Textatelier
BLOG vom: 03.10.2015

Quecksilber (2): Vergiftungen mit Ayurveda-Medikamenten

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 

Eine 55-jährige Frau kommt mit starken Beschwerden in die Notaufnahme der Asklepios-Klinik in Hamburg. „Ich konnte nicht essen und trinken, meine Beine funktionierten nicht mehr, der gesamte Körper war out-of-order gelegt“, schilderte die Patientin den Reportern von RTL Aktuell und vom Spiegel. Die Ärzte erfuhren, dass sie 3 Ayurveda-Medikamente in einem Wellness-Hotel in Sri Lanka und 2 Ayurveda-Medikamente aus dem Internet eingenommen hatte. Die Vergiftung könne nur von diesen Präparaten erfolgt sein. Das hat sich dann bestätigt. Wie Untersuchungen am Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin in Hamburg ergaben, enthielten die mitgebrachten Medikamente grosse Mengen an Quecksilber und Blei. Solche hohen Gehälter wurden noch nie bei einem Medikament festgestellt.

„Die Frau kann froh sein, dass sie noch lebt“, äusserte der Chefarzt der Nephrologie Tobias Meyer. Die aufgenommene Quecksilbermenge könnte nämlich einen Menschen umbringen.
Bei der Kranken sind Rückenmark und Nervensystem geschädigt. Sie bekommt jetzt Ergotherapie. Sie muss die einfachsten Bewegungen wieder lernen. Ob die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt werden kann, ist fraglich.

 
Hier ist etwas schief gelaufen
Ayurvedische Medikamente bestehen aus Arzneipflanzen, Edelsteinen, Mineralien und Schwermetallen.
Das Problem ist bekannt. Laut einer US-amerikanischen Studie sind mehr als 20 % der Ayurveda-Medikamente aus dem Internet mit Schwermetallen belastet.
Bei der Herstellung der Medikamente im Wellness-Hotel muss etwas schief gelaufen sein. Bei der traditionellen Heilmittelherstellung werden die Schwermetalle einem wochenlangen Reinigungsverfahren unterzogen. Das Endprodukt soll dann keine nachweisbaren Schwermetalle mehr enthalten.

„Es gibt aber auch Heilmittel, denen Schwermetalle in einer über den Grenzwerten der EU liegenden Menge beigefügt werden, die aber im Mischungsverhältnis mit den anderen Heilsubstanzen in ihrer schädlichen Wirkung neutralisiert und in der Gesamtrezeptur heilend wirken“, berichtete Iris Hüttner in der Publikation „Schwermetalle in Nahrungsergänzungsmitteln“.

In Indien kommt noch das Problem der Kontaminierung mit Umweltgiften in Böden in den Ballungszentren dazu. Die Gifte gelangen dann auch in die Heilpflanzen.
Ein weiterer Grund dürften Abweichungen vom traditionellen Herstellungsverfahren sein.

Die neueste Meldung stammt vom 26.09.2015. Wie Spiegel Online (www.spiegel.de) berichtete, haben sich 2 Ehepaare auf Sri Lanka mit Ayurveda-Medikamenten, die Quecksilber, Blei und Arsen enthielten, vergiftet.
Siddhartha Popat, Allgemeinmediziner aus dem rheinland-pfälzischen Sankt Katharinen, äusserte, die Vergiftungen wären erheblich. „Sie haben Magenkrämpfe, Durchfälle, Kopfschmerzen, Haarausfall und leiden unter Vergesslichkeit.“
Die Medikamente wurden im selben Wellness-Hotel, die auch die Frau aus Hamburg aufsuchte, verordnet. Jetzt wurde Strafanzeige gegen die deutsche Inhaberin des Hotels gestellt.

 
Heilmittel aus der Apotheke
Wie mir ein Apotheker berichtete, werden oft nicht einwandfreie Medikamente aus China und Indien entweder im Erzeugerland oder über das Internet bezogen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat eine grössere Anzahl an Generika vom Markt nehmen müssen, weil die Zulassungsunterlagen in Indien getürkt waren. Schwermetallhaltige Medikamente haben in der EU nichts zu suchen.

Nicht nur die Apotheker, sondern auch der Wellnessverband betonten, man solle ayurvedische Produkte über vertrauenswürdige Quellen, wie Apotheken, Biohandel beziehen. Bei diesen Produkten sind chemische Untersuchungen durchgeführt worden. Wer skeptisch ist, kann auf Verlangen sich die Analysenatteste zeigen lassen.

Wichtig ist das Folgende: Wir sollten nur solche Produkte kaufen, die nach der WHO in GMP-Qualität und/oder in Ökoqualität zertifiziert sind. Wichtig ist auch ein Etikett in deutscher Sprache, eine Volldeklaration, Angabe des Herkunftslandes, Angabe des Herstellungsdatums, Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums und Einnahmehinweise.

 
Internet
www.who.int/entity/medicines
www.rtl.de
(Quecksilber-Vergiftung: Deutsche überlebt Ayurveda-Kur nur knapp)
www.spiegel.de
(Frau durch Ayurveda-Medikamente vergiftet)
www.wellnessverband.de
(Schwermetalle in Nahrungsergänzungsmitteln)
 
Video:
 

Hinweis auf ein weiteres Blog über Quecksilber
30.09.2015: Quecksilber (1): Grenzwert in Fisch soll erhöht werden!

  


*
*    *

Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst