Textatelier
BLOG vom: 03.12.2015

Erkältungsschutz mit Heilpflanzen und Hausmitteln

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 

Echinacea (Sonnenhut)

Echinacea (Sonnenhut)
 

Am 22.11.2015 fand im Klösterle in Schönau ein Alemannischer Nachmittag statt. Dieser wurde vom Förderverein Klösterle Schönau im Schwarzwald e.V. unter Leitung von Christine Stiegeler bei freiem Eintritt veranstaltet. Bei dieser Veranstaltung ging es um einheimische Heilpflanzen. Frank Hiepe referierte über das Thema „Wie schütze ich mich vor Erkältungen“.  Der Blog-Autor Heinz Scholz hatte die Gelegenheit dazwischen und am Ende des Vortrags einige originelle Geschichten über Heilpflanzen beizusteuern.

Am Schluss der Veranstaltung zeigten und erklärten Mitglieder des ehemaligen Vereins der Trachten- und Heimatfreunde, wie man Dachschindeln gemacht und Wolle gesponnen hat.

Für das leibliche Wohl sorgte der Förderverein Klösterle. Es gab Nuss- und Hefezöpfe, Käsekuchen, Salz- und Laugenbrezeln, Kaffee und auf Wunsch ein Viertele.

Erkältungsschutz ist wichtig
Wie Frank Hiepe in seinem Vortrag am Anfang betonte, ist die Ursache für eine Erkältung oft der Mangel an frischer Luft und Temperaturunterschiede zwischen drinnen und draussen. Ferner trocknet die Heizungsluft die Schleimhäute aus. Intakte feuchte Schleimhäute sind nämlich wichtig für die Abwehr von Keimen in den oberen Luftwegen.

Von besonderer Bedeutung ist die Stärkung des Immunsystems. Hiepe empfahl die Sauna, das Dampfbad, ein Vollbad oder ein 37 bis 41 °C warmes Fussbad mit Zusatz von Eukalyptus- und Fichtennadelöl. Auch die Ernährung mit viel Obst und Gemüse ist wichtig.

Wer sich gerne mit Vitamin C versorgen möchte, der sollte natürliches Vitamin C (Hagebutte, Acerola, Sanddorn) aufnehmen, weil auch die Begleitstoffe eine Wirkung entfalten.

Zubereitungen aus der Echinacea (Sonnenhut) oder als hömopathisches Mittel (Metavirulent) stärken die Abwehrkraft. Wer ein erstes Kribbeln in der Nase und Niesen verspürt, der sollte mit einer Mischung aus ätherischen Ölen inhalieren. Bewährt haben sich Öle von Eukalyptus, Pfefferminze und Thymian.
Die Inhalation erfolgt entweder mit heissem Wasser in einem Topf (Kopf mit Handtuch bedecken, Augen schliessen und etwa 5 Minuten durch die Nase einatmen und durch den Mund ausatmen) oder mit einem speziellen Inhalationstopf. Wenn das Nasenatmen erschwert ist, kann man vor der Inhalation einen abschwellenden Nasenspray anwenden.

Achtung! Bei Kleinkindern sollte man kein Pfefferminz- und Eukalyptusöl anwenden. Dasselbe gilt für fertige Erkältungssalben mit diesen Ölen.

Schnupfenvorbeugung: Nasenspülungen mit Kochsalz- oder Emsersalzlösung beugen Schnupfen vor.
Hiepe empfiehlt bei Frösteln oder leichtem Temperaturanstieg einen Teeaufguss von Holunder- oder (und) Lindenblüten. Der Tee bewirkt das Ausschwitzen von Erkältungserregern. Empfohlen werden 2 bis 3 Tassen Tee täglich.

Hilfen bei Husten, Kratzen im Hals
Husten ist ein wichtiger Schutzmechanismus unseres Körpers. Er weist auf Störungen im Bereich der Atmungsorgane hin. Die Luftstösse beim Husten reinigen die Atemwege von Schleim, Staub und Fremdkörpern.

