Post im Briefkasten des Textateliers: Ein Tübinger Student hatte ergründen wollen, was es mit dem Ghostwriting auf sich hat, suchte bei www.google.de und stiess als 4. Hit auf unsere Homepage: "Das klang nach etwas. Die sagen nicht nur, sondern machen etwas", dachte er sich. Und daraus entstand der folgende Briefwechsel, der hier im Einverständnis mit unserem jungen Nutzer und Lyriker wiedergeben werden soll.
Geräusche am Morgen
Wie schön, wie wirklich anders müssen klingen,
All diese Töne, die ihr mir beschreibt.
Die vielen Vögel, mit den bunten Stimmen.
Wie alles macht sich für den Tag bereit.
Nur eure Stille, die ihr stets betont,
Ist für mich nur alltäglich und gewohnt.
Denn jener Weg von mir zu einer Taube,
Ein Buchstabe hin oder her entfernt,
Ist nicht bereit. Was ich nicht wirklich habe,
Ist meine eig'ne furchtbar laute Welt.
Stefan-A. Bagdi
Von der Homepage erschlagen
Lieber Herr Hess,
Mal wieder bin ich total erschlagen. Diesmal gleich aus mehreren, jedoch zusammenhängenden Gründen.
Zum einen finde ich die Homepage des Textateliers sehr spannend, interessant, inspirierend, aber eben auch erschlagend. Ich habe mir noch nicht die nötige Zeit genommen, um all die Schätze darin zu bergen, aber bereits was ich gesehen habe, lässt mich hoffen. Hoffen, dass der andere Grund, warum ich erschlagen bin, vielleicht doch nicht so weit hergeholt ist.
Ich bin ein relativ junger (27) Pharmazie-Student aus Tübingen mit anscheinend vielen Talenten, und wohl noch viel mehr Widersprüchen und erlebten Geschichten. Ich bin in Rumänien aufgewachsen, lebe aber seit 1986 in Deutschland. Somit bin ich eigentlich dreisprachig; dank eines einjährigen, die englische Sprache verfliessenden Aufenthaltes in den USA. Aufgezogen mit logischen Problemen meiner Mathematiker-Eltern, aber auch sonst eher naturwissenschaftlich orientiert, habe ich erst in der Oberstufe meine Sympathien fürs Schreiben und Dichten entdeckt.
Seit 1993 habe ich an die 50 Gedichte, einige Geschichten und jede Menge Briefe und E-Mails geschrieben. Es scheint aber so zu sein, dass ich auch beim Erzählen eine gewisse Befriedigung erfahre. Nachdem mich nun schon etliche Freunde, vielleicht nicht ganz ernst genug, dazu ermuntern, meine Geschichten in eine kompakte, gebundene Form zu bringen, frage ich mich nun, ob und wie das sinnvoll gehen könnte.
Ich zweifle durchaus daran, dass meine Erfahrung ausreicht, ein solches Projekt zu realisieren. Trotzdem schreibe ich eigentlich vor allem, um meine Empfindungen mit anderen zu teilen. Jetzt stellt sich die Frage, ob es eine Form gibt, in der ich meine Erlebnisse schildern kann. Natürlich nicht nur die Guten. Da meine Gedichte normalerweise einer Person gewidmet sind, ich aber diese gerne miteinbauen würde, wäre es zuerst sehr interessant zu wissen, ob man sie auch als Aussenstehender ausreichend nachempfinden kann.
Meine furchtbar einfach-komplizierten Fragen lauten also: Was braucht man denn so alles an Geschichten, Gefühlen, eben an Stoff für interessante Memoiren? Wird alles Interessante gelesen, oder muss man vorher schon berühmt sein? Halten Sie die angehängten Kostproben für gesellschaftsfähig? Oder ist es nur Hobbyprosa eines Dilettanten; persönlich wertvoll, aber für andere unbrauchbar und unverständlich?
Ich entschuldige mich für die sicher ungewöhnliche Anfrage und danke Ihnen sehr für die geopferte Zeit. Sollte ein gewisses Interesse aufkeimen, so würde ich mich über ein wenig Schützenhilfe freuen. Natürlich hätte ich dann einige Fragen bezüglich Machbarkeit, Aufteilung der Arbeit in meine und Ihre, sowie auch wegen Honorar und dergleichen.
Wie richtig Ihre Adresse für derart Fragen ist, weiss ich, ehrlich gesagt, nicht. Ich habe einfach mal irgendwo angefangen und hoffe von hier irgendwie weiterzukommen.
Ein Auge blickt zurück, und weint in Trauer
um all die Zeit und all das Glück verloren.
Ein halbes lacht, der Rest ist mit dem Weg bemüht.
Wie kannst du da noch sehen, wohin dein Weg dich führt?
