Textatelier
BLOG vom: 09.06.2012

London: Hochpreisinsel Antiquitätenmesse im Olympia

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Der windige Regentag war wie geschaffen für den Besuch der diesjährigen „International Fine Art and Antiques Fair“ in der grossen, kurvig glasüberdachten Halle des „Olympia Exhibition Centre“ in London, 1885 erbaut. Ein auf Plakate spezialisiertes Ausstellerpaar, Kirill Kalinin und seine Frau, hatten uns für die Vorschau am 07.06.2012 Freikarten besorgt; die Eintrittskarten kosteten normalerweise £ 55 pro Person.
 
Diese sehenswerte Ausstellung dauert noch bis zum 17.06.2012. Hunderte von Ausstellern, worunter 17 aus dem Ausland, stellten ihre qualitativ hochgradigen Objekte aus, von entsprechend saftigen Preisen begleitet, die für uns längst unerschwinglich geworden sind. Ich bin wirklich froh, dass ich mit 20 Jahren als Sammler begonnen habe und vorwiegend dekorative Jugendstil-Kleinbronzen zu erschwinglichen Preisen sichern konnte, die meine Augen noch immer tagtäglich erfreuen.
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Die Ausstellung war ein wahres Fest für unsere Augen, und während unseres dreistündigen Streifzugs bereicherten wir da und dort unsere Kenntnisse. Unser Augenmerk galt besonders den Art-Nouveau-(Jugendstil-)Vasen von Gallé, Daum und Loetz, gefolgt von Lalique’s Glasskulpturen.
 
Von Ferne bemerkte ich ein Gemälde und steuerte spontan darauf zu. Es war tatsächlich eine Strassenszene im Dämmerlicht beim Place de la Madeleine (Paris), von Edouard Cortes, im ausgehenden 19. Jahrhundert gemalt. Zwischen den vielen Kutschen überquerten Fussgänger den Boulevard im feuchten Spätherbst. Ein ähnliches Gemälde hat seinen Ehrenplatz bei uns zuhause oberhalb des Kaminsimses gefunden. Aber dieses Bild war von grellen Farben übermalt und hatte seinen einstigen Charme eingebüsst. Der Galeriebesitzer versicherte mir, das Gemälde sei bloss gereinigt worden … Ich hatte unseren Cortes vor 30 Jahren in der Lower Richmond Road aufgestöbert. Das Preisschildchen am „restaurierten“ Gemälde des Galeristen bezifferte sich auf £ 8000. Ich erinnere mich, dass ich das recht grossformatige Gemälde unverschandelt für £ 300 erwerben konnte (ein grosser Betrag für uns damals). Mit Herzklopfen bestieg ich seinerzeit damit den Bus. Aber zum Glück konnte ich zuvor Lily zu dieser Ausgabe bewegen, und hoffte, dass es im oberen Stock des „Routemaster“ (Doppeldeckerbus) keinen Schaden erleide.
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Die meisten meiner Käufe sind mit Erinnerungen verbunden, so auch der Kauf einer neoklassischen, teils verschleierten Nacktfigur, von E. Drouot in Bronze gegossen, 60 cm hoch und entsprechend schwergewichtig. Es mögen gut 40 Jahre her sein, als ich früh an einem Samstagmorgen den Portobello- Markt aufsuchte. Hoffentlich hatte sie der Händler noch nicht verkauft – ich beeilte meine Schritte. Ich trug eine kleine Zierbronze auf mir. Vielleicht wird sie der Händler gegen einen Teil des Preises im Tauschgeschäft einlösen, schwebte mir vor. Und tatsächlich gelang das Geschäft. Kaum hatte ich den Kaufpreis bezahlt, näherte sich ein Chinese der Figur. Die Frau des Händlers verdrehte die Augen. „Soeben verkauft“, wandte sich der Händler an den potenziellen Käufer. Jubelnd und mühsam schleppte ich die Statue zur Notting Hill Gate Untergrundstation. Meine Kräfte liessen nach, als ich mit meinem Fundstück endlich, via Earls Court, Wimbledon erreichte, und es wiederum im Bus nach Hause brachte.
 
Einige ähnliche Skulpturen, die in dieser Ausstellung aufgestellt sind, lösten diese Erinnerungen aus.
 
So auch etliche Edouard Villanis Bronzebüsten, die ich an dieser Ausstellung sichtete, wovon ich über die Jahre 7 Exemplare in Paris preiswert sammeln konnte. So belohnte ich mich immer wieder nach erfolgreichen Geschäftstreffen. Noch ein letzter Preishinweis: Die ausgestellten Villanisbronzen kosten zwischen £ 5000 und 8000.
 
Ein weiteres Thema, das mich auch diesmal fesselte, sind die unter „Islamic & Asian works of art“, ausgestellten Werke, die zunehmend gefragt sind, wie z. B. Koranständer und kleinere mit Perlmutt eingelegte Ziermöbel.
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An dieser Vorschau gab es kein Gedränge. Lily und ich konnten leicht durch die Ausstellungskorridore flanieren. Wir hörten vielerlei Sprachen von gut gekleideten Damen und Herren. Die Vorschau ermöglicht ihnen, aus dem reichen Angebot nach Lust und Laune zu wählen. Für sie spielt das Geld keine Rolle.
 
Im Vorbeigehen bemerkten wir das gut frequentierte „Mosimann’s Restaurant & Bar“ – und zogen weiter … zum Pressezentrum, wo wir uns Kaffee genehmigten, ehe wir uns aufmachten zum von Kennern bevorzugten und schlicht eingerichteten „Stick & Bowl“ (unweit der High Street, Kensington Untergrundstation). Ein chinesisches Gericht kostet dort nur £ 6.50. Wir trugen 2 aufwärmbare Gerichte mit nach Hause und genossen sie am Abend, als sich draussen der Regen verstärke und der Wind die Bäume und Büsche zerzauste.
 
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