Bei Kratzen im Hals, Heiserkeit oder Schluckbeschwerden sollt man mehrmals täglich mit einem Aufguss von Salbeiblättern oder mit einem Tee aus Salbeiblättern, Kamillenblüten und Thymiankraut gurgeln.
Bei trockenem Reizhusten haben sich Tees von schleimhaltigen Pflanzen wie Wollblumen, Huflattich und Spitzwegerich bewährt. Bei Husten mit schleimigem Auswurf empfiehlt sich eine Teemischung aus gleichen Teilen Thymian, Anis, Efeublättern, Primelwurzeln und Süssholz.

Zubereitung: 1 Teelöffel dieser Mischung mit 150 ml siedendem Wasser übergiessen, 5 Minuten ziehen lassen und noch heiss 2 bis 3 Tassen täglich trinken. Der Tee kann mit Tannenhonig oder Kandiszucker gesüsst werden.

Bei leichtem Temperaturanstieg und Kopfschmerzen empfahl Hiepe eine Teemischung aus 30 g Weidenrinde, 20 g Mädesüssblüten, 30 g Lindenblüten und 20 g Holunderbnlüten (in der Apotheke mischen lassen!). Davon sollte man einen gehäuften Teelöffel mit etwa 150 ml siedendem Wasser übergiessen, bedeckt 10 Minuten ziehen lassen, abgiessen und 2 bis 3 Tassen täglich nach dem Essen noch warm trinken.

Achtung! Wenn der Auswurf gelb gefärbt ist, besteht die Gefahr einer zusätzlichen bakteriellen Infektion. In diesem Fall ist der Arzt zu konsultieren. Dies gilt auch bei stärkerem Temperaturanstieg und Kopfschmerzen.

Zwiebel- und Fenchelhonig
Meine Mutter verabreichte uns immer bei Husten Zwiebelsirup oder Fenchelhonig und einen Tee aus Thymian und Kamille. Ich erinnere mich noch mit Schaudern an den Zwiebelsirup, den ich nur mit Widerwillen nahm. Nur mit Mühe konnte ich meine Mutter überzeugen, dass mir der Fenchelhonig besser schmeckte und mir genauso gut tat.

Zubereitung von Fenchelhonig: 1 Esslöffel Honig und 1 Tropfen Fenchelöl vermischen und teelöffelweise einnehmen.

Zubereitung von Zwiebelsirup: 500 g in Scheiben geschnittene Zwiebeln mit 500 g Honig zu einem dickflüssigen Sirup einkochen. Bei Erkältungskrankheiten stündlich einen Teelöffel voll einnehmen.

Besonders der Waldhonig enthält nicht nur Invertzucker (Gemisch aus Trauben- und Fruchtzucker), Aromastoffe, Vitamine und Enzyme, sondern auch antibiotisch wirksame Stoffe. Die „liebliche Speise der Götter“, wie Homer den Honig pries, ist vielseitig anwendbar. Er lindert Husten, heilt Wunden, wirkt bei Lippenherpes, ist ein Energiespender und dient zusammen mit Milch oder Tee als Schlummertrunk.
Ausführliche Infos über Honig in meinem Blog:
http://www.textatelier.com/index.php?id=996&blognr=2365
Eine Tante empfahl uns damals bei Erkältungskrankheiten feuchtheisse Brustwickel mit Kartoffeln, Leinsamen, Thymian oder Zitrone oder Auflagen mit Bienenwachs oder körperwarme Brustwickel mit Quark, Senf, Kohl oder Zwiebeln. Meine Mutter bereitete in der Erkältungszeit immer eine Hühnersuppe oder eine Brotsuppe mit reichlich Knoblauch drin. Erst kürzlich wurde in der medizinischen Presse gemeldet, dass die Hühnersuppe tatsächlich hilft. Die Bestandteile der Suppe haben einen guten Effekt bei Erkältungskrankheiten.

Heilmittel von Hurst und Hiepe
Hiepe wies in seinem Dia-Vortrag auf seine Tätigkeit bei Hübner hin. Er war von 1968 bis 2004 als Apotheker für das Unternehmen tätig. Anschliessend ging er auf die interessante Geschichte der Entwicklung des Hustensafts „Tannenblut“ ein.

Sein Grossvater, Dr. Eduard Hiepe (1870−1947), entwickelte auf Veranlassung des in Häg im Wiesental wirkenden Landpfarrers Josef Hurst (1885−1931) in den 1920er-Jahren ein wirksames Heilmittel für die Textilarbeiter. In der damaligen Zeit fanden in der aufblühenden Textilindustrie viele Menschen ihr Einkommen. Oft litten die Arbeiter unter Reizungen, Husten und Bronchitis. Damals waren Arbeitsschutzbestimmungen noch weitgehend unbekannt. Heilmittel und Ärzte gab es nur wenige. Pfarrer Hurst erinnerte sich an ein Rezept für einen Bronchialsirup, das von seinem berühmten Amtsbruder Sebastian Kneipp stammte. Er veränderte das Rezept und versah es mit speziellen Schwarzwälder Zutaten wie maigrünen Tannenspitzen und Tannenhonig. Für die technisch-pharmazeutische Seite der Sirup-Herstellung sah sich der Pfarrer nach einem Fachmann um und fand ihn im damaligen Zeller Stadtapotheker Eduard Hiepe. Dieser wusste, wie vorzugehen ist, damit alle Inhaltsstoffe gleichmässig verteilt sind und das Endprodukt auch haltbar ist. Die eigentliche Herstellung aber erfolgte über Jahre hinweg im Pfarrhaus Häg. „Pfarrer Hurst`s Tannenbalsam“, später umbenannt in „Tannenblut“, war weithin bekannt und beliebt. „Tannenblut“ wurde später von der Firma Anton Hübner, die im Ehrenkirchener Ortsteil Kirchhofen ansässig ist, produziert.

Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Sirup für die hustenden und schwer arbeitenden Menschen der damaligen Zeit eine Wohltat war. Bei Erkältungen und Schnupfen profitiert auch der moderne Mensch von heute von den Tannenblut-Zubereitungen (Sirup, Balsam, Nasensalbe, Bad, Halspastillen, Kräutertees und Bonbons).

Anhang: Amüsante Geschichten über Heilpflanzen
Im 2. Teil dieses Blogs werde ich noch einige amüsante Geschichten über Heilpflanzen, die ich im Klösterle“ präsentierte, erwähnen. Etliche Episoden habe ich schon in diversen Blogs erwähnt.

Baldrian und der Durchfall
Als ein von Durchfall geplagter Zeitgenosse in eine Apotheke kam und ein probates Mittel verlangte, bekam er von einem Auszubildenden aus Versehen beruhigende Baldrian-Tropfen. Als der Apotheker von der Verwechslung erfuhr, war er natürlich sehr ungehalten. Zum Glück kam der Kunde in den nächsten Tagen wieder in die Apotheke. Der Apotheker wollte gerne wissen, wie das Mittel denn bei ihm angeschlagen hat. Darauf antwortete der Geplagte: „Sehr gut, nun rege ich mich wegen des Durchfalls nicht mehr auf.“

Tränen  bei Kontakt mit Brennnesseln
Bruno Vonarburg, der bekannte Schweizer Kräuterexperte, erzählte mir eine Episode aus seiner Jugend. Er berichtete seinen Spielgefährtinnen, Brennnesseln würden im Mai und bei Vollmond nicht brennen. Die Mädchen probierten das aus und es brannte fürchterlich. Eine weinte bitterlich. Er tröstete sie mit folgenden Worten: „Du wirst, so hoffe ich, Dein ganzes Leben lang dadurch kein Rheuma bekommen.“

Die Liebe wird immer toller!
Im Thüringer Wald sagte man: „Am Johannistag blüht der Holler, da wird die Liebe immer toller!“ Unkeusche Mädchen bekamen von den Dorfjungs in Thüringen einen Holunderzweig ans Fenster gesteckt.

Kein Streit durch Holunder
Stellen Sie sich einmal folgendes vor: Ein Ehepaar streitet sich wegen jeder Kleinigkeit. Es ist Feuer unter dem Dach. Es gibt viele Mittel, um diese Zwistigkeiten ad acta zu legen. Eines davon soll genannt werden. Wer am Johannistag ein in Schmalz gebackenes Holunderküchle isst, der wird sanftmütig. Zwistigkeiten sollen dann schlagartig beigelegt werden.

Bei dieser Gelegenheit erzählte ich noch eine wahre Geschichte, die ein Vortragsredner zu Gehör brachte.
Ein Ehepaar feierte den 65. Hochzeitstag. Auf die Frage einer Reporterin, wie sie so lange ihre Zweisamkeit hinter sich gebracht hatten, antwortete die Frau: „Wissen Sie, wir lebten damals nicht in einer Wegwerfgesellschaft, wir haben immer alles selbst repariert!“

Hübners Weissdorntonikum
Eine rüstige 90-jährige wurde von einem Neugierigen gefragt: „Wie haben Sie Ihr hohes Alter erreicht?“ Oft hört man dann von solchen Hochbetagten, sie hätten nie geraucht, nie getrunken, sich karg ernährt, einen soliden Lebenswandel geführt usw.

Die Antwort, die dann kam, war ganz ungewöhnlich. Die Frau sagte: „Das ist noch nicht raus, ob es die Kölln-Haferflocken waren oder Hübners Weissdorntonikum. Ich verhandle noch mit den Firmen.“

Die 3 Nothelfer
Für den Pfarrer, Schriftsteller und Politiker Hansjakob (1837-1916) war der Wocholderschnaps der 1., der heilsame Kirsch der 2. und der Enzian der 3. Nothelfer. Im Volksmund erzählt man sich „wenn der 3. Nothelfer versagt, ist alles aus.“

Müde Wanderer mussten sich nur unter einem Wacholderbusch ausruhen, dann waren sie wieder erfrischt und konnten sich frohen Mutes auf die Wanderschaft begeben. Heute hält man nicht viel von diesem Rezept. Als ich einmal während eines Vortrags von diesem Brauch erzählte, äusserte ein Wanderfreund: „Ich trinke lieber einen Wacholderschnaps, das bringt mich garantiert wieder auf die Beine.“

 

Internet
http://blogs.badische-zeitung.de
(Serie „Achtung Pflanze“)
http://blogs.badische-zeitung.de/achtungpflanze/2009/12/erkaltungsschutz-mit-heilpflanzen/


Literatur
Breden, Heidrun; Scholz, Heinz: „Meine Hausapotheke“, Midena Verlag, Küttigen/Aarau 1995.
Scholz, Heinz; Hiepe, Frank: „Arnika und Frauenwohl“, Ipa-Verlag, Vaihingen 2013.
Scholz, Heinz: „Heilkräuter der Natur“, Kirchhofen 2014 (ohne Verlagsangabe)


Hinweis auf Heilpflanzen-Blogs von Heinz Scholz
25.08.2014: Kein Streit dank Holunder, und die Liebe wird immer toller
10.08.2014: Rätsel 2: Pfaffenröhrlein, Gummilieferant und ein Diuretikum
02.04.2014: Was den unausweichlichen Alterungsprozess bestimmt
16.02.2014: Recherchen 11: Hilft Rosenwurz bei Gedächtnisschwäche?
15.11.2013: Natur-Heilschätze: Wundermittel für Kranke von damals
05.07.2013: Kräutertag im Glottertal: Schicken Sie Ihre Organe zur Kur
20.04.2013: Zauberkräuter: „Bettseicher“, Schutz- und Wundermittel
05.01.2013: Erkältung: Pflanzen und Hausmittel gegen Viren, Bakterien
11.07.2012: Heilpflanzen in der Stadt 3: Nachtkerze fürs Wohlbefinden
28.06.2012: Heilpflanzen in der Stadt 2: Wegwarte und Zichorienkaffee
27.06.2012: Heilpflanzen in der Stadt 1: Königskerze bei Heiserkeit usw.
20.04.2012: Wie wirksam ist der Frauenmantel bei Frauenkrankheiten?
13.08.2011: Kräuterexkursion: Guter Heinrich und die Jungfer im Grünen
16.08.2008: Staunen im Kräutergarten: Der Salbei tröstet, die Rose erfreut
28.07.2008: Frank Hiepe: Ein versierter Kenner der einheimischen Flora
10.07.2008: Vortrag über die Heilpflanzen: Vital, potent und nicht dement
11.02.2008: Frauentee nach J. Künzle: Suche nach der Originalrezeptur
05.11.2007: Johann Künzle: Förderer der Kräuterheilkunde in der Schweiz
28.11.2006: Lebenskünstler Robert Quinche: „Stossen wir noch mal an!“

 


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