Wie kannst du all das Leben, was dir am Wegesrand passiert,
geniessen? Warum ist es so schwer zu handeln,
wie der Instinkt es einem rät? Mit allem was ich hab
nach vorne schauen, auf das was da noch kommen mag,
und mir und dir gefällt.
Ein Bund, der keine Heimat ist, belastet mehr und mehr,
und deine Bürde, die du tragen willst, wiegt schwer.
Wo denkst du, bleibt noch etwas Platz für deine Würde,
und deinen Stolz, gar deine Schönheit oder nur dein Glück?
Das Weiss, das einst für Liebe stand, in dem du schworst
den Bund fürs Leben, ist nun schon lang erkaltet.
Ein Panzer ganz aus Eis umgibt dein Herz, und deine Schärpe
ist jetzt Schnee, der alles Land um dich herum bedeckt,
so weit das Auge reicht.
Wie kann ein Frühling voller Blumen und voller Wärme
gerade dort entstehen, wo tiefster Winter herrscht?
Vergiss-Mein-Nicht und Rosen, und Tulpen und viel mehr,
Sie alle brauchen deine Wärme. Wie lange willst du,
kannst du sie verwehren? Dein Schnee lässt alles grau
und formlos wirken. Wann bringst du ihn zum Schmelzen?
Wann gönnst du deiner Seele die Schönheit die sie braucht?
Den Winter kennst du viele Jahre. Wie lange kennst du schon
den Frühling um ihn zu Recht zu fürchten?
Den längsten kalten Weg, hast du zum Ziel erkoren.
Nach vorne schaut ein halbes Herz, entmutigt.
Ein kleines Mädchen sucht sein Glück, inmitten jenes Sturmes,
der seinen Kopf, vor allem aber auch, sein Herz beherrscht.
Und seine Sinne, damit auch seine Sinnlichkeit, sind tief verborgen,
versteckt vor Wind und Kälte, die es umarmen, die es kleiden.
Doch in dem Dunst, im Schneegestöber, taucht eine zarte Hand,
sie sucht nach dir und bietet an, dich festzuhalten,
damit du diese Jahreszeit verlässt.
Stefan-A. Bagdi
Profane Absatzmärkte für Lyrik und Prosa
Sehr geehrter Herr Bagdi,
mit Freude habe ich Ihrer E-Mail entnommen, dass Sie in unser virtuelles Textatelier geraten sind und sich im "erschlagenen" Zustand etwas umgesehen haben. Bei der Konsultation unseres textatelier.com-Logbuches bin ich immer wieder erstaunt, aus wie vielen Universitäten wir täglich angewählt werden; offenbar sind wir bei Studenten und Lehrern sehr beliebt. Wahrscheinlich ist das auf unsere unkonventionellen Haltungen und ausführlichen Darlegungen im grösseren Zusammenhang zurückzuführen; wir schwimmen gegen den Strom, nicht um aufzufallen, sondern weil wir die Laufrichtung des Hauptstromes in der Regel als verkehrt empfinden.
Doch nun zu Ihrem Anliegen. Ihre Frage reduziert sich im Wesentlichen darauf, wie es Ihnen denn möglich sei, Ihre Lyrik und Prosa an den Leser zu bringen. Das ist eine zentrale und grundsätzliche Frage, die ich schon mit verschiedenen Publizisten und Schriftstellern besprochen habe und die sicher alle Menschen bewegt, deren eigene Manuskripte sich in Ordnern oder auf Festplatten stapeln beziehungsweise ansammeln. Gerade in den letzten Wochen hatte ich einen entsprechenden Briefwechsel mit einer Lyrikerin, so dass mir das Problem einigermassen vertraut ist.
Jeder Dichter und Schriftsteller möchte berühmt werden, ein Riesenpublikum nach Harry-Potter-Stil finden, jeder Maler möchte in die Geschichte eingehen. Daran ist nichts auszusetzen; das beflügelt zu höheren Leistungen. Es gibt ausser dem Anstreben von überdurchschnittlichen Leistungen in jeder Beziehung kein bewährtes Erfolgsrezept. Oft hat der Zufall den grössten Einfluss.
Ich möchte Sie nicht demoralisieren doch es muss gesagt sein: Lyrik und schöngeistige Literatur bei einem einschlägigen Verlag unterzubringen, ist heutzutage so gut wie unmöglich, jedenfalls für "namenlose" Jungautoren. Die Verlagslage ist desolat, wie Verlagsverkäufe, -umbauten und Schrumpfungsprozesse selbst bei renommierten Verlagshäusern ohne weiteres erkennen lassen. Erbauungsliteratur und Lyrik seien kaum bis überhaupt nicht abzusetzen, sagte mir ein Buchhändler kürzlich; Sachbücher und Ratgeber erfreuen sich gerade eines etwas besseren Schicksals.
