Textatelier
BLOG vom: 21.09.2012

Der Hopfen: Weibliche Dolden fürs Bier und zur Beruhigung

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Nur weibliche Dolden taugen was.“ Das wird im „Bier-Lexikon“ berichtet. Gemeint sind die weiblichen Fruchtstände des zweihäusigen Hopfens (Hopfenzapfen) und die Hopfendrüsen (Drüsenschuppen), die für Heilzwecke und zum Bierbrauen genutzt werden. Die männlichen, weisslich-grünen Rispen taugen nicht zur Bierherstellung. Dafür sind die weiblichen Zapfen besser geeignet. Heute wird überall weiblicher Hopfen angebaut. Die männlichen Hopfenrispen spielen nur noch beim Wildhopfen und bei der Hopfenzüchtung eine Rolle.
 
Der Echte Hopfen (Humulus lupulus L.) gehört zur Ordnung der Rosenartigen (Rosales) und zur Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae). Der Hopfen ist eine Kletterpflanze. Mit Hilfe von ankerartigen Kletterhaaren windet sich die Hopfenpflanze im Uhrzeigersinn empor. Der Hopfen wurde übrigens in Deutschland zur Arzneipflanze des Jahres 2007 gekürt.
 
Mühsames Hopfenpflücken
Die Ernte der Hopfenzapfen erfolgte früher so: Die Ranken (diese werden auch als „Reben“ bezeichnet) wurden unten abgeschnitten und von der Hopfenstange heruntergerissen. Dann kamen die Hopfenpflücker ins Spiel: Sie pflückten von den Ranken die Hopfendolden ab. Das war ein mühseliges Geschäft. Anfang der 1950er-Jahre begleitete ich meine Grossmutter während der Schulferien (Ende August) zur Hopfenernte in der Nähe von Hallertau (Bayern). Jeder Pflücker bekam einen Schemel zum Sitzen und einen Korb, der mit den Zapfen gefüllt werden musste. Bei der Abgabe an einer Sammelstelle wurde die Anzahl der täglich gefüllten Körbe registriert. Die Bezahlung erfolgte pro Korb. Man musste jedoch darauf achten, dass man keine Blätter in den Korb brachte. Hin und wieder schmuggelten wir einige Blättchen hinein, gut versteckt unter den oben liegenden Dolden. Wenn der Aufseher hellwach war, konnte er diese sehen und dann herausfischen. Dann gab es eine kleine Rüge.
 
Nicht wenige Hopfenpflücker behaupteten, der Duft der Zapfen mache sie schläfrig. Wir waren jedoch hellwach, denn wir sputeten uns, um möglichst viele Körbe zu füllen. Vielleicht kam der Schlaf später. Soweit ich mich erinnern konnte, nächtigten wir in einem grossen Saal – immer getrennt von der holden Weiblichkeit –, und dort wurde ich bald von einer Müdigkeit übermannt, schlief fest bis zum frühen Morgen.
 
Bei Frauen, die beim Pflücken das Hopfenodeur länger einatmeten, kam es zu Menstruationsstörungen oder zum Ausbleiben der Regel.
 
Irgendwann hatten die Pflücker ausgespielt. Sie wurden durch spezielle Erntemaschinen verdrängt.
 
Etwas über die Geschichte
Im Altertum galten die ausgetriebenen Sprösslinge des Hopfens als Delikatesse und wurden als eine Art Spargel gegessen. Auch heute gibt es Gourmets, die den Hopfenspargel als Delikatesse ansehen. Da die Ernte sehr zeitaufwändig ist, gehört er zu den teuersten Gemüsesorten in Deutschland.
 
Plinius der Ältere (23−79 u. Z.) bezeichnete den Hopfen als Leckerbissen, den man mehr der Lust als des Hungers wegen geniesst. Paracelsus empfahl den Hopfen zur Behandlung von Schlafstörungen.
 
Der Hopfen wurde erstmals im Jahre 764 durch den Volksstamm der Wenden in Geisenfeld (Bayern) angebaut. Auch in der Gegend von Spalt (Bayern) wurde im 8. Jahrhundert Hopfen angepflanzt. Sicherlich kam der Hopfen auch in den Klostergärten vor. Die Mönche waren sicherlich scharf auf den Hopfenspargel.
 
Erst später weisen die Heilkräuterkundigen auf die beruhigende und Erregung dämpfende Wirkung hin. Die Wirkung ist jedoch schwächer als die von Baldrian.
 
