Textatelier
BLOG vom: 25.11.2016

Loyalität/Treue und ihre Grenzen

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London


In dieser Betrachtung sei festgehalten, dass Loyalität ein zweischneidiger Begriff ist. Die Treue bestimmt die individuelle Verhaltensweise im positiven Sinn, z.B. eheliche Treue, allenfalls als Gelübde vor dem Traualtar abgelegt. Im negativen Sinn sind in diesem Zusammenhang Ehebrüche zu nennen. Die Anzahl der Scheidungen schnellen in die Höhe. Scheidungskinder sind die Leidtragenden. Hinzu gesellen sich Vernunftsehen, die den materiellen Reichtum des Brautpaars sichern sollen, von Advokaten abgesichert. Zwangsehen von den Eltern veranlasst, wie z.B. in Indien gepflogen, ist eine weitere fragwürdige Variante, die das Erbgut im “Kuhhandel” anhängt. Damit wird die Loyalität erzwungen.

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Wo Loyalität null und nichtig ist
Hinter den Kassen der Kettenläden eingekesselt, wird das Personal mit Hungerlöhnen abgespiesen. Vorwiegend Pensionäre und Mütter sind zu diesem Frondienst genötigt, um ihren kargen Lebensunterhalt zu verbessern. Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer fordern Loyalität voneinander. Loyalität ist zum Fremdbegriff geworden.
Auch die Warenstapler in Amazon-Lagerstätten werden erbarmungslos ausgebeutet, desgleichen die Fahrer der “Uber-Taxis”. Sie arbeiten in eigener Regie, ohne Anspruch auf Ferien und andere Sozialleistungen. “Sie geniessen Flexibilität und bestimmen selbst, wann und wie viele Dienstfahrten sie absolvieren wollen”, rechtfertigen sich die Vermittler von Aufträgen. Es ist hinlänglich bekannt, welchen Frondiensten das Hilfspersonal in “Call Centers” weltweit ausgeliefert sind. Auch die Agenturen, die temporäre Stellen vermitteln, treiben viel Missbrauch zugunsten ihrer Auftraggeber.

Viele Superreiche in Kensington und Hampstead sichern ihren Familien junge Mädchen, u.a. aus Thailand und Burma, als Haushaltshilfen, die sie als Sklaven behandeln. Sie konfiszieren ihre Pässe. Sie dürfen das Haus nicht verlassen. Sie arbeiten den ganzen Tag, bis tief in die Nacht und werden mit Speiseresten gefüttert. Hin und wieder gelingt es einem Dienstmädchen, dem Kerker zu entfliehen. Solche Einzelfälle erwecken Schlagzeilen in der Presse. Aber diesem abscheulichen Übelstand sind keine Grenzen gesetzt: Die Menschenrechte gelten nichts.

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Die kommerziellen Fussangeln zur Loyalität
Ich selbst hatte das Glück, gute Vorgesetzte zu haben, die mich förderten und unterstützten. Auf dieser Grundlage gedeiht die Loyalität beidseitig.

Im heutigen harten Konkurrenzkampf zwischen Grossunternehmen aller Art, seien es Versicherungen, Banken, Einzelhandelsketten, werden die Kunden fortwährend mit zeitlich beschränkten Sonderangeboten geködert.

Dieser kommerziell angefachte Rummel, einst auf den Ausverkauf beschränkt, dauert jetzt durchs ganze Jahr. Vom sogenannten “Black Friday” am 25. November verlockt, stürmen die Käufer hordenweise in die Läden und die “online” Verkaufskanäle – eine wahre Stampede. Immer früher, Monate vor Weihnachten, wird die Kauflust angeheizt. Im Lebensmittelhandel wird mit allerlei Tricks, wie “loyalty cards”, versucht, die Stammkundschaft zu erweitern. Auch wir benutzen die “Club Cards” von Tesco und Morrisons, doch nicht blindlings. Die Wahl der Angebote muss mit unseren produktbezogenen Vorlieben übereinstimmen. So vermeiden wir soweit als möglich Fertigmahlzeiten und weichen auf gesunde Kost aus.

In der vorweihnächtlichen Zeit geraten mehr und mehr Leute in Schulden nach dem Motto “kaufe jetzt, bezahle später”. Kommt der Januar, müssen die Schulden getilgt werden, Loyalität hin oder her, sonst kommt der “bailiff” (Schuldeintreiber). Wie immer und überall sollten die kleingedruckten Bedingungen vor dem Kauf gelesen werden.

Viele Leute opfern viel Zeit für minuziöse Preisvergleiche via elektronische Medien, selbst für kleine Ersparnisse. Die hohen und steigenden Kosten für Elektrizität und Gas werden verglichen. Prompt werden die Lieferanten gewechselt, was immer mit zusätzlichen Formalitäten verbunden ist. Drei Monate später werden die Tarife erhöht … Das verursacht Ärger. Stattdessen dämmen wir den Verbrauch von Gas und Elektrizität soweit als möglich ein: Vorhänge ziehen und länger schlafen! In diesem Sinne lohnt sich unsere unbeabsichtigte Loyalität.

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Harmonische Zusammenarbeit als Voraussetzung zur Loyalität
Zusammen geht es besser. Damit ist das Teamwork (Arbeitsteilung) gemeint. Ein Haus wird gebaut. Dazu braucht es Architekt, Maurer, Spengler, Schreiner, Dachdecker und andere Spezialisten. Einer unterstützt den anderen innerhalb des Aufbaus. Jeder ist ein Teil des Ganzen. Spannungen zwischen Arbeitnehmern stören und hemmen erfolgreiche Arbeitsfortschritte. Vorgesetzte dürfen keine Vetterliwirtschaft betreiben. Sei angemerkt, dass nicht jedes Individuum zur Teamarbeit geeignet ist. Dies sei im letzten Absatz kurz festgehalten.

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Sich selbst gegenüber loyal/treu bleiben
Vornehmlich Wissenschafter, Erfinder, Philosophen und Künstler sind weitgehend Einzelgänger. Ihre Loyalität ist in ihrer Aufgabe verinnerlicht und verankert.

Feststellbar hat dieser Wesenszug auch ihren Platz im Alltagsleben. So sind wir wieder zum Anfang dieses Essays gelangt: Treue sich selbst und seinen Mitmenschen gegenüber als moralische Erfordernis. Das gebietet dem heute krass vorherrschenden Egoismus Einhalt.

 


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