Im Prinzip wird zurückhaltend nur gedruckt, wenn erfahrungsgemäss ein gewisser Absatz garantiert ist, weil ein bekannter Name dahintersteht oder die Thematik brennend ist, sozusagen eine "starke Marke" vorhanden ist. Es bliebe Ihnen unter solchen Auspizien nur die Möglichkeit, ein Büchlein auf eigene Kosten drucken zu lassen und im Selbstverlag zu vertreiben. Dann aber ist es schwierig, in die Buchhandlungen zu kommen; Sie profitieren dann eben nicht von den üblichen Verlagswerbekampagnen und riskieren, dass ausser Spesen nichts werden wird.
Aber es gibt heute zum Glück die Möglichkeit des elektronischen Publizierens; damit befasst sich bereits ein spezieller Arbeitskreis (www.akep.de); er besteht aus einem Verleger-Ausschuss im Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. (www.boersenverein.de). Dort ist festgestellt worden, dass E-Publikationen bereits zum Standard in fast allen deutschen Verlagen gehören. Bei 2/3 der Unternehmen sei auch die Erlössituation in diesem Bereich "ausgewogen oder gewinnträchtig", sagte der Sprecher des AKEP, Arnoud de Kemp, im Herbst 2002. Und weiter: Künftig werde es immer mehr Online-Angebote nur noch gegen Bezahlung geben. Das Internet bringe für die Verlage neue Angebotsformen, die "personalisiert und flexibel" auf die Kundenbedürfnisse zugeschnitten seien. Die Ausgangssituation deutscher Unternehmen bezeichnete de Kemp als "gut". Sie verfügten über eine "anerkannte Kompetenz", die für die Qualität der Angebote bürge.
An Ihrer Stelle, Herr Bagdi, würde ich mich bei einschlägigen Verlagen nach den entsprechenden Bedingungen erkundigen. Es wäre nett, wenn Sie uns später Ihre Resultate und Erfahrungen gelegentlich zuhanden unserer Nutzer mitteilen würden.
Die Frage nach der Qualität Ihrer Arbeiten, von denen Sie mir 6 Proben beigelegt haben 3 Gedichte sind hier publiziert , will ich nur rudimentär und unverbindlich beantworten, zumal ich kein Literaturkritiker bin: Die Gedichte heben sich deutlich über das landesübliche Mass ab, entbehren zwar oft der Leichtigkeit, vermitteln aber ansprechende Bilder und Gefühle in kunstvoller Präsentation. Diesbezüglich haben Sie offensichtlich Talent. Die Prosatexte haben mich etwas weniger überzeugt; diese müssten noch etwas ausgebügelt werden; sie sind schnell hingeworfen, aber nicht ausgefeilt. Doch alles in allem spürt man daraus Ihren Weitblick, auch in der Einzelheit, und zudem werden Ihre Sprachentalente erkennbar. Es liegen für Sie noch viele Entfaltungsmöglichkeiten drin, wenn Sie alle Ihre Fähigkeiten einbringen und schreiben, lesen, schreiben, lesen, schreiben... Das ist eine lustvolle Tätigkeit, die einen weiterbringt, den Musenküssen entgegen. Meine besten Gedanken entwickeln sich beim Schreiben. Und auch Sie empfinden beim Schreiben Befriedigung das ist ein schöner Lohn, einer der schönsten überhaupt.
Alle Beobachtungen haben allerdings gelehrt, dass sich auf dem Markt nicht einfach das qualitativ Hochwertigste durchsetzt. Beispiele, um diese Feststellung zu untermauern, liegen auf der Hand. Nicht Leute, die mit einer modulationsfähigen Stimme gesegnet sind und am besten wunderschöne Lieder singen, stürmen die Hitparaden, sondern meistens US-Stars, die mit einem gigantischen Marketing der Menschheit aufgezwungen werden. Und nicht der intelligenteste Amerikaner wird Präsident. Ganz allgemein setzt sich ja die US-Banal-Kultur nicht etwa deshalb zunehmend durch, weil es die erstrebenswerteste und intelligenteste wäre, sondern weil sie dank ihres abgrundtiefen Niveaus überall verstanden und aus allen Lautsprechern penetrant verbreitet wird. Das Hochwertige, Individuelle, Einzigartige wird schonungslos niedergewalzt. Es ist ja auch nicht so, dass die französische oder eine der chinesischen Küchen zum Inbegriff des Globalfrasses geworden wären, sondern die langweilige Hamburger-Kultur hat es geschafft, die nicht einmal aus Norddeutschland kommt... wobei diese allerdings den Höhepunkt hinter sich zu haben scheint: McDonald's-Aktien sind kein gefundenes Fressen mehr.
