Textatelier
BLOG vom: 30.07.2014

Bauerngarten-Tag: Von Mädchenaugen und Sinnsprüchen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Haben Sie schon einmal von „Mädchenaugen“, von einem „Werktagseingang“ und einem „Sonntagseingang“ gehört? Oder wissen Sie, wie man Tomaten auf ungewöhnlicher Weise zur Reife bringt? Alle diese Fragen warten in diesem Blog auf ihre Beantwortung.
 
Der 20.07.2014 war ein besonderer Tag für Blumen-, Beeren-, Kräuter- und Gartenliebhaber. Die südbadischen Bäuerinnen hatten zusammen mit der „Badischen Bauern Zeitung“ (BBZ) im Hinblick auf diesen„Tag des offenen Bauerngartens“ zu Besichtigungen in ihre Gartenparadiese eingeladen.
 
Alle Gärten, die sich in der Öffentlichkeit präsentierten, sind unter www.badische-bauern-zeitung.de aufgeführt. Hier erhält der Interessierte die Adresse, eine Gartenbeschreibung, Hinweise zum Tag und eine Wegbeschreibung.
 
Nach dem heissen Samstag am 19.07.2014 mit 35 °C standen die Besichtigungen am folgenden Tag unter keinem guten Stern. Am Vormittag des Sonntags zogen schon Wolken auf und versprachen Regen. Aus diesem Grund machte ich mich am Vormittag auf den Weg, um das laut Wetterbericht schlechte Wetter zu umgehen.
 
Ich fuhr von Schopfheim nach Oberbürchau im Kleinen Wiesental, um den Bauerngarten von Waltraud Zeh und Adelheid Mogel zu besuchen. Diesen 210 Quadratmeter grossen Garten wollte ich unbedingt erkunden, zumal ich schon viel Gutes über diesen gehört hatte. Dieser Garten (750 m ü. NN) wurde 1998 anlässlich des Bauerngarten-Wettbewerbs der BBZ ausgezeichnet.
 
Bei meiner Ankunft im vorderen Bereich des 318 Jahre alten Bauernhauses waren schon Tische und Bänke für die kulinarischen Köstlichkeiten des Hauses aufgestellt. Da die Regenwolken immer bedrohlicher heranzogen, sputete ich mich, um eine Führung im Bauerngarten mitzumachen. Vorher kam mir Judith Roser, die ehemalige Wirtin der Bürchauer „Sonnhalde“, entgegen und begrüsste mich. Später lernte ich Waltraud Zeh, Willi Zeh und Adelheid Mogel kennen. Judith Roser und Adelheid Mogel sind Töchter des Ehepaares Zeh.
 
Vor dem mit einem Jägerzaun eingerahmten Garten auf der rechten Seite sind 2 schöne Hortensien-Büsche zu sehen, aber auch eine vielleicht 1 m hohe Königskerze. Der Garten hat 2 Eingänge, den „Werktagseingang“, der dem Arbeitstag mit der Schubkarre vorbehalten ist, und den „Sonntagseingang“, der mit der rosaroten Kletterrose „Exzelsa“ geschmückt ist. Da ich an diesem Tag mit dem Arbeiten nichts zu tun haben wollte, schritt ich durch den Sonntagseingang in den wunderschön gelegenen Garten. Dieser ist rechteckig auf einer ebenen Fläche angelegt. Die Wege kreuzen sich.
 
Mädchenaugen und Tausendguldenkraut
Ich schloss mich einer Führung von Frau Mogel an. Dabei erfuhren die Gäste viel Interessantes über den Bauerngarten und den darin prächtig gedeihenden Gemüsepflanzen, Küchenkräuter, Blumen und Heilpflanzen. Insgesamt sollen 200 Pflanzenarten hier oben gedeihen.
 
Besonders fielen mir die prächtigen gelb blühenden Blumen auf. „Das sind Mädchenaugen, die meine Mutter vor 60 Jahren aus einem Sallnecker Garten hierher gepflanzt hat“, erzählte Frau Mogel. Durch Teilung wurden immer wieder neue Pflanzen gezogen. Die betörend schönen Mädchenaugen (Coreopsis) werden auch „Schöngesicht“ genannt. Sie gehören zur Pflanzengattung der Korbblütler.
 
Eine Besonderheit im Garten sind einige Areale mit Tausendguldenkraut (auch Tausendgüldenkraut genannt). Die Farbe der Blütenblätter war etwas kräftiger rosarot gefärbt als die in der Natur vorkommenden. Leider haben sich die Bestände in der Natur erheblich verringert. Deshalb war es mir eine besondere Freude, hier im Garten diese zu sehen. Die Pflanze kann durch Aussaat im Garten gezogen werden. Die Samen werden im März/April in Kistchen ausgesät. Nach 4 Wochen sind die Triebe ausgewachsen und können im Garten an sonniger Lage in kalkreichen, lehmigen, etwas sandigen Boden gesetzt werden.
 
Der Tee oder eine Tinktur wird bei Appetitlosigkeit, Magersucht, Magenschleimhautentzündung mit mangelnder Magensäurebildung verwendet. Das Kraut enthält Bitterstoffe, Flavonoide, Phenolcarbonsäuren, Sterole, Triterpene, Xanthonderivate. 
 
Zierpflanze, die Wunden heilt
Auf einem Beet erblickten die Gäste eine Zierpflanze, die Wunden heilt. Es handelte sich um die mit gelben bis gelb-orangen Blütenköpfchen ausgestattete Ringelblume. Frau Mogel wies daraufhin, dass aus den Blüten ein Tee oder eine Salbe bereitet wird. Die Salbe ist ein vorzügliches Wundheilungsmittel. „Meine Mutter reibt die Salbe an vielen Stellen des Körpers ein“, betonte unsere Führerin.
 
Besonders beeindruckend waren die hochgewachsenen Königskerzen (Wollblumen) mitten im Garten. Die Blüten der majestätisch anzusehenden Königskerze wirkt in Form eines Tees, einer Tinktur oder eines Sirups sehr gut bei Husten, Bronchitis, Heiserkeit. Viele Husten-und Bronchialtees enthalten neben anderen Heilpflanzen auch die Königskerze.
 
Frau Mogel erwähnte, dass an dem sonnigen und warmen Vortag (19.07.2014) das Gesumme vieler Bienen zu hören war. Nun, an diesem Regentag war allerdings nichts mehr von diesem Bienenkonzert zu hören. Bei Regen bleiben die Insekten daheim.
 
Unter den Gästen wurde auch erwähnt, dass man zum Wohle der Bienen viel mehr Blütenpflanzen anlegen sollte. Erst kürzlich wurde vom Bienensterben berichtet. Viele Bienenvölker finden auf Grund der intensiven Landwirtschaft und dem sterilen und damit tödlichen Einheitsgrün kaum noch Nahrung. Dazu kommen noch die Varroa-Milbe und Pestizide, die das Bienenleben verkürzen. 1950 gab es in Baden 180 000 Bienenvölker, heute sind es nur noch 65 000.
 
Schnecken im Salat
Marina, die hübsche Tochter von Frau Mogel, die in München Tiermedizin studiert, war auch anwesend und verkaufte Samen von diversen Pflanzen. Wie sie betonte, komme sie immer wieder in ihr Elternhaus und helfe dann auch im Garten.
 
Auf die Frage eines Gasts, „Haben Sie auch Schnecken?“, antwortete Adelheid Mogel: „Die haben wir auch. Sie machen sich besonders an unseren Salatpflanzen ran.“ Dann erzählte sie eine Begebenheit. Marina nahm eines Tages einen Salatkopf mit nach München. Als sie einen Salat zubereitete, krochen ihr 3 Schnecken entgegen. Als angehende Tierärztin brachte sie es nicht fertig, die Schnecken zu töten. Sie setzte dann die Schnecken in München aus.
 
Wie bekommt man Tomaten rot?
Am Ende des Gartens befindet sich ein begehbarer Plastiktunnel, der hinter einer Reihe von Sonnenblumen etwas versteckt wird. In diesem Tunnel werden Tomaten herangezogen. Leider waren die Tomaten noch grün.
 
Frau Mogel erzählte, es sei ihr geraten worden, doch ein rotes Tuch aufzuhängen. „Dann wissen die Tomatenpflanzen, nun wird es Zeit, heranzureifen.“ Wie mir Frau Zeh bestätigte, wurde dies schon von ihr und ihrer Tochter praktiziert. Sie hatte den Eindruck, die Tomaten reiften schneller.
 
