Textatelier
BLOG vom: 20.09.2012

Anselm Kiefer: Geschichten hinter visionären Geschichten

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zeigte bis zum 16.09.2012 eine Ausstellung von Kunstwerken des renommierten Künstlers Anselm Kiefer aus dem Privatbesitz des Sammlers Hans Grothe. Kiefer, 1945 geboren, ist neben Gerhard Richter und Sigmar Polke international bekannt.
 
Die Bilder des Künstlers sind für das Wohnzimmer ungeeignet, einige von ihnen sind 22 und mehr Quadratmeter gross. Der Kurator Walter Smerling bezeichnete die ausgestellten Arbeiten als Schlüsselwerke zur Arbeit Kiefers.
 
Wie in jeder Ausstellung, sprechen mich als Besucher einige der ausgestellten Werke besonders an. Was auffällt, ist, dass der Künstler wenige Farben benutzt; die meisten seiner Werke sind in dunklen Tönen gehalten, braun, schwarz, grau und weiss. Das Material seiner Bilder sind dick aufgetragene Farbschichten, Erde, Blei, Lack, Pflanzen, Kleidung oder Haare. Damit wirken die Bilder mehr als zweidimensional und erzeugen die Illusion einer Tiefenwirkung.
 
„Ich erzähle in meinen Bildern Geschichte, um zu zeigen, was hinter der Geschichte ist. Ich mache ein Loch auf und gehe hindurch" (1).
 
„Anlass und Inspiration für die Malerei Anselm Kiefers sind Mythologien germanischen, griechischen, ägyptischen sowie mesopotamischen Ursprungs. Für den Künstler spielt die Auseinandersetzung mit dem Erinnern, dem Gedächtnis und besonders auch mit der Vergänglichkeit und dem Vergessen eine eminent wichtige Rolle. Die Zeit des Nationalsozialismus und der Umgang mit ihr ist ein zentrales Thema seines Schaffens.
 
Mit seinen oft raumgreifenden Arbeiten möchte er Zeit erlebbar machen. Die grossformatigen, antiheroischen Historienbilder mit zerfallenen Monumenten, verwilderten Plätzen und morbiden Landschaften zeigen eine von der Vergangenheit zerfressene, zerstörte Gegenwart. Verbrannte Erde, ausgedörrter Boden und brachliegende Felder, steinerne Hallen und verrostete Schiffe“ (2).
 
Gleich links neben dem Eingang ist ein Bild aufgehängt, auf dem überdimensional gemalte, grosse, teilweise verblühte Sonnenblumen in den Himmel ragen. Unten auf dem Boden liegt eine männliche Gestalt. Dieses Bild, „Jakobs Traum“, wie auch einige andere, sollen den Bezug des Menschen zum Göttlichen aufzeigen. Einige Bilder sind Collagen; es gibt auch Bilder, auf denen Schiffskörper, meistens aus Blei gefertigt, angebracht sind. Sie sollen an den Krieg erinnern. Bei einer anderen Collage sind echte Sonnenblumen verarbeitet.
 
Ein mich sehr faszinierendes Bild, das Kiefer „Fruchtbarer Halbmond“ nennt, zeigt auf 35 m2 den babylonischen Turm in den Himmel wachsen, mit Bau- und Trümmersteinen, die plastisch aus dem Bild ragen.
 
Mehrere Meter entfernt von dem 23 m breiten Berg-Wolken-Panorama Essence - Eksistence" stehend, habe ich den Eindruck, ich schaue aus dem Flugzeug auf ein Gebirge hinab, so natürlich erscheint es mir.
 
In der Komposition „Merkaba“ sind Bleiteile vom Dach des Kölner Domes verarbeitet. Sie verweist auf den Propheten Ezechiel.
 
Das Bild „Am Anfang" von 2008 gibt der Ausstellung ihren Titel. Dieser ist der Schöpfungsgeschichte entnommen, in der es heisst: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde." Das 3,80 ×5,60 × 0,60 Meter grosse, dreidimensionale Werk besteht aus Öl, Emulsion, Fotopapier, Blei und Leinwand. Darauf zeigt Kiefer eine düstere Meereslandschaft, über deren hoch aufschäumenden Wellen sich bedrohliche Wolken zusammengeballt haben. Vom oberen Bildrand kommt eine Leiter aus den Wolken, die Himmel und Erde verbindet. Zwischen ihren Sprossen hängen Streifen mit Fotos von Türmen als Sinnbilder kultureller Schaffenskraft. Einige sind instabil und verfallen ‒ was nach Kiefer zeigt: Schon seit Beginn der Zivilisation baut der Mensch auf Sand.
 
Die Ausstellung zeigt noch andere Bilder mit einer Himmelsleiter darauf. Weitere Bilder zeigen weite Landschaften, dunkel, manchmal als riesige Friedhöfe.
 
Kiefer ist ein moderner Künstler, der sich mit der Historie ebenso auseinandergesetzt hat wie mit den Mythologien der Menschheit und der jüngsten deutschen Vergangenheit, dem Holocaust und den Weltkriegen. Es gibt Bezüge zu Paul Celan, Ingeborg Bachmann, Jean Genet, Richard Wagner und anderen, zu Sternbildern, zur Kabbala, zur griechischen Sagenwelt und zum Nibelungenlied bis hin zur Sol invictus, der altpersischen Gottheit der unbesiegten Sonne, deren Festtag wir zu Weihnachten begehen und den die Christen deshalb adoptiert haben.
 
Die Werke selbst, wie auch ihre Titel, sind nur erfassbar und zu deuten, wenn der Betrachter diese Gedankenwelt Anselm Kiefers nicht ausser Acht lässt, was die Ausstellungsleitung durch ein „Glossar zu Anselm Kiefers Werk“ ermöglicht hat. Die Inspirationen zu seinem Werk sind so vielfältig wie das Werk selbst, und so heisst es in diesem Glossar zum Stichwort „Alchemie“:
 
In mehreren Werken nimmt Anselm Kiefer Bezug auf den englischen Alchemisten, Physiker und Naturphilosophen Robert Fludd (1574‒1637), der auf antike Philosophien, Bibelstudien, Kabbalismus, hermetische Philosophie, eigene Experimente, Alltagserfahrungen und schlichtes Nachdenken zurückgriff, um seine umfassende Vision zu belegen, dass die ‚Grosse Mutter Natur’ Gott imitiert und reflektiert ...“
 
Dieses Zitat erklärt viele Aspekte seiner Bilder. Der faszinierende Eindruck, den sie hinterlassen können, liegt bei jedem einzelnen Betrachter.
 
Endnoten
(1) Anselm Kiefer, zit. nach Wieland Schmied: Bleierne Meere und kosmische Räume – am Anfang war die Unendlichkeit, in: Anselm Kiefer. Am Anfang, Galerie Thaddaeus Ropac, Salzburg 2003, S. 24–45, hier S. 29.
 
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