Textatelier
BLOG vom: 19.03.2016

Der “Prowler”: Ein Dieb sucht Wimbledon heim

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London


Seit zwölf Jahren schleicht sich der sogenannte “Wimbledon prowler” in die Luxusvillen von Wimbledon ein. 450 Einbrüche werden ihm angekreidet. Er trägt eine Fischermütze und einen dunklen Anzug und begeht seine Diebstähle während der Nacht. Ahnungslos schlafen die Bewohner. Alle Versuche, ihn dingfest zu machen, sind bisher gescheitert. Er plündert vorwiegend Bargeld, Schmuck und teure Armbanduhren. Es wird vermutet, dass er in Wimbledon wohnt und seine Beutezüge allein ausübt. Nachdem er die Beute eingesackt hat, verlässt er den Tatort, ohne Spuren zu hinterlassen. Tage können verstreichen ehe der Diebstahl entdeckt wird. Das Personal wird verdächtigt. Boris Becker und andere Prominente hat er heimgesucht, einige sogar mehrmals.

Die von seinen Diebstählen Betroffenen sind arg verunsichert und aufgescheucht. Die wenigen CCTV-Aufnahmen von ihm liefern keine Indizien: Er verdeckt seinen Mund mit der Hand. Er verlässt sich während seiner Suche im Haus auf einen “Lichtstift”. Ohne Hast schaut er sich im Haus um und vermeidet den geringsten Lärm. Die Hunde schlafen ungestört. Der “Prowler” plant seine Einbrüche und macht sich gut vorbereitet ans Werk. Vorgängig ortet er die Schwachstellen der Villen.

Vielleicht tritt er als Pizza-Lieferant in Erscheinung. Ein Hausbewohner drückt ahnungslos den Eingangsknopf und erscheint und sagt: “Wir haben keine Pizza bestellt.” Der Pizza-Lieferant entschuldigt sich: “Mein Irrtum.” Dabei stellt er fest, wieweit das Haus abgesichert ist. Mit einer kleinen Beisszange hat er nachweisbar viele Kabel abgeklemmt.

Im Wimbledon Village hat es viele Estate Agents (Immobilienmakler). Er besucht sie und bekundet ein Vorinteresse und verlässt die Läden mit Prospekten der von ihm ausgewählten Liegenschaften. Dazu braucht er seinen Namen nicht preiszugeben. Aber er weiss dann genau, wo die Schlafzimmer sind, die Salons, die Küche und die Eintrittshalle.

Offene Fensterflügel erleichtern sein Vorgehen. Hinter Gebüschen der weitläufigen Gärten versteckt beobachtet er das Haus und plant seinen Fluchtweg. Mauern sind ihm keine Hindernisse, flink und wendig wie er ist. Beim oder im Schuppen sichert es sich allenfalls eine Leiter, um obere Stockwerke zu erreichen. Jetzt, wie der Sommer ansteht, sind Fenster weit geöffnet – eine offene Einladung.

Unser bescheidenes Häuschen verlockt ihn nicht. Bei der Einfahrt ist bloss unser 10-jähriger Golf parkiert. Ausserdem schliessen wir nachtsüber den Eingang und Fenster.

Der “Prowler” weiss genau, wo er zupacken will. Nur weiss er nicht, wann er endlich erwischt wird.

 


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