Textatelier
BLOG vom: 18.05.2016

Zum Lob der Schrullen

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London


Zuerst ein Zitat vom schrulligen Künstler Salvador Dali: “Jeder sollte Schrullen haben. Schrullen sind ein hervorragender Schutz gegen Vermassung”.

Dem füge ich ein eigenes Zitat bei: “Er nährte seine Schrullen wie ein Salatkopf Schnecken”.

*

Ein anderes Wort für Schrullen sind Marotten. Sie sichern einen gewissen eigenwilligen Freiraum im Leben. Das ist bekömmlich und baut Stress ab. Eine Vorstufe sind Kinderflausen. Auch sie wollen ein bisschen Freiheit erzwängen. Solche Flausen werden von Erwachsenen zu oft abgewürgt. Das ist schade, weil es den späteren Freiheitsdrang beeinträchtigt.

Ich stelle immer wieder fest, dass sich ältere Leute oft schrullig benehmen. Mademoiselle Dionis in Paris ergötze mich und Lily mit ihren Schrullen. Ihre Ansichten wichen von der Norm ab, und sie nahm gerne Politiker und die “haute société” aufs Korn. Alleinstehend und hausgebunden, erlabte sie sich am Fernseher, dem sich viel ätzende Kritik im Selbstgespräch abgewann. Als wir uns verabschiedeten, sagte sie: ”Kinderchen, hoffentlich erwache ich nach dieser Nacht!” Wir beschwichtigten ihre Todesangst und verwiesen auf die Süssspeisen, die wir ihr gebracht hatten. “Diese werde ich keinesfalls dem Tod hinterlassen”, schmunzelte sie. Sie ist hochbetagt gestorben. Ihre Schrullen haben vermutlich ihr Leben beachtlich verlängert. Oder vielleicht auch, weil sie ein Fräulein geblieben ist.

*

Meine eigenen Schrullen und einstige Flausen sickern dann und wann in meinen Kurzgeschichten durch. Das enthebt mich der Pflicht, sie hier zu nennen.

England war einst voller schrulliger Typen, und ich beobachtete amüsiert ihr schrulliges Gebaren. Züchtet Schrullen, empfehle ich, und rettet euch vor der Vermassung, mit Hinweis auf das erste Zitat von Salvador Dali.

 


*
*    *

Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst