Textatelier
BLOG vom: 27.01.2021

Wie weit ist Astrologie eine Beratungswissenschaft?

Autor: Pirmin Meier, Historiker und Schriftsteller, Aesch/LU

 

Aus meiner Sicht wird die Astrologie sowohl je nachdem unterschätzt als auch überschätzt. Unterschätzt insofern, als das Verhältnis des Menschen zu den Gestirnen schon immer einen Einfluss auf sein Weltbild hatte und damit sein Selbstverständnis bestimmte; siehe die epochalen Auseinandersetzungen von der Antike bis zum Übergang etwa vom Ptolemäischen zum Kopernikanischen Weltbild, welches übrigens auch nicht das letzte Wort zu dieser Frage blieb. Für Theophrastus von Hohenheim war das «astrum» schlicht das uns Umgebende, vom Fruchtwasser in der Gebärmutter bis zu dem uns allseits umgebenden Kosmos. Kommt dazu, dass zumindest ursprünglich Astronomie und Astrologie noch nicht getrennt waren; Astrologie durchaus als Weisheit aus dem Zeichensystem von Natur und Kosmos zu verstehen. Oftmals fehlt nun halt, wie oft, weltbildtheoretisches Grundwissen; vgl. noch die einst durchaus konstruktiven Debatten etwa um die Kant-Laplaceschen Hypothesen bis hin zu den Urknall-Theorien. Überschätzt wird die Astrologie, insofern man ihren Bezug zum «Innermenschlichen» ausklammert und vergisst, was Paracelsus betonte, als er sagte: «Sag nicht, der Mensch schlägt dem Mars nach; vielmehr sag: der Mars schlägt dem Menschen nach.» Es geht also um eine Wechselbeziehung in unserer Vorstellung von Makrokosmos (Natur) und Mikrokosmos (menschliche Leiblichkeit als Abhängigkeit und Bezugnahme zum Makrokosmos.).

Von genügendem oder wenigstens ausreichendem Grundwissen kann man, wie ich fürchte, nicht sprechen. Auf das schöne SJW-Grossheft von Didier Queloz über die Entstehung des Universums möchte ich in diesem Zusammenhang gar nicht eingehen, weil zu weitgehend und doch auch für die Weiterentwicklung unseres Weltbildes mehr als bedeutsam. Habe in diesem Zusammenhang übrigens in eine Debatte der Website meines Autorenkollegen, des Schriftstellers Valentin Trentin von Schinznach bei Brugg eingegriffen; die folgenden Zeilen entstammen der dort geführten Diskussion um Sinn und Unsinn, auch Grenzen von Astrologie als Beratungswissenschaft:

Wie weit Astrologie eine Beratungswissenschaft ist, hängt von vielerlei Faktoren ab, am stärksten aber vom Astrologen selber, der, um ein Beispiel zu machen, auch der beste Astronom der Zeit war, Galilei inbegriffen, nämlich Johannes Kepler. Weder in Prag noch in Linz noch in Regensburg, wo er auf dem Weg zum Geldeintreiben verstorben ist, konnte er von der Astronomie leben, wiewohl etwa seine Beobachtung und Analyse der Passage des Mars durch die Sonne laut Einstein die möglicherweise bedeutendste Leistung in der Geschichte der Astronomie war; von welcher Tätigkeit indessen er vorübergehend wegen Verteidigung seiner Mutter in einem Hexenprozess abgelenkt war. Aber die Hauptsache: Kepler war wohl, allein wegen seiner Intelligenz und praktischen Klugheit, sowohl für Kaiser Rudolf wie auch für den General Wallenstein ein Berater auf einem Niveau, wie es dies vorher und nachher in der Geschichte der Politik vielleicht nie wieder gegeben hat. Freilich waren die Ratschläge insofern schlecht verkäuflich, weil sie realistisch waren, zum Beispiel für das Jahr 1618 (Ausbruch des Dreissigjährigen Krieges) und weil man eben das, was Kepler riet, nicht hören wollte. Vielmehr wollte Wallenstein zum Beispiel allzu Konkretes über sein eigenes Schicksal wissen, für das aber die Sterne leider nicht so günstig lagen wie er es gerne gehabt hätte.

Eine Beratungswissenschaft, siehe auch Psychologie, Astrologie, Graphologie, ev, Beratung durch Bibelsprüche, die durch das Los gezogen werden (so handhabte es vor 150 Jahren Bismarck) hängt von Axiomen, Theoremen und weltanschaulichem Konsens ab. Auf dieser Grundlage hat Kepler die Astrologie auf einem Niveau betrieben, wie es zwar durchaus dann und wann vorkam, aber nicht mit dem herkömmlichen Astrologinnengeschäft vergleichbar ist. Natürlich braucht es dafür erkenntnistheoretische und weltanschauungsgeschichtliche Grundlagen, wozu zum Beispiel das Studium der Werke von Paracelsus wertvoll ist. Der berühmte Arzt aus Einsiedeln deutete am 16. August 1531 von St. Gallen, Hochrütiners Bürgli auf der Berneck, wo auch Vadian den Kometen beobachtet hatte, die Gestirnkonstellation für den 2. Kappelerkrieg und sagte voraus, dass die "schwächere Partei über die stärkere" obsiegen werde und ein grosses Haupt von seinem Stuhl fallen werden, im September 1531 in Zürich gedruckt, einen Monat später war der Empfänger der Widmung, Ulrich Zwingli, in der Schlacht bei Kappel gefallen. Es ging aber nicht ums Rechthaben oder Rechtbehalten, lediglich um die Warnung vor dem Religionskrieg. Natürlich vergebens. Soweit zur Astrologie als sog. Beratungswissenschaft.

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