Textatelier
BLOG vom: 11.03.2012

Im IT-Universum – oder: Wie man auf den Hund kommt

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Auf dem Mobile World Congress in Barcelona schlägt die IT Purzelbäume: Das Angebot rund ums Handy hat sich beim Wettrennen der Hersteller um Marktanteile vervielfacht. Immer rascher und handlicher ist das elektronische Zauberwerk geworden, mit immer mehr Programmen bereichert – oder belastet ... Zu den künftigen Spitzenreitern gehören Sony Xperia P, Samsung Galaxy Beam, Panasonic Eluga Power und Nokia 808. Das alles hat nichts mehr mit dem schlichten Telefon zu tun. Filme und Videos lassen sich abrufen und speichern, Fotos knipsen, E-Mails austauschen. Das Internet und das Fernsehen sind tags und nachts zugänglich, desgleichen die „Social networking“-Programme, wie Twitter und Facebook. Der PC ist zur Tablette geschrumpft und wird mit dem Zeigefinger statt des Daumens bedient. Diese Geräte sind inzwischen sogar wasserdicht und stosssicher geworden. Nur stehlen lassen sie sich weiterhin.
 
Es wimmelt von IT-Fachausdrücken, wovon ich rein gar nichts verstehe. Auch habe ich nur eine vage Ahnung von den vielen Anwendungsbereichen von Smartphone, iPhone, BlackBerry usw. Der Benutzer ist der Gewinner, wenn sich das Angebot verlockend ausbreitet. Vodafone offeriert kostenlos das „BlackBerry Bold 9900“ mit monatlich 600 Minuten Sprechzeit über Landlinien, 250 Textübermittlungen, 500-MB-Internet- und E-Mail-Anschluss. Die Monatsmiete, auf der Basis eines 24 Monate-Vertrags, beläuft sich auf £ 30. Die Lebensmittelkette „Tesco“ hält mit und unterbietet Vodaphone mit einer Monatsmiete von £ 15 für Samsung Galaxy Ace oder Galaxy S II und BlackBerry Curve.
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Ich muss zugeben, dass ich den Anschluss an den IT-Zirkus verpasst habe. Mein 8-jähriger „Dell PC“ dient mir noch immer und sichert mir den Anschluss an Google, und, was für mich besonders wichtig ist, ins Textatelier.com. Ich bin nicht auf ein rasend geschwindes Broadband angewiesen. Meine Bildaufnahmen sind im „Picasa 3“ eingelagert. Unwillkommene E-Mails verbanne ich mit dem Spamfighter. Auch meine betagten Drucker (Samsung und HP) drucken weiterhin meine Texte und andere für die Arbeit benötigten Dokumente.
 
Heute hat bald jedes Kind ab 10 Jahren ein „BlackBerry“ oder ein „Smartphone", Erwachsene unter 40 Jahren ebenfalls. Mein altes Handy trage ich selten auf mir. Ich bin störrisch und lasse mich nicht von Ätherwellen anketten. Ich schätze seit eh und je meine Freiheit, zuhause und unterwegs.
 
Für viele Berufstätige ist aus der Freizeit Arbeitszeit geworden. Sie sind jederzeit erreichbar. Sie haben sich derart an ihre Laptops und BlackBerries gewöhnt, dass sie sich selbst in den Ferien nicht von ihnen trennen, die bedauernswerten Schlucker. Ohne Wi-Fi-Anschluss sind sie verloren. Aber da sie dies nicht wissen, haben sie keine Ahnung, was sie im Leben verpassen. In Cafés besetzen sie Tische mit ihren Geräten. Der Laptop-Tasche wird ein Sitz eingeräumt, die Jacke belegt einen weiteren Sitz. Zur Seite geschoben, erkaltet ihr Kaffee. Soll sich ja keiner an ihren Tisch setzen!
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Die Technologe wartet demnächst sogar mit dem Pavlov-Hund auf, las ich doch die Überschrift einer Zeitungsnotiz: „Woofy wifi! Toby the border terrier is never far from a tweet treat“. Ein IT-Spezialist hat eigens für seinen Hund ein elektronisches Gerät ausgeklügelt, mit dem er in seiner Abwesenheit den Hund füttern kann. Er kann ihn sogar über eine Kamera dabei beobachten, wie er frisst. Nach einer Twitter-Mitteilung an @FeedToby stellt sich Toby geifernd unter die Apparatur, die ihm, von einem Minicomputer gesteuert, seine Hundebiskuits vor die Schnauze fallen lässt.
 
Der abwesenden Hausfrau ist es möglich, ihrem Mann im Hinblick auf seine Heimkehr von der Arbeit ferngesteuert ein durch die Röhre geliefertes Curry-Gericht in den Napf zu füllen. Es kann auch eine Tasse Tee oder allenfalls ein Bier sein. Und er braucht nicht einmal zu bellen.
 
So kommen wir alle auf den Hund.
 
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