Textatelier
BLOG vom: 02.11.2013

Wetter: Wie es war und wie es wird – oder auch nicht

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Miteinander zu sprechen, ist nicht immer eine Notwendigkeit. Um nicht als unhöflich, eigenbrötlerisch, eingebildet oder unsozial zu gelten, muss ich manchmal mit Nachbarn, Freunden und Bekannten über etwas reden. Was meist von Interesse ist: das Wetter.
 
Es gibt immer etwas, was man darüber sagen kann. Mal ist es zu warm, mal zu kalt, mal zu feucht, mal zu schwül, mal ungemütlich, mal uselig, wie hier am Niederrhein feuchtwarme Temperaturen genannt werden. Man kann über das vergangene oder kommende Gewitter sprechen, über Schnee und Überschwemmungskatastrophen irgendwo auf der Welt. Kurz, es ist ein dankbares Thema, besonders wenn man sich nichts zu sagen hat, aber sich gezwungen fühlt, etwas zu sagen. Dass man das Wetter einfach herrlich oder schön findet, reicht oft nicht aus, in Deutschland mit der gegenwärtigen Wetterlage zufrieden zu sein, ist nicht üblich und weckt eher Misstrauen, ob das Gespräch mit dem notwenigen Ernst geführt wird.
 
Nicht nur über das vergangene und das gegenwärtige, sondern auch über das zukünftige Wetter lässt sich gut fabulieren. Dazu genügt es, auf den aktuellen Wetterbericht in den Medien hinzuweisen.
 
Es könnte als originell angesehen werden, wenn man auf den 100-jährigen Bauernkalender hinweist. Er hat übrigens nichts mit 100 Jahren Wetterbericht zu tun, sondern extrapoliert sozusagen das Wetter eines bestimmten Jahres auf weitere Jahre. Damit ist nicht gemeint, dass es sich alle 100 Jahre wiederholt, sondern alle 7 Jahre, so die Annahme. Es ist vom Planetenjahr auszugehen, das von März bis März dauert. Im Jahre 2014 haben wir, ebenso wie 2007, das Jahr des Saturns.
 
Das wird so berechnet: Man nehme die Jahreszahl, vermindere sie um die Zahl 4, teile den Rest, also 2010, durch 7. Die Rechnung ergibt den Rest 1 und das bedeutet die Position 1 und eben den Planeten Saturn. Mir ist nicht ganz klar, warum man 4 abziehen muss, aber so ist die Berechnung eben.
 
Sollte sie, und angeblich beruht die Formel auf das Wissen der Bauern über Jahrhunderte hinweg, zutreffen, könnte man also in die Aufzeichnungen des Jahrs 2007 hineinschauen, um eine etwaige Vorstellung davon zu haben, wie das kommende Jahr werden wird.
 
Wie waren die ersten Monate des Jahres 2007 wettermässig in unseren Breiten? Eine Auflistung ergibt folgendes Bild:
 
Extrem milder Winter
Nicht nur der Januar, der Winter insgesamt war meist einer der wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn. In einer älteren Berliner Messreihe, die bis 1701 zurückgeht, gab es nur einen milderen.
 
Januar 2007
Das für das gesamte Deutschland wohl bedeutendste Ereignis fand bereits zu Beginn des Jahres statt: am 18. und 19. Januar 2007 zog das Orkantief Kyrill über uns hinweg mit Böen von 144 km/h im Flachland und über 200 km/h auf den Gipfeln der Berge.
 
Der erste Monat 2007 schien die Serie extrem milder Witterung fortzusetzen: der Januar ist vielerorts einer der wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn.
 
Ende März 2007
Ungewöhnlich früher Frühling.
 
Die Wärme kam, und dies ist das eigentlich ungewöhnliche daran, aus dem Osten, dagegen fiel in Spanien Schnee.
 
April 2007
Bis in den Mai hinein herrschte extreme Trockenheit, die man beinahe als Dürre bezeichnen konnte. Bauern bangten um ihre Existenz, da lange Zeit kein Ende abzusehen war.
 
Mai 2007
Näher hätten die Extreme kaum beieinander liegen können: in Berlin folgte nach dem zweittrockensten April der nasseste Mai seit Aufzeichnungsbeginn.
 
Juni 2007
Hochdruck und gleichzeitige Zufuhr subtropischer Meeresluft sorgten für hohe Luftfeuchtigkeit und sehr warme Nächte.
 
Sie könnten jetzt das Argument bringen, durch den Klimawandel stimme der 100-jährige Kalender nicht mehr, es werde eben immer wärmer, was nicht nur 2007 festzustellen war, sondern auch in anderen Jahren.
 
Dazu führen viele Wissenschaftler allerdings folgende Argumente an:
 
Da das Klimasystem sehr träge ist und etwa die Ozeane sich nur sehr langsam aufheizen, dauert es jedoch, bis sich die Wirkung der Treibhausgase voll entfaltet: Eine Erwärmung durch den Treibhauseffekt wird durch zahlreiche Rückkopplungen verstärkt, durch einige Prozesse aber auch abgeschwächt. Erst wenn dieses komplizierte Wechselspiel zur Ruhe gekommen ist, erreicht das Klima wieder einen stabilen Zustand. Diese langfristige Reaktion des Klimas berechnen Klimaforscher in der Gleichgewichts-Klimasensitivität (ESC für equilibrium sensitivity of climate). Sie entspricht der endgültigen Temperaturerhöhung durch eine verdoppelte CO2-Konzentration, die sich vermutlich erst nach einigen 100 Jahren einstellt.
 
