Textatelier
BLOG vom: 28.02.2006

[1] Nil mirari – oder: „Die Auferstehung der Dame“

Autor: Emil Baschnonga
 
In meiner Bibliothek bin ich auf dieses Buch mit dem Titel „Die Auferstehung der Dame“ gestossen, von Paula von Reznicek anno 1928 verfasst und mit allerlei kokettem Buchschmuck ausgestattet. Das Inhaltsverzeichnis, worunter „Die Wollust der Zunge“ und „Vom ersten und letzten Schritt der Dame“ haben meine Neugier gereizt.
 
Gestatten Sie, liebe Leserin (und allenfalls lieber Leser), dass ich Ihnen daraus einige Leseblüten serviere; sie stammen aus der mondänen chicen Zeit des „Art Deco“. Die Autorin setzt da und dort ihre Lateinkenntnisse ein, u. a. „Nil mirari! – sich über nichts wundern! Ich wundere mich dennoch, wie wenig sich der Snobismus eigentlich verändert hat.
 
Eben geht die Frühlingsparade der Modeschöpfer zu Ende. Furchtbar dünne Mannequins trippelten zimperlich auf den Gehsteigen auf und ab. Sie sehen alle so blass und kränklich aus, dass man sie aufpäppeln und an die frische Luft bringen möchte.
 
Nun zurück ins Jahr 1928. Im erwähnten Buch geht es bei weitem nicht nur um die Mode, sondern um einen ausführlichen „Knigge“, wie sich die gnädige Frau aus besten Kreisen vorteilhaft in der Gesellschaft benimmt, mit allen Ränken und Schlichen, wie sie solchen Damen, eigentlich allen – vom Backfisch bis zur Grossmutter – eigen sind.
 
Es macht immer einen guten Eindruck, wenn die Damen mit englischen oder französischen Sprachbrocken aufwarten können. Damit beweisen sie ihre Bildung und zeigen sich auch sonst auf der Höhe. Auch gehört es zum guten Ton, sich piekfein auszudrücken, also nicht „übertrieben“, sondern „outriert“ zu sagen.
 
Zum Modediktat
Es darf nur helle Seiden- oder Brokatschuhe zum Dekolleté geben.
 
Frau Direktor F. in einem Sommerhermelin. Star „Pussi-Lussi“ in einem Kleopatra-Brokat mit Zobelbesatz.
 
Eine Frau, die von 4 bis 8 Uhr „richtig“ angezogen ist, braucht um die übrigen 20 Stunden keine Angst mehr zu haben … (Wie ist das zu deuten? Schweift meine Phantasie ab?)
 
Zur Körperpflege hat mich dieser Satz angesprungen: Der pedikürte Fuss ist eine Selbstverständlichkeit.
 
Zur Hautpflege – ich musste einen Tippfehler verbessern, zuerst hatte ich Hauptpflege geschrieben: „Die schöne Josephine Baker (Schönheitsideal und schwarze Music Hall Tänzerin) hat Recht … Orangensaft und Milch mit einem Tropfen Essig wirken oft Wunder – die Hautlabe der Orientalinnen.“
 
Badezeiten
Früh, wenn das Telephon läutet, heisst es immer todsicher: „Die gnädige Frau sitzt im Bad.“ Es muss Frauen geben, die den ganzen Morgen im Bad Platz nehmen, denn sie werden nie fertig, so oft man anruft. Aber das ist eigentlich verständlich …“
 
Köstlichkeiten rund um den Tee der Damen
Als Kontrast auserlesenes Backwerk: Hauchdünne „Gateaux pithiviers, exzellente „Florentiner Torten“, rundliche „Palets de dames“, „Hamburger Schnitten“ und „Wiener Tascherln“ machen einander den Rang streitig. Wundervoll sind die noch wenig bekannten „gefüllten Datteln“. Zum Dessert süsse, eiskalte Likörs – bis zur so genannten „l’heure bleue“, wenn (so meine Vermutung) die beschwipsten Damen ihre Liegen beziehen.
 
Menüvorschlag fürs Souper im kleinen Kreis
Cocktail: Langue du nègre (Negerzunge! Wer wagte, das heute noch anzubieten?) – Eier sans gène (ungenierte Eier) – Perlhühnerfilet mit Ananas – dazu 1911er Nuits St-Georges, Coupe Marquise, Die Brüste der Semiramis (Munkepunke) …
 
Mitternachtssouper, gefolgt vom Katerfrühstück
Kommt die Gnädige etwa in St. Moritz oder anderswo vom Apachenball um 2 Uhr morgens nach Hause, ist ein Mitternachtssouper mit sehr viel Sekt de rigueur (unerlässlich) und bereits angerichtet. Anderntags um die Mittagszeit wird das „Katerfrühstück“, natürlich mit Sekt, serviert.
 
Die Zigarette
Zur Einleitung schwieriger Dialoge wird sie aus goldenem Etui nonchalant angeboten. Ihr blauer Dunst löst das Peinliche einer Frage in Luft auf. Die Zigarette zerstreut, lenkt ab, beschwichtigt; man tändelt mit ihr in den Fingerspitzen hin und her …
 
Und jetzt werde ich bald in meinem Garten verhaftet, wenn ich eine Zigarette anzünde!
 
Visitenkarten
Eine ganze Visitenkarten-Sprache hat sich entwickelt, begonnen mit der Formel „Man gibt sich die Ehre“. Die einst beliebten französischen Abkürzungen wurden verdeutscht: U. A. z. n. (Um Abschied zu nehmen), U. A. w. g. (Um Antwort wird gebeten).
 
Warum war eine junge Dame schwer enttäuscht als sie „p.p.p. – „pour prendre congé“ Folge leistete? Hat sie sich etwa ihrer Kleider entledigt? Ich weiss es nicht.
 
Knieschauplatz oder Kriegsschauplatz
Die Kirche wetterte gegen das entblösste Damenknie. Aber der Rocksaum hat den Kürzeren gezogen – und damit den Krieg gewonnen und den Weg zum Mini freigelegt.
 
So war der Lauf der Zeit damals. Ich gebe ihr jetzt, wie den einstigen Nylonstrümpfen, die Laufmasche.
 
PS. Im gleichen Jahr erschien der Titel „Der vollendete Adam“, ein Gemeinschaftswerk von Paula und Burghard von Reznicek. Auf Leserwunsch werde ich gern darüber in einem Blog berichten. So möge auch der Leser auf seine Kosten kommen.
 
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