, Stuttgart 1978.
 
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