Sie müssen also "entdeckt" werden; wenn der literaturpäpstliche Marcel Reich-Ranicki Sie am Fernsehen öffentlich lobt, haben Sies geschafft!
Honorarfragen stellen sich für Schreiber vorerst nicht. Das Dichten ist ein brotloser Beruf, ein Hobby neben Ihrer Pharmazeuten-Tätigkeit. Zuerst müssen Sie froh sein, wenn Sie einen Weg finden, um überhaupt etwas unter die Leute zu bringen, ohne gross drauflegen zu müssen; in der Apotheke sieht das zum Glück anders aus... Das Textatelier wäre nie auf diesem Stand, wenn von unserem Personal nicht Tausende von Stunden Fronarbeit geleistet worden wären und noch immer werden. Es braucht schon einen enormen Einsatz, bis man nur schon zur Kenntnis genommen wird aber mit der Zeit kommen die Lorbeeren. Ihren Brief zähle ich dazu! Hart arbeiten, das Beste geben und durchhalten! Der Weg zum Ruhm ist nicht nur mit Steinen gepflastert, sondern manchmal überhaupt unauffindbar. Aber manchmal erreicht man das Ziel unverhofft.
Ich publiziere seit über 40 Jahren Gebrauchsliteratur. Ich war in verschiedenen Zeitungs- und Zeitschriften-Redaktionen tätig und habe möglichst vieles selber geschrieben. Ich wollte Inhalt liefern, schrieb mit Engagement und in einer angemessenen Sprache, liess gelegentlich ein unterhaltendes, auflockerndes und anregendes Element einfliessen. Das war bereits überdurchschnittlich; ich fand viele treue Leser, die meine Texte auch dann lasen, wenn sie das Thema an sich nicht interessierte. Das war mein sozusagen lokaler Erfolg, der mir mehr als genügt; mehr wollte ich nicht. Nun versuche ich, meinen Namen etwas zurückzunehmen und durch anspruchsvolle Ghostwriting-Aktivitäten Menschen kraftvoll zu unterstützen, deren Karriere noch Impulse braucht.
Diese Tätigkeit hinter statt auf der Bühne verschafft neue Faszinationen: Die Bedürfnisse der eigenen Person spielen keine Rolle mehr. Diese Arbeit vollzieht sich in einer Ambiance der Abgeklärtheit, was die volle Hingabe an die zu behandelnde Frage ermöglicht. So muss ich jetzt nur aufpassen, dass sich gerade deshalb nicht noch mehr Erfolg einstellt! Viele Menschen im Pensionsalter finden gerade deshalb Anerkennung, weil sie im Rahmen des Verdrängungswettbewerbes keine Gefahr für die Aktiven mehr sind. Aber das ist für Sie Zukunftsmusik!
Arbeiten sie brav und fleissig an den Buchstaben weiter, üben Sie, modellieren Sie! Lassen Sie sich durch vorerst ausbleibenden Erfolg nicht verdriessen! Irgendwann kommt er bei vielen (den meisten) Geistesgrössen und Künstlern aus allen Sparten stellte er sich viel zu spät ein aber nicht für die Nachwelt.
Walter Hess
* * *
Kein Golem
Ein Mann, ein Meister seines unbekannten Fachs
Steht dort, in seinem dunklen Arbeitsraum.
Um ihn herum in zahllosen Regalen,
Da lagern bunte, tiefe Farben, für jene Welt
Die er in seinem Kopf erlebt und dann kreiert.
Mit eignen zierlich sanften Händen
Belebt er jene wundersamen Menschen,
Die anderen als Vorbild dienen
Und sie im Leben inspirieren.
Bei Kerzenschein wie passend die rings im Raum verteilt,
Sucht er grad neue Farben, für eine wundersame Frau.
Als allererstes Braun, viel Braun:
Ein tiefes, warmes für die Augen,
Ein dunkles für das Haar, und etwas Rot darin.
Ein helles für Gesprengsel im Mimikry-Gesicht.
Weiss werden Kleinigkeiten und ihre Grundstruktur,
Schwarz für die Kleider, erhaben elegant verhüllt.
Fleisch für die Masse, für die Lebendigkeit.
So fängt er an zu modellieren,
Aus einem Rohweib Normkonform,
Ein Bild aus Phantasie Erinnerungen.
Wo seine Hände wandern, wo Kraft aus ihnen strömt,
Verwandelt sich das Kalte, in seine neue Form.
Und jedes Stück beendet, belebt sich farbenfroh.
Das Neue wird lebendig, das Ganze sowieso.
Die Endform war verborgen, doch vorbestimmt.
Er hat das Schlafende nur sanft geweckt.