Hildegard von Bingen (1098−1179) hatte keine so gute Meinung über den Hopfen. Sie erwähnte in einer Schrift, der Hopfen trockne die Eingeweide aus, mache traurig und betrübt. Sie sagte aber auch, der Hopfen würde wegen seiner Bitterkeit die Getränke länger haltbar machen. Sie war wohl die entscheidende Person, die erkannte, dass Hopfen das Bier länger haltbar machte. Sie liebte das Getränk und wurde 81 Jahre alt. Dieses hohe Alter war zur damaligen Zeit unglaublich.
 
Nun, der Hopfen in Verbindung mit Bier macht uns heute nicht mehr traurig, sondern fröhlich. Man sollte das Bier geniessen und nur in Massen trinken.
 
Das Bittere im Bier
Wer ist eigentlich für das Bittere im Bier verantwortlich? Es sind dies die Bitterstoffe (Humulone). Die Bitterstoffe erhöhen die Haltbarkeit und stabilisieren den Schaum des Bieres. Auch wirken sie antiseptisch. Es stoppt die Vermehrung der Milchsäurebazillen. Sogar Tuberkulose-Bazillen werden in Schach gehalten. Aus diesem Grunde gab man früher den Tuberkulose-Kranken Bier zu trinken.
 
In den Dolden befinden sich Harzkügelchen, aus denen man das gelbe Lupulin gewinnen kann. Dieses Lupulin wirkt als Geschmackstoff und Konservierungsmittel.
 
Betrachten wir die wichtigsten Inhaltsstoffe: Es sind das Harz und das Hopfenöl. Das Harz besteht aus den bitter schmeckenden Humulonen (Alpha-Hopfenbittersäuren) und den nicht so bitteren Lupulonen (Beta-Hopfensäuren). Das Harz enthält ferner Chalkone (Xanthohumol), Flavonoide und Gerbstoffe. Im Hopfenöl (0,3−1 % in den Hopfenzapfen, 1−3 % in den Hopfendrüsen) wurden inzwischen 150 Einzelstoffe nachgewiesen. Hauptbestandteile im Öl sind Mono- und Sesquiterpene.
 
Aroma- und Bitterhopfen
Der Hopfen wird nach seinen Inhaltsstoffen in Aromahopfen und Bitterhopfen eingeteilt. Der Aromahopfen, der zu den hochwertigsten und teuersten Sorten gehört, weist einen geringen Gehalt an Bitterstoffen auf. Er bestimmt das Bukett des Biers.
 
Der Bitterhopfen hat einen geringen Gehalt an Aromastoffen und einen hohen Gehalt an Bitterstoffen. Dieser Hopfen ist für den Bittergeschmack des Biers verantwortlich. Viele Brauereien verwenden ausschliesslich den Bitterhopfen. Wie Dieter Schmid von der Waldhaus-Brauerei in einer E-Mail vom 17.09.2012 betonte, gibt es auch Brauereien, die ausschliesslich Aromahopfen verwenden. Eine Grosszahl von Brauereien verarbeiten heute nicht mehr ganze Hopfenzapfen, sondern konzentrierte Extrakte oder Hopfenpellets.
 
Dieter Schmid: „Nur noch ganz wenige Brauereien setzen den Hopfen noch so ein, wie er auf dem Feld wächst. Dies ist auch nur dann möglich, wenn man bei der Herstellung nach dem Sudhaus noch einen sogenannten Hopfenseiher hat, der die Hopfenblätter wieder aus der fertigen Bierwürze zurückhält.“
 
Übrigens verfährt die Privatbrauerei Waldhaus so, wie zuletzt geschildert. Verkostungen belegen eindeutig, dass diese Biere feiner schmecken und einen sehr runden Abgang haben, wie Dieter Schmid betonte. Das kann ich vollauf bestätigen.
 
Hopfenanbau-Länder
Raten Sie einmal, welche die führenden Hopfenanbau-Länder sind? Es sind Deutschland, die USA und Tschechien.
 
Anbaugebiete in Deutschland sind die Folgenden: Hallertau (Bayern), Elbe-Saale, Tettnang (Baden-Württemberg), Spalt (Mittelfranken, Bayern), Baden-Bitburg-Rheinpfalz und seit 2004 Keitum auf Sylt.
 
Früher wurde auch Hopfen in der Umgebung von Schwetzingen angebaut. 1885 war die Ernte so üppig, dass man aus Mangel an Plätzen ihn im berühmten Schwetzinger Rokokotheater zum Trocknen auslegte.
 
In Österreich gibt es 2 Anbaugebiete (Mühlviertel in Oberösterreich und Leutschach in der Südsteiermark) und in der Schweiz sind es einige landwirtschaftliche Betriebe, die Hopfen anbauen (Zürcher Weinland - Unterstammheim, Fricktal, Wolfwil im Kanton Solothurn, bei der Thurgauer Kartause Ittingen).
 
Wildhopfen entdeckte ich in der Nähe von Schopfheim an Haselnuss- und Holunderbüschen. Der Hopfen benutzte die Äste als Kletterhilfen. Wilder Hopfen wächst oft in Büschen an Fluss- und Bachläufen und in so manchem Kräutergarten.
 
Besonderheiten: Der Tettnanger Hopfen hat eine Wuchshöhe von 8 Metern, wird über 50 Jahre alt und wächst in 24 Stunden bis zu 30 Zentimeter (rechtswindend). Er gilt deshalb als Kletterweltmeister. Das Anbaugebiet Tettnang feierte 1994 sein 150-jähriges Bestehen. Der gerne als „Mercedes unter den Hopfensorten“ bezeichnete Tettnanger Hopfen wird in viele Länder exportiert. Hauptabnehmerländer sind die USA und Japan.
 
In der Montfortstadt Tettnang kann man ein Hopfen-Museum besuchen und einen 4 km langen Hopfenpfad begehen. Alle 2 Jahre wird eine Hopfenkönigin gekürt.
 
In CH-8476 Unterstammheim ZH gibt es einen Hopfenlehrpfad. Brigitte und Markus Reutimann verkaufen u. a. auch Hopfenstecklinge (www.hopfentropfen.ch).
 
Brauchtum, Volksglaube
Eine reiche Hopfenernte bedeutet einen strengen Winter und ein kommendes reiches Kornjahr (Südpfalz). „Wer einen Kranz aus Hopfen trägt, verkündet dadurch, dass er heiteren Gemüts sei und sich wenig um Liebesgram kümmert. Wenn man aber jemand gebietet, er soll eine Hopfenranke tragen, so deutet man ihm an, dass er mehr geschwätzt habe als er verantworten könne, denn der wilde Hopfen trägt viel mehr Blüten als andere Kräuter und bringt doch keine nützlichen Früchte. Wenn Jungfrauen langes Haar bekommen wollen, müssen sie sich einige Haare abschneiden und mit den Hopfensetzlingen in die Erde legen, denn so wie der Hopfen in die Höhe steigt, wächst auch ihr Haar“, schrieb 1884 Anton von Perger in seinem Werk „Deutsche Pflanzensagen“
 
Medizinische Wirkungen
Der Hopfen hat sich in der Volksmedizin einen festen Platz erobert. Er dient als Blutreinigungs-, Entwässerungs-, Beruhigungs- und Einschlafmittel. Arzneilich verwendet werden die weiblichen Blüten (Hopfenzapfen) und die Hopfendrüsen (Drüsenschuppen).
 
Tee, Fertigarzneimittel (oft in Kombination mit Baldrian, Passionsblume oder Johanniskraut): Indikationen sind Befindensstörungen wie Unruhe und Angstzustände, Schlafstörungen. Der Tee wirkt ausserdem appetitsteigernd und entspannend auf den Magen.
 
Nerventee 1: Hopfen und Baldrianwurzel 1:1 mischen und einen Esslöffel davon mit einem halben Liter heissem Wasser 10 Minuten ziehen lassen, abseihen und mit Honig gesüsst trinken.
 
Nerventee 2: 1 Teil Hopfen, 1 Teil Melisse, 1 Teil Lavendel; zubereiten wie oben beschrieben.
 
Bei Schlafstörungen trinke man 1 eine Tasse Tee 30 Minuten vor dem Schlafengehen.
 
Die beiden Nerventee-Rezepte und die kulinarischen Zubereitungen erhielt ich von Dr. med. univ. Petra Zizenbacher, Wien. Vielen Dank dafür.
 
Kräuterkissen: Ein Leinensäckchen kann man entweder mit Hopfenzapfen oder in Kombination mit Baldrianwurzel, Thymiankraut und Lavendelblüten füllen. Die Kissen legt man neben das Kopfkissen oder auf das Nachttischchen. Die Düfte beruhigen und bringen einen gesunden Schlaf.
 