Ja, der Klimawandel! Wissenschaftler behaupten, dafür Beweise zu haben, die Politiker machen aus diesen Voraussagen Gesetze. Es werden Horrorszenarien entwickelt, die in wenigen Jahrzehnten uns angeblich heimsuchen werden, alle möglichen Katastrophen ständen uns bevor, wenn wir jetzt nicht beginnen, der massiven Umweltverschmutzung, dem CO2-Ausstoss, u. a. Einhalt zu gebieten oder zumindest sie zu reduzieren. Bei den letzten Prognosen wurde sogar gesagt, dass es eigentlich für eine Abwendung des Schlimmsten schon zu spät sei.
 
Der unbedarfte Bürger kann nur das glauben, was die Medien und die Politiker ihm sagen. Dazu kommen die Nachrichten, die angeblich den Klimawandel bestätigen. Die Gletscher in den Alpen und an den Polen schmelzen ab. Der Meeresspiegel steigt unaufhörlich. Die Temperaturen erhöhen sich fühlbar, denn die Tage mit Schnee und Eis im Winter werden weniger, es regnet und stürmt mehr, die Sommertage mit Hitze sind konzentrierter und angeblich mehr geworden. Das gefühlte Wetter bestätigt dem Bürger das, was die Klimaforscher tagtäglich wissenschaftlich feststellen.
 
Ich lese darüber nach, was es für Wetterkapriolen in den letzten Jahrhunderten gegeben hat.
 
Dass Europa zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert so etwas wie eine kleine Eiszeit erlebt hat, scheint gesichert zu sein. Ich entdecke einen Text des Dichters Johann Peter Hebel mit dem Titel Winterwetter. Hebel berichtet vom Winter des Jahres 1740, von dem die Alten erzählt und geschrieben hätten, ... nicht nur in Moskau und Smolensko, nicht nur am Fluss Borysthenes oder an der Düna, nicht nur an der Weichsel, sondern auch am Rheinstrom und an dem Neckar waren die Stuben nicht zur Wärme zu bringen. Während der Ofen glühte, gefror zur gleichen Zeit das Wasser an den Fenstern zu Eis, (...) Wenn man langsam Wasser von einem hohen Fenster herabgoss, so kam kein Wasser auf den Boden, sondern Eis. (...) Die Erde war 3 Ellen tief gefroren.“ Hebel berichtet, dass die Heidelberger Bäcker auf dem Neckar, einem Nebenfluss des Rheins, einen Backofen aufgestellt hätten, und es seien … manches Laiblein Weissbrot und Schwarzbrot aus demselben gezogen und zum Wunder und Andenken gegessen“ worden.
 
Auch der Winter von 1812 auf 1813 sei sehr lang und klirrend gewesen.
 
Aber es war nicht immer so kalt, wie hier beschrieben. So könnte man nach den Erzählungen von Hebel in unserem Sprachgebrauch ebenso von einem Klimawandel sprechen. Danach war es im Jahre 1289 zu Weihnachten und am Dreikönigstag so warm, dass „die Jungfrauen Kränze von Veilchen, Kornblumen und andern trugen. Im März 1420 sei der Winter und Frühling so gelind gewesen, dass die Bäume schon wieder ihre Blüten abgeworfen, im April die Kirschen schon reif und der Wein bereits geblüht habe, so dass schon im Mai die Traubenernte möglich war.
 
Im Winter 1538 hätten sich Mädchen und Knaben im Grünen küssen können, denn zu Weihnachten hätten schon alle Blumen geblüht. Im Januar 1572 blühten die Bäume, und im Februar brüteten die Vögel, 1585 das Korn sei bereits zu Ostern schon reif gewesen. Im Januar 1617 und 1659 sei es wie auch 1722 schon so warm gewesen, dass man im Januar nicht mehr heizen musste. Alle diese Jahre waren keine Saturnjahre, so dass wir noch ein wenig Zeit haben, bis das Wetter dieser Jahre sich wiederholt.
 
Also viele Jahre vor der kleinen Eiszeit war es in Europa zeitweise richtig warm, und zwar das ganze Jahr über. Vielleicht bekommen wir statt einer weiteren vorausgesagten Erwärmung in den kommenden Jahrzehnten eine ausgeprägte Kältewelle. Mag sein, dass mit den heutigen Messmethoden zuverlässige Voraussagen eher als in der Vergangenheit möglich geworden sind.
 
Es scheint aber sicher zu sein, dass es noch viele Faktoren gibt, die in Klimaprogrammen entweder noch gar nicht eingeflossen sind oder deren Berechnung einen erheblichen Unsicherheitsfaktor darstellen. Man denke beispielsweise an die Auswirkungen der Sonnenflecken und anderes. Jedenfalls verstehe ich den obigen Textauszug der Wissenschaftler so!
 
Lassen wir uns doch einfach überraschen: Der Winter wird mild, es wird Anfang des kommenden Jahres einige Stürme geben, der Frühling, Sommer, Herbst und Winter wird auf jeden Fall folgen, wie intensiv die Jahreszeiten werden, wer weiss? Es wäre doch schön, wenn unsere Heizkosten im kommenden Jahr moderat bleiben! Darüber lässt sich trefflich plaudern!
 
Und nicht vergessen:
Kräht der Hahn heut’ auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist!
 
Quellen:
 
Hebel, Johann Peter (1760‒1826): „Winterwetter“, in: „Gesammelte Werke", herausgegeben von Eberhrad Meckel, 2.Band, Vermischte Schriften, Briefe. Aufbau Verlag, Berlin, 1958, S. 231ff.
 
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