Textatelier
BLOG vom: 05.12.2016

Wann gibt es bei uns die erweiterte DNA-Analyse?

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 

Mit Interesse verfolge ich ab und zu die Fernsehserie „Medical Detectives“. In dieser Sendung werden Fälle von authentischen Verbrechen in den USA geschildert. In einem Fall wurde ein Mörder nach 25 Jahren überführt. Zur Zeit des Verbrechens gab es noch keine DNA-Analyse. Anhand von einem Kleidungsstück, das aufbewahrt wurde, konnte die DNA (deutsche Abkürzung DNS) nachträglich ermittelt und der Mörder überführt werden.

In aktuellen Sexualmorden in Freiburg (19-jährige Studentin Maria L.) und in Endingen (27-jährige Joggerin Carolin G.) wurden zumindest bei der getöteten Studentin verwertbare DNA-Spuren ausgewertet. Ein Spürhund führte die Ermittler in die Universität Freiburg. 100 männliche Mitstudierende gaben eine Speichelprobe freiwillig im Uni-Hörsaal ab. Einige verweigerten den Test. Eine Begründung müssen sie nicht angeben.
Die Abgabe von Speichelproben erfolgt immer freiwillig. Die Polizei hätte sie nur bei einem Verdächtigen anordnen können.
Was passiert mit den Testverweigerern? Sie werden bei Bedarf befragt, wie ihr Verhältnis zum Opfer war und ob ihnen etwas aufgefallen ist. Bei einem Verdacht kann von einem Verweigerer später ein Test angeordnet werden.

Sollte sich von den freiwillig Getesteten kein Treffer ergeben, müssen dann die DNA-Muster laut Gesetz gelöscht werden. Eine Speicherung in der DNA-Datei des Bundeskriminalamtes ist ausgeschlossen.

Die deutsche Strafprozessordnung lässt DNA-Untersuchungen nur beschränkt zu. Das ist in Frankreich und den Niederlanden anders.  Die Einschränkungen wurden  nach den Morden in Freiburg und Endingen kontrovers diskutiert. So dürfen die Untersucher nur feststellen, ob es sich um eine männliche oder weibliche DNA handelt. Verboten sind Untersuchungen über Herkunftsregion, Haut-, Haarfarbe, Grösse oder Augenfarbe eines Menschen. Solche zusätzlichen Angaben werden auch in keiner Datenbank gespeichert.

Der baden-württembergische Justizminister Guido Wolf (CDU) setzt sich dafür ein, die Strafprozessordnung zu ändern. Erfolgt diese Änderung, dann könnten DNA-Proben eine erweiternde Auskunft über den Täter geben.
Aber bisher ist diese Änderung nicht erfolgt. „Durch den eng gefassten Paragraphen 81 g der Strafprozessordnung werden der Polizei diese aus DNA-Spuren gewinnbaren Informationen systematisch vorenthalten. Paragraph 81 g macht Rückschlüsse auf die ethnische Zugehörigkeit von Tätern unmöglich.“ (Quelle: Wikipedia. Volltext unter https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/_81g.html)

Unverständnis einer Schweizer Mutter
Unverständnis über den gesetzlich verordneten eingeschränkten  DNA-Tests erfolgte auch in der Schweiz.  Dort sind Untersuchungen auf Haar- und Augenfarbe oder Herkunft tabu.
In der Gemeinde Emmen im Kanton Luzern wurde eine 26-Jährige von einem Unbekannten vergewaltigt. Der Täter liess die Frau verletzt liegen. Seither ist die Frau vom 5. Halswirbel abwärts gelähmt. Der Täter konnte bisher nicht ermittelt werden.
Die Schweizer Polizei, wie die Stuttgarter Zeitung  kürzlich berichtete, konnte zwar eine DNA-Spur des Täters sichern, durfte diese aber nicht umfassend auswerten.
Nach dem brutalen Verbrechen forderte Nationalrat Albert Vitali eine Gesetzesänderung. In derart schweren Fällen sollten äusserliche Merkmale aus der DNA ermittelt werden dürfen. Solche Taten müssten „möglichst schnell und effizient aufgeklärt werden.“
Die Mutter äusserte in einem Beitrag des Schweizer Fernsehens ihren Unmut: „Es löst grosses Unverständnis aus, wenn man als Betroffene weiss, dass man die DNA des Täters hat, diese aber nicht verwenden darf, um den Täter zu finden.“
Es ist nicht auszuschliessen, dass der Täter weitere Straftaten verübt.

Emanuel Pascal, ein 23-jähriger Lörracher, hat beim Internetportal (www.openpetition.de) eine Petition gestartet. Er sammelt Unterschriften, um eine
schnelle Gesetzesänderung  zu erreichen. Man müsse die Polizei in ihren Fahndungsmöglichkeiten unterstützen.

Wie reagierten Leser?
Leser der „Badischen Zeitung“ verfolgten mit grossem Interesse die Artikel und äusserten ihr Unverständnis, warum bei uns kein erweiterter DNA-Test zulässig ist (Leserzuschriften vom 23.11.2016 und 03.12,2016).

M. U. aus Denzlingen schrieb: „Wenn also die Vorteile der erweiterten DNA-Texts so viel schwerer wiegen als deren Nachteile, warum um Himmels willen kümmert sich der Gesetzgeber in Deutschland nicht um die Anpassung jenes ‚veralteten’ Gesetzes an die Wirklichkeit?“

W. B. von Inzlingen bezeichnete die Einschränkung als ein „Schildbürgerstreich unserer Eliten“ Er äusserte, dass andere Länder schon weiter sind. „Bei uns dagegen werden Mörder und Sexualstraftäter durch die Feigheit der Politik, entsprechende Gesetze zu erlassen, geschützt. Die Polizei muss vergleichbar mittelalterlich ermitteln, und die Täter laufen frei rum und machen weiter!“

M. K. von Teningen ermahnte Politiker, dass sie ihren klaren Menschenverstand walten lassen und das Gesetz ändern sollen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Sinn dieses Gesetzes lauten soll: Täterschutz vor Opferschutz, oder?“

B. F. von Lahr: Es ist ein Skandal. „Eine Klatsche für die leidgeprüften Angehörigen und Freunde des Opfers … Wenn verantwortliche Politiker sich hinter einem Gesetz verstecken, geht mir als Bürger der Hut hoch. Mein Gott, dann muss man das Gesetz auch mal ändern! Jeder Datenschützer soll sich mal vor Augen führen, er wäre selbst Betroffener, direkt oder indirekt, eines solchen widerwärtigen Verbrechens.“

Persönlich bin ich auch für eine erweiterte DNA-Analyse. Bisher wurde immer gefaselt, man könnte ja eine ethnische Gruppe vorab schon beschuldigen. In den Niederlanden wurde nach einem Mord an einer 16-jährigen Schülerin ein Bewohner einer Asylantenunterkunft verdächtigt. Der später eingeführte erweiterte DNA-Test ergab, dass der Täter mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Westeuropäer sei. Das hat sich später bestätigt als der Verbrecher gefasst wurde.

Anhang1: Was die DNA-Analyse kann
Eine DNA-Analyse kann zu einer Vielzahl von Zwecken durchgeführt werden. Hier die Wichtigsten laut Wikipedia:
Kriminalistische Zwecke: Untersuchung von Tatortspuren, DNA-Spuren von Tätern (man spricht von einem  „genetischen Fingerabdruck“).
Klärung von Verwandtschaftsfragen (Abstammungsgutachten, Vaterschaftstests).
Medizinisch-diagnostischer Einsatz (genetische Grundlagen einer bereits bestehenden Krankheit aufklären, Prädispotionen für Krankheiten),
Bluttests.
Lebensmittelkontrollen (Erkennen von genetisch veränderten Sorten).
Genetik (Populationsgenetik, Humangenetik).
DNA-Analysen für Privatpersonen durch private Unternehmen (genetische Genealogie, Untersuchung des Erbgutes auf genetisch-bedingte Krankheiten und weitere Veranlagungen).
Bei einigen Tests − besonders die Anwendung im Gesundheitswesen − wird Kritik geäussert. So wollen beispielsweise Versicherungen Einblick in Gentestergebnisse haben.

Anhang 2: Verdächtiger gefasst
Im Mordfall Maria L. wurde jetzt ein Verdächtiger gefasst. Es ist ein 17-Jähriger aus Afghanistan. Er kam als unbegleiteter Jugendlicher nach Deutschland. Eine Twitterin schrieb: „Ich bin wütend und traurig. Mörder und Vergewaltiger an Medizinstudentin ist junger unbegleiteter Flüchtling aus Afghanistan.“
Vom Mörder der Carolin G. fehlt noch jede Spur. Es bleibt zu hoffen, dass der Täter trotz eingeschränktem DNA-Test bald gefasst wird.

Internet

https://de.wikipedia.org/wiki/DNA-Analyse
https://www.wasistwas.de
www.stuttgarter-zeitung.de (DNA-Analyse in Schweizer Fall - Unverständnis einer betroffenen Mutter)

 


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