Schon Georg III. soll erstmals 1787 ein mit Hopfen gefülltes Kopfkissen benutzt haben, um seine Schlafstörungen zu beseitigen.
 
Trifloris-Essenz (Verreibung von weiblichen Blüten mit Drüsenpulver des Hopfens mit Milchzucker): Bruno Vonarburg führt in seinem Buch „Energetisierte Heilpflanzen“ folgende Indikationen auf: „Die Essenz hilft Menschen, die einen unwiderstehlichen Drang zur Manifestation (Emporkömmlinge), wenn nötig auch zu Lasten anderer oder mit fremder Hilfe, und ein starkes Geltungsbedürfnis haben. Ihre unbeherrschbare Zielstrebigkeit raubt ihnen die Ruhe, wobei die Tendenz besteht zu Nervosität, Reizbarkeit, Verspannungen, Schlafstörungen, Einschlaf- und Durchschlafschwierigkeiten, nervösen Magen-Darm-Beschwerden, Appetitlosigkeit infolge Neurasthesie, Herzneurose, spastischer Obstipation, Amenorrhoe, Menstruationsstörungen, Wechseljahrbeschwerden mit Unruhe, Nervosität, Reizbarkeit, Spannungskopfschmerzen, Bettnässen und psychische Verspannungen, Schwäche der Libido bei Frauen, sexueller Überreizung bei Männern, Priapismus und schmerzhafter Erektion.“
Infos unter www.trifloris.ch.
 
Hopfensuppe, Hopfentriebe mit Maroni
Hopfentriebe mit gehackten Maroni
Zutaten: 2 Handvoll frische Hopfentriebe, 2 Esslöffel gehackte Maroni, Salz, Pfeffer, Muskat.
Zubereitung: Hopfentriebe in etwas Wasser dünsten und mit Salz, Muskat und Pfeffer abschmecken. Die gehackten Maroni werden in Butter geschwenkt, dann über die Hopfentriebe gestreut und angerichtet.
 
Suppe mit Hopfentrieben
Zutaten: 1 Handvoll frische Hopfentriebe, 2 Esslöffel Dinkelmehl, ½ Liter Wasser, etwas Butter, Salz, Pfeffer, Muskat.
Zubereitung: Butter zergehen lassen, Dinkelmehl und Gewürze dazugeben, mit Wasser aufgiessen, kurz aufkochen lassen, nochmals abschmecken. Dann die klein gehackten Hopfentriebe dazugeben und servieren.
 
Bezugsquellen
Die Gärtnerei Eickelmann in D-85290 Geisenfeld (Bayern) bietet Jungpflanzen (4,95 bis 5,95 Euro/Stück), Hopfen-Dünger, Hopfen-Kräuterbad (mit Panthenol, Hopfentinktur und Kräuterölen) an. Infos unter: www.eickelmann.de.
 
In CH-8476 Unterstammheim ZH verkaufen Brigitte und Markus Reutimann u. a. Hopfensenf, Hopfen-Bier-Senf, Hopfen-Bier-Seife, Hopfen-Kräuter-Sirup, Hopfenessig, Hopfennudeln und Hopfensetzlinge (siehe dazu auch den Glanzpunkte-Artikel „Hopfensamen gesucht“ von Walter Hess).
 
Internet
www.eickelmann.de (Bezugsquelle für Jungpflanzen)
 
Literatur
Perger, Anton: „Deutsche Pflanzensagen“, Verlag von August Schaber, Stuttgart 1864.
Scholz, Heinz, und Hiepe, Frank: „Arnika und Frauenwohl“, IPa-Verlag, Vaihingen 2002.
Scholz, Heinz: „Endlich wieder schlafen“, Kneipp Verlag GmbH, Bad Wörishofen 1996.
Vonarburg, Bruno: „Energetisierte Heilpflanzen“, AT Verlag, Aarau 2010.
Vonarburg, Bruno: „Natürlich gesund mit Heilpflanzen“, AT Verlag, Aarau 1993.
Wichtl, Max: „Teedrogen“, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart 1984.
Zizenbacher, Petra: „Naturheilkunde für die ganze Familie“, Wien 2012 (in der 1. Auflage hiess dieses Buch „Heilpflanzen – Apotheke aus Feld und Flur“, 2003).
 
Hinweise auf Blogs zum Thema Bier und Hopfen
 
Glanzpunkt-Artikel
 
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