Adventsgedanken eines wohlmeinenden Kirchenkritikers
Autor: Pirmin Meier, Historiker und Schriftsteller, Aesch/LU
Kein  legendäres Wunder wie viele Geschichten vom St. Niklaus oder um die Geburt des  historischen Jesus, aber für die Grande Nation wegweisend ist  der 6. Dezember 1905. An diesem Tag hat nach der  Nationalversammlung auch Frankreichs Senat einem Gesetzesvorhaben zur Trennung  von Kirche und Staat zugestimmt.
   
 Das ist Anlass genug, sich wieder einmal zu überlegen, ob das nicht auch für  die Confoederatio Helvetica einzuführen wäre. Jedenfalls  plädiere ich nach wie vor dafür. 
Selber habe ich die in einem Artikel im Blog meines Brugger  Weggefährten Alt Grossrat und Autor Valentin Trentin angesprochene Trennung von  Kirche und Staat im AG Verfassungsrat im Februar 1975 mit um 35 als Minderheit  Zustimmenden aus allen Lagern und bei erbittertem Widerstand der  Kirchenvertreter beider Konfessionen immerhin aufs Tapet gebracht, dabei mit  einer längeren Übergangsfrist und einer ausdrücklichen Bestätigung christlicher  kultureller Traditionen, die nicht auf Privilegierungen von feudalistisch  strukturieren Landeskirchen angewiesen sind.
   
 Wobei aber die Landeskirchenstrukturen bei der kath. Kirche zum Teil eine  gewisse Demokratie gewährleisten, was man also nicht unterschätzen sollte.  Nachdem aber z.B. die für mich historisch wichtige Gemeinde Wettingen allein in  letzter Zeit um die 1 500 Kirchenaustritte zu verzeichnen hatte, sehe ich  allmählich Handlungsbedarf. Weil jedoch das System sehr alt ist, seine  Beseitigung dem Staat Mehrkosten bringt, müsste die Privatisierung der Kirchen  (welcher sie zwar lächerlicherweise mit der "gleichberechtigten"  Öffentlichrechtlichkeit z.B. des Islam steuern wollen, was immerhin für ihre  Religion die Juden nie wollten) politisch langfristig und wegen der  unterschiedlichen Verhältnisse und auch dem eidg. Verfassungssystem kantonal  erfolgen. In der Bundesverfassung könnte man den Kantonen allenfalls eine Frist  von 50 Jahren setzen. Das wäre grosszügig, würde finanziell langfristige  Verpflichtungen der Kirchgemeinden und Landeskirchen noch berücksichtigen und  doch im Prinzip Diskriminierung von Nichtkirchenmitgliedern und anderen  Konfessionen langfristig entgegensteuern. Wichtig bleibt, dass der Staat zum  Ersatz keine Zivilreligion aufbaut, so zum Beispiel die Gender-Ideologie mit in  die Meinungsfreiheit eingreifenden Sprachregelungen, die eindeutig eine  Weltanschauungsdiktatur konstituieren. Bekanntlich ist heute Gotteslästerung  nicht mehr strafbar, sehr wohl aber unterdessen politisch nicht mehr korrekte  Ausdrucksweisen. Solche zivilreligiöse Vorschriften bedeuten eigentlich den Weg  vom Regen in die Traufe.
   
 Als empörend habe ich noch vom Verfassungsrat in Erinnerung die  Aussichtslosigkeit meines Antrages auf die Gelegenheit würdiger ziviler  Beerdigung in jeder Gemeinde. Mit dieser Forderung hatte ich noch vor weniger  als zwei Jahren Mühe, insofern z.B. bei Beisetzungen auf Friedhof neben Kirche  (eigentlich Gemeindeangelegenheit) die Abdankungsfeier für ein  Nichtkirchenmitglied in der Kirche nebenan auf Probleme stiess, Widerstand des  Dorfgeistlichen, wiewohl keine zivile Abdankungsstätte vorhanden war wie zum  Beispiel in Städten wie St. Gallen. Auch geht es nicht an, dass  Kirchenmitglieder immer noch verpflichtet sind, der kirchlichen Trauung eine  zivile Trauung vorangehen zu lassen, was eben Ausdruck dieser Verquickung von  Kirche und Staat ist.
   
 Anekdoten dazu:
   
 Im Aargau weigerte sich ein Geistlicher in Wohlenschwil, die vom aargauischen  Gesetz ermöglichte Trauung von Cousin und Cousine einzusegnen. Er wurde dann  vom Bezirksamtmann abgesetzt und ein liberaler Geistlicher damit beauftragt.  Dieser führte die Trauung durch, die aber kirchenrechtlich nicht erlaubt war.  Der liberale Geistliche wurde postwendend vom Bischof abgesetzt. Es gab  allerdings damals noch keine Ziviltrauung, die erst 1875 gegen den Widerstand der  kath. Kantone eingeführt wurde.
   
 Nach der 1841 erfolgten Aufhebung des Klosters Wettingen, 1227 von Kloten aus  gegründet, wurde der Kanton Aargau dazu verpflichtet, den Unterhalt des  Kirchturms, der Glocken und der Kirchenuhr der Pfarrei Kloten zu übernehmen,  die bis 1841 zu Wettingen zinspflichtig war. Diese Pflicht blieb dem Kanton bis  1960, als das Problem durch Staatsvertrag mit Zürich und der Kirchgemeinde  Kloten gelöst wurde.
   
 1880 wurden in La Tour de Trême FR wegen unklarer Zuständigkeiten für den Friedhof  für einen reformierten sozialistischen Grütlianer insgesamt drei Gräber ausgehoben, bis er endlich auf dem Friedhof, welcher zwar der kath.  Kirchgemeinde gehörte, laut Artikel 52 der Bundesverfassung  "schicklich" beerdigt werden konnte. Unter anderem war er im Garten  seiner Schwiegermutter mal "zwischengelagert". Leider steht diese  Geschichte nicht in der Biographie des Aargauer liberalen Bundesrates Emil  Welti, der sich zwar ziemlich hemdsärmlig, ohne Rücksicht auf die äusserst  komplizierte Rechtslage, in diese Sache zurecht empört eingemischt hatte.
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