Ungläubiges Erstaunen bei den Gästen. Ein Schweizer, der neben mir interessiert zuhörte, sagte zu mir: „Ich weiss ein anderes Mittel. Man muss nur einen unanständigen Witz erzählen, dann werden die Tomaten rot.“
 
Flucht ins Gartenhäuschen
Leider wurde die Führung durch einen Regenguss unterbrochen. Wir flüchteten in ein Gartenhäuschen. Waltraud Zeh gesellte sich zu uns, erzählte von ihrer Begeisterung für den Bauerngarten, den sie schon seit 60 Jahren betreut. Die liebenswürdige 80-Jährige wirkt viel jünger und ist geistig sehr fit. Auf dem Tisch lag ein Fotobuch, das sie anlässlich ihres 75-jährigen Geburtstages erhielt.
 
Dann konnten wir uns an die einfachen kulinarischen Köstlichkeiten stärken. Im Angebot waren mit Kräutern belegte Bauernbrote, Hefezopf, Muffins, Kaffee und selbst gemachten Most. Ich verspeiste mit Genuss ein mit Bärlauchbutter belegtes Brot, das mit Ringelblumenblättern verziert war, dazu trank ich eine Mostschorle.
 
Schöne Sinnsprüche
Als der Regen etwas nachliess, wurde die Führung durch den Garten fortgesetzt. Nun nahm ich die zwischen den Pflanzen angebrachten kleinen Schilder mit Sinnsprüchen unter die Lupe. Die Sprüche und Weisheiten von bekannten und unbekannten Geistern hat Judith Roser aufgeschrieben. Diese wurden dann auf Schilder in den Garten platziert.
 
Was man für die Gartenarbeit braucht, ist ein stählerner Rücken mit einem Scharnier“ (Charles Ward Beecher).
 
Leben ist nicht genug“, sagte der Schmetterling. „Sonnenschein, Freiheit und eine kleine Blume muss man haben!“ (Christian Andersen).
 
„Pflücke den Tag und gehe behutsam damit um. Es ist dein Tag, 24 Stunden lang. Zeit genug, um ihn zu einem wertvollen Tag werden zu lassen. Darum lass ihn nicht schon in den Morgenstunden verwelken.“
 
„Fröhlichkeit ist die Sonne, unter der alles gedeiht“ (Herbert Madinger). 
„Ohne Müh und Arbeit
wird Dir nichts geraten,
der Neid kennt nur das Blumenbeet
aber nicht den Spaten.“
 
„Das Leben der Menschen
ist wie das Leben der Vögel:
Wenn der grosse Tag kommt,
muss jeder alleine fliegen“ (aus China). 
„Schöne Blumen wachsen langsam, nur das Unkraut hat es eilig!“ (Shakespeare).
 
Im Bereich der Johannisbeerensträucher sind eine Vogelscheuche und im Eingangsbereich ein Mädchen aus verschieden grossen Blumentöpfen zu sehen. Diese Gestalten wurden von Willi Zeh geschaffen. Auch das Gartenhäuschen aus Holz, der Freisitz (Sitzbänke mit einem Tisch) und andere Holzarbeiten stammen von ihm.
 
Bevor ich mich verabschiedete, schenkte ich Waltraud Zeh unser Buch „Arnika und Frauenwohl“. In diesem Buch sind Tipps und Rezepte von Bernd Roser, ihrem Schwiegersohn, aufgeführt. Der leider zu früh verstorbene Wirt der „Sonnhalde“ in Bürchau hat viele Kräuter und Blüten für seine kulinarischen Köstlichkeiten verwendet.
 
Frau Zeh war sehr erfreut. Kaum hatte sie das Buch in Händen, machte sie schon Werbung für das Buch, indem sie einigen Gästen das Werk zeigte.
 
Kleines Fazit
Es war trotz Regenwetter ein lohnenswerter Besuch in einem ländlichen Paradies. Die Gäste waren voll des Lobes. Jedem wurde bewusst, wie viel Arbeit geleistet und viel Zeit investiert wurde, einen so schönen Garten der Öffentlichkeit zu präsentieren.
 
Es ist immer eine Freude, wenn solche Gärten über Generationen hinweg erhalten und gepflegt werden.
 
 
Anschrift
Waltraut Zeh und Adelheid Mogel, Oberbürchau 4, D-79692 Kleines Wiesental, Tel.: 07629/711 und 07629/1481.
 
Literatur
Bach, Christiane; Schillinger, Walburga; Sester, Barbara: „Omas Gärten“, Silberburg Verlag, Tübingen 2014.
Scholz, Heinz; Hiepe, Frank: „Arnika und Frauenwohl“, Ipa-Verlag, Vaihingen 2013.
 
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